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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.12.1909
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 14.12.1909
- Sprache
- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 290, 14. Dezember 1S0S. Anfang der sechziger Jahre die Zeit. Er Pflegte beim Frühstück ein Morgenblatt zu durchfliegen, meistens die »Spenersche Zeitung«, die auch der König las, und nach dem gewöhnlich um fünf Uhr stattfindenen Mittagessen, auf dem Sofa liegend, bei der Zigarre die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« ganz durch- zulefen. Dazu kam noch die Überprüfung der dem König täglich vorzulegenden Zeitungsausschnitte. Den »Kladderadatsch« las Bismarck regelmäßig und meistens mit Behagen; er legte auf die Äußerungen dieses Blattes, das in der für die damaligen Ver hältnisse sehr großen Auflage von 36 000 Exemplaren erschien, so großen Wert, daß er den Redakteur einmal durch einen Vertrauensmann mündlich benachrichtigen ließ, seine Mitteilungen über gewisse bedenkliche Dinge möge er nicht fortsetzen, sonst könnte der Fortbestand des sehr geschätzten Blattes in Gefahr kommen. Bismarck pflegte die Zeitungen in Varzin mit dem Blei stifte in der Hand zu lesen. Fiel ihm etwas auf, so machte er gern Randbemerkungen; die gelesenen Zeitungen ließ er zu Boden fallen. Davon ausgehend, daß mancher dieser Gedankensplitter nicht wertlos sein könnte, gab Ehr. v. Tiedemann (siehe sein Werk: »Sechs Jahre Chef der Reichskanzlei«, 1909) den Auftrag, ihm die Zeitungen nachträglich vorzulegen, und hat einen großen Teil derselben aufbewahrt. Tiedemann besaß auch das Buch,das der Abgeordnete Bamberger über Bismarck geschrieben hat und das der Kanzler an verschiedenen Stellen mit Rand bemerkungen versah, besonders da, wo Bamberger ihn mit Richelieu verglich Bismarck meinte, seine Stellung sei eine viel schwierigere, als die des französischen Staatsmannes es war, und zwar wegen der Jntriguen des Hofes, der »Schürzen«, der Eigen heiten des Königs Wilhelm und des herrschsüchtigen und recht haberischen Abgeordnetenhauses, nicht zu reden von den Ge heimräten. Wie Poschinger aus seinen Unterredungen mit Herrn von Rottenburg mitteilt, las Bismarck entsetzlich viel Romane. Vor liebe hatte er für Felix Dahn, besonders für dessen »Kampf um Rom«. Es ging ihm wie einem bekannten Gelehrten, der den ganzen Tag über Romane las und erst abends sich an die Arbeit setzte und der sagte, er brauche die Romane zur Menschen kenntnis. Die letztere ging natürlich Bismarck nicht ab. In den letzten Jahren seines Lebens neigte er aller dings einer pessimistischen Beurteilung der Menschen zu. Wenn er sich die Frage stellte, wie der oder jener seine Handlungsweise gegen ihn später einrichten werde, so nahm er an, daß selbst süchtige Motive das treibende Element sein würden. Die ewige Beschäftigung mit der Politik, wo ja auch nur die Interessen spielen, mag ihn zu dieser Anschauung geführt haben. Mit Shakespeare war Bismarck (R. v. Keudell, Bismarck- Erinnerungen) wohlvertraut, wie dies auch mehrfache Zitate in seinen früheren Reden beweisen. Aus dem »Faust« zitierte er bei Gelegenheit der Anmeldung eines alten Geheimrats einmal die Stelle: »daß diese Fülle der Gesichte der trockene Schleicher stören muß«. Von dem bekannten Goetheforscher v. Loeper ließ er sich am Teetisch gern über die Vorarbeiten zu Loepers Faustkommentar vortragen. Die Goetbesche Lyrik reizte Bismarck mitunter zu Widerspruch, so z. B. der Schluß des Liedes an den Mond: »Selig, wer sich vor der Welt ohne Haß verschließt«. Im Gegensatz zu Goethe waren übrigens Bismarcks liebste Ar beitszeit die Abend- und Nachtstunden. Als H. v. Poschinger im April 1894 bei E. von Wildenbruch mit H. v. Sybel zusammentraf, erzählte ihm letzterer folgenden Vorgang, der nachdrücklich die Vorliebe des ersten Kanzlers für die deutsche Schrift erweist. Sybel kam im Jahre 1878 eines Tages in sein Bureau im preußischen Staatsarchiv und fand dort alles in größter Aufregung. Bismarck hatte den Chef der Reichs kanzlei, Geheimrat v. Tiedemann, mit dem strikten Befehl ge schickt, daß die lateinischen Lettern bei den amtlichen Publikationen der königlich preußischen Staatsarchive nicht mehr angewendet werden dürften. Der Kanzler hatte die Vorlage eines bezüg lichen Orderentwurfs angeordnet. Sybel ging sogleich ins Kanzler palais und ließ sich beim Fürsten melden. Im Vorzimmer fand er einen General, der sich vergeblich bemühte, eine Audienz zu erhalten, die Sybel sofort bewilligt wurde. Der Kanzler nahm die erste Publikation der preußischen Staatsarchive: »Lehmann, Preußen und die katholische Kirche seit 1840« in die Hand und beharrte mit Entschiedenheit auf Anwendung deutscher Lettern. »Was würden Sie dazu sagen, wenn Sie die Werke eines französischen Klassikers in deutschen Typen lesen sollten?