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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.09.1909
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 18.09.1909
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- Deutsch
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10720 Börsenblatt f b Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 217, 18 September 1809 Nichtamtlicher Teil. Die Schundliteratur und ihre Bekämpfung. Von Tony Kellen (Bredeney/Ruhr). Im letzten Jahrzehnt sind in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften Aufsätze erschienen, in denen die schädlichen Folgen der Schundliteratur hervorgehoben und Mittel zu ihrer Be kämpfung empfohlen werden. In einzelnen dieser Aufsätze, so in meiner 1889 in den Preußischen Jahrbüchern er schienenen Abhandlung: Der Massenvertrieb der Volkslitcratur, ist auch versucht worden, das Thema gründlicher zu be handeln und möglichst genaue tatsächliche Angaben über die Verbreitung der Schundliteratur und über die zu ihrer Bekämpfung eingeschlagenen Wege zu beschaffen. Es ist aber auch in dem Rahmen eines längeren Zeitschrifteuaufsatzes nicht möglich, diesen Gegenstand nach allen Seiten hin er schöpfend zu behandeln, und da neuerdings der hier er wähnten Frage aus triftigen Gründen wieder erhöhte Auf merksamkeit zugewendct wird, ist es dankbar zu begrüßen, daß vr. Ernst Schnitze in Hamburg-Großborftel den Gegen stand jetzt in einem eigenen Werke erörtert: Die Schundliteratur. Ihr Vordringen, ihre Folgen, ihre Bekämpfung. Halle a. d. S., Buchhandlung des Waisenhauses, 1809. 114 S. 8". Geheftet 2 vr. Ernst Schultze, der Generalsekretär der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung und Geschäftsführer des Guten- berg-Vcrlags in Hamburg, ist als Schriftsteller durch seine Arbeiten über Voltsbildung und über amerikanische Kultur- verhältnisse bekannt geworden. Außerdem ist er auch als Buchhändler in der Lage, manche Einzelheiten der hier in Betracht kommenden Fragen genauer zu beurteilen als mancher andere, der sich auf oft nur flüchtige Beobachtungen beschränken muß. Mit großem Fleiß hat er übrigens einen großen Teil der einschlägigen Literatur, die in den ver schiedensten Zeitschriften und Broschüren zerstreut ist, zu Rate gezogen, so daß es ihm gelungen ist, das wichtigste Material über die Schundliteratur zu vereinigen. Er hat den Stoff systematisch verarbeitet und den In halt sehr übersichtlich gestaltet. Er behandelt nämlich in den einzelnen Abschnitten 1. das Wesen, 2. die Folgen der Schundliteratur, 3. die Gründe der Erfolge der Schund literatur, 4. als besonderes Beispiel die Kriminallileraiur, 5. die internationale Bedeutung der Schundliteratur-Frage, 6. die Bekämpfung der Schundliteratur. Über das Wesen der Schundliteratur ist man sich in den Kreisen der Gebildeten wohl allgemein klar, obschon es mancherlei Werke gibt, die sich auf der Grenze dieses Gebietes bewegen. Man kann nicht behaupten, daß vr. Schultze in dieser Hinsicht zu streng vorgehe, denn er beschränkt sich ausschließlich auf solche Werke, die ohne jeden Zweifel zur Schundliteratur zu rechnen sind. Er kennzeichnet vorerst das Vordringen der Schundliteratur, den Charakter der Hintertreppenromane, der Nick Carter- Hefte und der anderen Formen der Schundliteratur. Zu letzteren zählt er auch die neuerdings so zahlreich erschienenen -Liebhaber-Ausgaben, der erotischen Literatur. Was die Folgen der Schundliteratur betrifft, so teilt Vr. Schultze nicht die Ansicht derjenigen, die glauben, daß die Kolportageromane und ähnliche Werke für die Kreise, für die sie bestimmt sind, immerhin