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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1910
- Strukturtyp
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- 1910-01-15
- Erscheinungsdatum
- 15.01.1910
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- Deutsch
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566 Börsenblatt f. d Dtschn. Buchhandel. Mchtamtlicher Teil. ^ ll, 15. Januar 1910. deutliches Bild von den Zuständen in der Türkei gemacht hat, wird, wenn sein Fuß die Hauptstadt des Reiches oder eine der bedeutenderen Provinzstädte betritt, erstaunt sein, von den Re formen und Umwälzungen, von denen er in seiner Zeitung soviel gelesen hat, nichts zu bemerken. Bietet sich ihm doch noch immer dasselbe altbekannte Bild, mag er nun auf der Orientbahn das Land durcheilen oder in Galata seinen Fuß auf türkischen Boden setzen, stets wird ihn das hinlänglich bekannte Leben und Treiben umgeben; äußerlich hat sich in der Physiognomie des Osmanen- reiches noch nichts geändert. Man muß schon tiefer sehen. Wer den Betrieb auf tür kischen Ämtern und Behörden seit längerer Zeit kennt, wer in der Lage ist, im Verkehr mit der Bevölkerung dessen Bestrebungen, Wünsche und Ansichten zu erfassen, wird bemerken, daß sich über all ein eifriges Bestreben nach Fortschritt bemerkbar macht, daß man tatsächlich mit Ernst und Eifer an der Reformation des Staates an Kopf und Gliedern arbeitet. Daß es dort unten länger dauert, liegt im Charakter des Volkes begründet, und be kanntlich will im Orient mehr als wo anders »gut Ding Weile<< haben. Kurze Zeit nach dem Sturz des alten Regimes begann man im Osmanenreiche mit regem Eifer das nachzuholen, was auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft bis dahin arg vernach lässigt worden war. Zumal der Sinn für Geschichtsforschung begann sich kräftig zu regen, seitdem der unter der Despotie un bekannte Begriff »Watan« (Vaterland) Allgemeingut des Volkes geworden ist. Sowohl in der Hauptstadt als in der Provinz sind zahlreiche wissenschaftlich durchgebildete und wissensdurstige Männer an der Arbeit, die alten verstaubten Bibliotheken zu durchforschen und zu ordnen. Bekanntlich hat der gegenwärtige Sultan eine Spezial kommission eingesetzt, die auf Grund der vorhandenen Dokumente zu einer umfassenden Geschichte des Osmanenreiches die Vor arbeiten in Angriff nehmen soll; die erste Arbeit der Kommission wird das Sammeln und Ordnen der in den kaiserlichen Biblio theken bewahrten, bisher unbeachtet lagernden Manuskripte sein. Da es in der Gewohnheit der Türken war, in den eroberten Ländern Dokumente und Staatspapiere niemals zu vernichten, und da Konstantinopel, als es im Jahre 1453 von den Türken erobert wurde, sicher zahlreiche griechische Manuskripte in sich barg, die man bisher noch nicht ans Tageslicht gezogen hat, so kann man allein in der Hauptstadt auf zahlreiche und wertvolle Funde rechnen. So sieht man in der Gelehrten-Republik schon jetzt mit Span nung dem Frühjahr 1910 entgegen, bis zu welcher Zeit Professor Mahmud Bey die Durchsicht und Katalogisierung der Serail- Bibliothek beendet haben will. Was mag nicht noch alles aus verstaubten Winkeln der zahlreichen Moscheen und Paläste ans Tageslicht gezogen werden! In den Provinzen macht sich der gleiche Forschungseifer be merkbar. Wer Makedonien und die kleinasiatischen Vilajets durchstreift hat, wird häufig in weit vom Verkehr abgelegenen Gegenden auf Trümmerstätten alter Griechen- und Nömerbauten gestoßen sein, die, schwer zugänglich, der forschenden Wissenschaft noch wenig bekannt sind. Kleinasien, dieser Tummelplatz vieler Völker und Rassen, ist noch lange nicht genau durchforscht. Es ist ein unendliches, unerschöpfliches Feld, das jetzt für die Forschung der Archäologen und Historiker zugänglich gemacht wird. Ein derartiger Wissensdrang und Forschungseifer in den wissenschaftlichen Kreisen der Türkei muß naturgemäß auch auf die literarische Tätigkeit befruchtend wirken. Wie nun bei der türkischen Negierung das Bestreben herrscht, die Erforschung und Bearbeitung der vorhandenen Schätze den zahlreichen wissenschaft lich durchgebildeten und geistig bedeutenden Männern ihrer Nation zu übertragen und dem fremden Forscher nur das gesichtete und geordnete Material zu seinem Gebrauch bereitwillig zur Verfügung zu stellen, so ist sie auch darum bemüht, die Geistesprodukte ihrer ihres geistigen Eigentums nicht nur im Lande selbst, sondern auch im Auslande gesichert werden soll. Nun