« Sybel stellte ihm vor, daß der Verleger Hirzel in Leipzig den Wunsch ausgesprochen habe, die Publikationen in lateinischen Typen zu drucken. »Dann werde ich mit Ihrem Verleger auf Kriegsfuß zu stehen kommen«, sagte der Fürst, worauf Sybel erwiderte: »Das ist nicht nötig, da Hirzel ein glühender Verehrer Eurer Durchlaucht ist, dem Ihre Wünsche Befehl sind«. Bismarck hatte anfangs verlangt, daß die beiden schon erschienenen Bände des erwähnten Lehmannschen Werkes nochmals, und zwar in deutschen Lettern gedruckt werden sollten; er stand jedoch später auf Sybels Vorstellung von diesem Verlangen ab. Sybel setzte es sogar durch, daß auch noch die weiteren Bände dieses Werkes ausnahmsweise in lateinischen Lettern gedruckt werden durften. Sybels Vorstellung, daß die deutschen Typen, wie Grimm nachgewiesen, nur eine Verstümme lung der lateinischen Lettern seien, ließ Bismarck nicht gelten; ja er verlangte sogar, daß jeder, der die königlichen Staatsarchive benutzte, sich verpflichte, seine Veröffentlichung in deutschen Typen erscheinen zu lassen. Dem Wunsche Bismarcks wurde natürlich entsprochen; in Antiqua erschien nur noch der bereits im Druck befindliche zweite Band der Publikationen (»Friedrich Wilhelm I.«, von Stadelmann), der dritte Band (»Hessisches Urkundenbuch«, von Wyß) dagegen bereits in Fraktur. Als H. v. Poschinger im Sommer 1879 in Kissingen Bismarck den Plan zur Herauc-gabe des bekannten Werkes: »Preußen im Bundestag« unterbreitete, war Bismarck damit einverstanden und forderte Poschinger auf, ihm die Angelegenheit später nochmals schriftlich vorzutragen. Dies geschah; Poschinger erhielt die Genehmigung zur Ver öffentlichung, sowie zur Benutzung der preußischen Staatsarchive, jedoch unter dem ausdrücklichen Hinweis (vom 27. Oktober 1879), daß »die Erlaubnis zur Benutzung der Archive des Auswärtigen Amtes sich ganz allgemein an die Bedingung knüpfe, daß die be treffenden Werke mit deutschen Buchstaben gedruckt würden«. Der Wunsch, von dem Begründer des Deutschen Reiches ein Autograph zu besitzen, ist von der Zeit ab, da Bismarck im Mittelpunkt des europäischen Interesses zu stehen anfing, also etwa von 1866 an, allerorten lebhaft gewesen. Er ist natürlich vor und nach seiner Entlassung vielfach um eine Unterschrift gebeten worden, jedoch fast stets ohne Erfolg. Poschinger berichtet von einer Dame, die zu den Intimsten im Bismarckschen Hause zählte und eines Tages Bismarck um ein Autograph bat, da sie noch nichts Geschriebenes von dem großen Manne besaß. Bismarck antwortete, er gebe ein solches grundsätzlich nicht, wolle aber die Dame anderweitig entschädigen; dabei überreichte er ihr einen an ihn gerichteten Briefumschlag mit der Handschrift Kaiser Wil helms 1. Nur unter Photographien, die Fürst Bismarck befreun deten Personen und nach seiner Entlassung den Besuchern von Friedrichsruh gab, setzte er ohne langes Bitten seine Unterschrift. Wer sonst ein Autograph Bismarcks zu besitzen wünschte, ist zu jeder Zeit auf den Autographenhandel angewiesen gewesen. Bei der Versteigerung der prachtvollen Autographensammlung Alexander Meyer Cohns Ende Oktober 1905 erzielten drei Briefe Bismarcks 810, 550 und 1000 Von Interesse dürfte eine Mitteilung des Grafen Herbert Bismarck sein, die er auf eine An frage am 29. Juni 1880 erteilte, daß das Bismarcksche Familien archiv nicht mehr existiere: »Es ist im Jahre 1806 zu französischen Patronenhülsen verarbeitet worden«. Da gerade von Bismarck-Autographen gesprochen wurde, sei auch einiges über Bismarcks Verlangen nach einer leserlichen Unterschrift gesagt. Kürzlich ist zu den zahlreichen in Frankreich bereits bestehenden Liguen eine neue gekommen, die sich: »lu^ae cls xrots3tatiou eoutre toutes 163 eeridureä eb 8i§na.tur68 illi8ibl68. priueixalewent oells cke8 kouetionQLir68 cle l'Htat« (Protestliga gegen alle unleserlichen Handschriften und Unterschriften, zumal jene der Staatsbeamten) nennt. Eine derartige Agitation ist jedenfalls sehr zeitgemäß, denn die Zahl jener, die wie eine Katze schreiben, ist groß. Eine Entschuldigung für seine schlechte Schrift hat aber jeder. Entweder haben die Unleserlichen die auf der Schulbank erworbene leserliche Schrift angeblich bei ihrem späteren über mäßigen Arbeiten eingebüßt, oder sie trösten sich mit Napoleon 1., der eine schreckliche Pfote schrieb und dessen schreckliche Hand schrift eine der Ursachen des Verlustes der Schlacht von Waterloo
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