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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.11.1909
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 26.11.1909
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- Deutsch
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14630 Bdpenblatt f. v. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 27 5, 26. November 1909. stimmungen haben, wenn sie nur richtig angewendet werden. (Hört!) Nach einer Seite fehlt uns das wesentlichste, und ich erkenne es dankbar an, daß der Herr Abgeordnete vr. Müller- Hof den einzigen unentbehrlichen Schritt in dieser Sache da durch getan hat, daß er eine internationale Regelung für die Frage verlangte. Man weiß sehr wohl, daß diese Schmutze reien von Barcelona über Paris nach Wien und Preßburg gehen, dabei auch London nicht außer Acht lassen, aber in Deutschland in üppigster Blüte stehen. Wir können zu einer ernsthaften Bekämpfung des Schmutzes nicht kommen, wenn wir nicht auf internationalem Boden eine Verständigung herbei führen können und hier nicht auszulassen und seinerseits die Sache immer wieder zu urgieren, diese Bitte richte ich an den Herrn Abgeordneten vr. Müller-Hof. Es spielen hier zwei Dinge mit, die zur Verbreitung der Unsittlichkeit das meiste beitragen. Sie bestreiten, daß eine Verbreitung geschieht, soweit es sich um sogenannte Einzeldrucke handelt, um Drucke, die für die Bibliophilen, wie sich die Schweine gerne heißen, bestimmt sind, bestreiten das aber wahrscheinlich nicht mehr hinsichtlich der Photographien. Wenn jemand die diesbezügliche Schrift von vr. Kemmer gelesen hat, weiß er, wie es mit diesen Photo graphien aussieht. Auch die Behauptung des Abgeordneten v. Freyberg, daß an den bayerischen Seen der Skandal blüht, wird in dieser Broschüre bestätigt. Der Herr Abgeordnete von Freyberg hat auch auf Werke hingewiesen, die unter dem Titel Kunstwerke mit den schönsten Beiwörtern jedermann zugänglich sind, und er hat auch Künstler genannt, darunter fünf aus München, unter welchen einzelne sind, von denen man mehr als derartige Arbeiten erwarten könnte. Es ist gar nicht auszudenken, wie von all diesen Herren die Unzucht in Bildern dargestellt und dann als Kunst auf den Markt gebracht worden ist, wo sie nicht nur für einzelne, sondern für alle Stände zugänglich sind. Wir können den Beweis liefern, daß der Friseur, der Kaufmann das Werk genau so bekommt wie der Gelehrte, der sogenante Bibliophile. Es ist mit Dank anzuerkennen, daß die deutschen Buchhändler den Mut gefunden haben, dem Schmutz an den Kragen zu gehen. Leider haben sie nicht alle ihre Standesgenossen auf diesen Standpunkt bekehren können, und was ^.neuerdings eine Leipziger und Berliner Firma selbst draußen in den entlegensten Dörfern dem Volke zu bieten wagen, das hier zu schild-ern, sträubt sich die Zunge. Ich glaube, es wird kein Mensch in diesem Hause mehr die Gefahren leugnen, die heute gerade infolge der vorzüglichen Reproduktionstechnik und unseres gesamten Verkehrs für das Land viel größer ge worden sind als früher. Die Unsittlichkeit war und wird sein, aber hier ist doch eine Tatsache gegeben, die zu ihrer intensiven Verbreitung außerordentlich viel beiträgt. Wenn wir nun hier alle einig sind, warum kommen wir dann keinen Schritt näher und gar nicht zusammen? Daran ist nicht zuletzt meines Erachtens die Tatsache schuld, daß eine gewisse Falschmünzerei in den Begriffen heute eingerissen ist, sie sehr viele zu großen Nachbetern macht, weil sie glauben, sie gehören zu den Gebildeten, wenn sie einer ganz kleinen Clique folgen, die in diesem Umwerten allerdings mit großer Geschicklichkeit vorgeht. Wir sind beinahe so weit gekommen, daß die Ehe un sittlich und die freie Liebe eigentlich sittlich sei. Dabei tröstet mich eines: daß selbst jene Herren, die gegenüber diesem Umwerten der Begriffe kein Wort in der Öffentlichkeit finden, wenigstens ihr eigenes Leben nicht nach dieser neuen Moral einrichten, weder in bezug auf ihren persönlichen Ver kehr, noch in bezug auf die Erziehung ihrer Kinder. Allerdings möchten sie daraus eigentlich schon die verdammte Pflicht und Schuldigkeit ableiten, das, was sie selbst nicht tun mögen, auch nicht in der Öffentlichkeit in irgend einer Weise gutzuheißen, sonders viel gesündigt ^wurde. Mir ist es bis jetzt immer so vorgekommen, als ob der Richter kritiklos annimmt, was man ihm von den Sachverständigen bietet. Und es wurde draußen sogar die Vermutung ausgesprochen — ich glaube nicht, daß sie richtig ist —, daß man auf die Staatsanwälte eingewirkt habe in bezug auf die Beiziehung von Sachverständigen, die insbe sondere geneigt wären, sic zu stützen, und man oben keine Freude daran habe, wenn es so gemacht würde. — Abg. Müller-München 8 hat recht, wenn er sagt, daß es gerade die oberen Zehntausend sind, bei denen der Schmutz die meiste Unterstützung findet Nun wird nicht mit Unrecht verlangt, hier in erster Linie mit Aufklärung und Erziehung einzusetzen. Ich will zum Schluß an ein Zitat des Herrn vr. Kemmer erinnern, daß jeder, der sich ernsthaft mit der Frage befaßt, dazu kommt, daß es nicht allein genügt, zu erziehen, sondern daß auch ein Schritt weiter getan werden muß nach außen und innen. Wir haben hier immer mit derselben Erscheinung zu kämpfen, und daß ist die Furcht, daß es der Kunst als solcher zu hart gehen könnte, wenn wir versuchen, den Schmutz zu bekämpfen. Allein es handelt sich hier gar nicht um Kunst. Wir haben begreiflicherweise bei unseren Richtern das Bestreben, der Kunst ja nicht zu nahe zu treten, und daraus resultieren die Bestrebungen, Sach verständige beizuziehen. Wäre die Kunsterziehung und das Kunstverständnis in den Schulen schon besser gepflegt worden, würden wohl die Richter von selbst dazu kommen, ein eigenes Urteil abzugeben in Dingen, bei denen es sich aller dings fast nicht um die Kunst, sondern bloß um das Sittliche handelt. Erst kürzlich hat das Reichsgericht in Sachen einer Revision ausgesprochen, daß die Darstellung des Nackten an sich noch keine Unzüchtigkeit bildet, daß aber die Art, wie es hier auf Postkarten geschehen war, unsittlich sei. Und niemand Geringerer als Professor v. Stuck hat — und das ist mir viel wertvoller — als er über ein Werk in der letzten Zeit sein Urteil abgeben mußte, ausgesprochen: »Die Blätter sind zweifellos in hohem Grade künstlerisch gezeichnet, aber über die Frage, ob sie unzüchtig sind, brauche ich mich nicht zu äußern, die Frage kann jeder Laie beantworten.« (Hört! rechts.) Und Professor v. Stuck ist doch ein Mann, frei von jeder Prü derie. Diesen Satz müssen wir uns vor Augen halten. Es handelt sich in den allermeisten Dingen darum, daß sexuelle Vorgänge, nicht bloß der nackte Körper dargestellt werden. Braucht es da wirklich noch einen Sachverständigen? Ich möchte öffentlich unsere Richter bitten, sie möchten diese Worte Stucks wohl beachten, und ich bin überzeugt, sie werden zu einem selbständigen Urteil kommen. Nach dieser Richtung hin glaube ich auch mit 0,-. Müller-Hof zu- sammenkommen- zu können, wenn er auch diesem Gedanken Professor Stucks entsprechend Rechnung trägt und wenn er seine Arbeitskraft mit in den Dienst stellen will, damit ein solcher Ge danke auch Gemeingut im Richterstande werde. Schließlich möchte ich dem Minister noch empfehlen, das, was ich mir erlaube auf seinen Tisch zu legen, anzusehen, und er wird erkennen, was für Dinge unter der Flagge der Kunst segeln und was tatsächlich noch unbeanstandet seitens der Behörden auf den Markt kommen darf. (Lebhafter Beifall rechts.) Justizminister v. Miltner: Die Frage der Pornographie wurde von mehreren Rednern behandelt. Auch ich habe Ver anlassung, darauf einzugehen. Die Verurteilungen aus dem § 184 des Strafgesetzbuchs gehörten früher zu den Seltenheiten. Es ist nicht zu verkennen, daß die Zunahme dieser Verurtei lungen allein schon ein Beweis dafür ist, daß die pornogra phischen Erzeugnisse speziell in Deutschland außerordentlich zu genommen haben. Wenn das nicht der Fall wäre, so wäre es unmöglich, daß Männer aller Parteirichtungen, aller Stände in den letzten Jahren eindringlich darauf hingewiesen haben, daß dieses Überhandnehmen der Pornographie eine große Ge fahr für die sittliche Gesundheit des Volkes, namentlich auch für die Jugend bedeutet. Wem die Erziehung seines Kindes am Herzen liegt, dem kann es unmöglich gleichgültig sein, daß sich Erscheinungen breit machen im Buchhandel, in zeichnerischen Darstellungen, die in einer Weise leicht zu gänglich sind, daß jeder Familienvater nur von lebhafter Be sorgnis davon erfüllt sein kann. Auch ist die unbestreitbare Wahrnehmung zu machen, daß man im Auslande eine so auf dringliche Darstellung pornographischer Erzeugnisse wie bei uns Deutschen nicht sieht. (Sehr gut! rechts.) In den romanischen Ländern — man kann ja vielleicht Paris ausnehmen — in ganz Italien sind bei weitem diese Dinge nicht zu sehen, wie
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