waren ja bereits unter dem alten Regime die Werke der Autoren mindestens vierzig Jahre nach der Veröffentlichung oder während Lebensdauer geschützt, ebenso war der Autor im Staate selbst vor unbefugten Übersetzern geschützt. Während man gegenwärtig dabei ist, die Bestimmungen betreffend den Autoren schutz im eigenen Lande umzuändern und weiter auszubauen, machen sich in den interessierten Kreisen Bestrebungen bemerkbar, die auf einen Anschluß der Türkei an die Berner Konvention Hinzielen. Diese Bestrebungen sollen durchaus nicht aussichtslos sein, und es ist nicht ausgeschlossen, daß wir vielleicht schon in absehbarer Zeit den Beitritt der Türkei zu dem internationalen Bund der literarischen Schutzstaaten erleben werden. Wie gesagt, der zu erwartende Aufschwung der literarischen Produktion wird es bewirken, daß die Türkei nicht nur, wie bis her, dankbare Empfängerin westlicher Kultur sein wird, sondern sie selbst wird wertvolle Geistesprodukte abzugeben haben, deren Schutz im Auslande sie sich, auf das Wohl ihrer Landeskinder bedacht, sichern will. Da zudem, wie oben bereits angeführt, im Lande selbst für hinreichenden Schutz der Autoren gesorgt wird, so will die Türkei den Beitritt zur Berner Konvention nicht unterlassen. Den deutschen Verleger wird es nun interessieren, zu er fahren, welcher Art die Lektüre und der literarische Bedarf des Osmanenvolkes ist, sowie auf welcher Stufe der Allgemeinbildung das Volk sich gegenwärtig befindet. Sollte ein Beitritt der Jahre erfolgen, so wird er gern wissen wollen, ob in jenem Lande für seine Verlagswerke Nachfrage und Bedarf vor handen ist. Wohl auf keinem Gebiete — abgesehen vom Heerwesen — hat sich in der Türkei der moderne europäische Einfluß mehr bemerkbar gemacht, als auf dem des Unterrichtswesens. Man mag über den unfreiwillig abgedankten Sultan Abdul Hamid denken, wie man will; das eine muß ihm auch sein ärgster Feind zugestehen, daß er das Schulwesen seines Reiches zu reicher Entfaltung gebracht hat; hat er doch selbst den Erfolg seines ur eigensten Werkes — wenn auch wohl anders, als er sich vorge- Negierungsantritt war sein Augenmerk auf den öffentlichen Unterricht und die geistige Hebung der Massen gerichtet. Zahl lose Schulen und Bildungsstätten wurden durch ihn ins Leben mittel und der reichlichen Besoldung ihrer Lehrer mit ähnlichen Anstalten des Westens wetteifern konnten. Die Reform des Unterrichtswesens begann nicht etwa, wie z. B. in Japan, schroff und auffällig, sondern der geistig bedeut same Abdul Hamid verstand es, die muselmanische Anschauung nach Möglichkeit mit europäischem Wesen zu verschmelzen, ohne dabei seine in dieser Hinsicht sehr empfindsamen Osmanen zu verletzen. Entsprechend dem nur langsam sich zu Verände rungen bequemenden Charakter des Volkes, braucht es lange Zeit Immerhin wird man nun nicht weiter erstaunt sein, wenn man hört, daß die Volksbildung — ich spreche hier von den breiten Bevölkerungsschichten in Stadt und Land — der unserer westlichen nicht allzuviel nachsteht. Denn auch in den Volks schulen der Türkei bilden Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion die hauptsächlichsten Unterrichtsgegenstände. Der Religionsunterricht beschränkt sich in der Hauptsache auf das Auswendiglernen von Koranversen. Dagegen ist die Er lernung des Lesens und Schreibens für die türkische Jugend eine schwere Wissenschaft; zählt doch das Alphabet uicht weniger als 130 verschiedene Buchstaben und orthographische Zeichen, zu deren richtigem Gebrauch und Verständnis es jahrelanger Übung bei den Kindern bedarf. An die Intelligenz des Kindes werden also schon in rein technischer Hinsicht bedeutend höhere An forderungen gestellt als im Abendlande. Die Elementar- und Volksschulen sind in der Regel an eine Moschee angeschlossen; die Lehrer (Hodschas) müssen eine staatliche Prüfung ablegen, ihr Unterhalt wird ihnen in vielen Fällen durch fromme Stiftungen gewährt. Bemerkt sei, daß sich der Unterricht nicht nur auf die Knaben beschränkt, sondern auch die Mädchen nehmen daran teil. Lehrt die Volksschule wie auch anderswo nur das Notwendige, so haben sich die höheren Bildungsanstalten das Ziel gesteckt, die lernbegierige Jugend zur Selbständigkeit und zu gründlicher wissen schaftlicher Bildung zu erziehen. Daß die zahlreichen höheren Schulen tatsächlich ihrem Zweck entsprechen, zeigt die fortschreitende Modernisierung des Staates, denn aus diesen Schulen ist in der
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