besser seien als gar keine Lektüre. Es unterliegt auch gar keinem Zweifel, daß die Schundliteratur unermeßlichen Schaden anrichtet. Aus einer Anzahl Fälle der Gerichtschronik der letzten Jahre weist der Verfasser nach, daß zu manchem Sittenverbrechen, zu mancher Brandstiftung, zu manchem Morde durch die Schundliteratur die ersten Keime gelegt worden sind, wenn ihre Ausführung nicht geradezu durch sie hervorgerufen wurde. Die fortgesetzte Lektüre von Schundliteratur hat auch schon oft genug zum Selbstmord geführt?) Ferner kommt in Betracht, daß durch die Herstellung und den Vertrieb der Schundliteratur dem deutschen Nationalvermögen riesige Summen verloren gehen, vr. Schultze glaubt behaupten zu können, daß in Deutschland Jahr für Jahr etwa 50 Millionen Mark in den übelsten Arten der schlechten Literatur angelegt werden. Deshalb hat — abgesehen von den natürlich in erster Linie stehenden idealen Gründen — der solide Buchhandel alle Veranlassung, sich an der Bekämpfung der Schundliteratur zu beteiligen, damit das Volk allmählich lerne, sein Geld für gute Bücher anzulegen. Ein besonderes Interesse bietet der Abschnitt: Die Gründe der Erfolge der Schundliteratur, weil der Verfasser hier meines Wissens zum erstenmal diese Frage nach verschiedenen Seiten beleuchtet. Er behandelt darin den Reiz der Aufregung und die kindliche Lesewut. Unter den Ursachen, denen die große Verbreitung der Schundliteratur zuzuschreiben ist, steht in erster Linie die Sucht des menschlichen Geistes nach Auf regung und nach Abenteuern. Nicht bloß die Jugend liest mit Vorliebe abenteuerliche Erzählungen und Märchen, sondern auch der Erwachsene greift gern nach Büchern, die ihm ungewöhnliche Verhältnisse schildern; der eine zieht Reise beschreibungen aus fremden Weltteilen vor, der andere wendet sein Interesse dem bunten Wechselbilde der Geschichte zu, die Mehrzahl greift nach Romanen, in denen eigenartige Menschenschicksale geschildert werden.") Schon Schiller sagt in der Einleitung zu seinem »Verbrecher aus verlorener Ehre«: -In der ganzen Geschichte des Menschen ist kein Kapitel unterrichtender für Herz und Geist, als die Annalen seiner Verirrungen. Bei jedem großen Verbrechen war eine verhältnismäßig große Kraft in Bewegung. Wenn sich das geheime Spiel der Begehrungskraft bei dem matteren Lichte gewöhnlicher Affekte versteckt, so wird es im Zustand gewalt samer Leidenschaft desto hervorspringender, kolossalischer, lauter; der feinere Menschenforscher, der weiß, wieviel man auf die Mechanik der gewöhnlichen Willensfreiheit eigentlich rechnen darf und wie weit es erlaubt ist, analogisch zu schließen, wird manche Erfahrung aus diesem Gebiete in seine Seelen- lehrs herübertragen und für das sittliche Leben verarbeiten.» — Als der erste Prosaroman, der »Amadis von Gallien- ge schrieben war, trat er, obwohl die Buchdruckerkunst noch nicht erfunden war, eben wegen seines abenteuerlichen In halts einen Siegeslauf durch das ganze Gebiet der christ lichen Völker an, und als später der Buchdruck seine Ver breitung förderte, erschienen Übersetzungen in sämtlichen Sprachen des damaligen Europa. Cervantes gab in seinem »Don Quixote« die ganze äußere und innere Unwahr- scheinlichkeit des -Amadis» und seiner Nachahmungen dem Gelächter der Gebildeten preis. Von dauerndem Erfolg aber ist dieser Gegenschlag nicht gewesen, denn auch später fanden die Ritterromane und Räuberromane, nament- -) Weiteres Material in den Schriften: da littsrature inunorale et la erinrinalitä. Oonksrevee xoxulairs clonnee a Oensvs pur N. lobn vuebeae, 1894. — Du «langer ries «nauvaie livrss st (los M0/6N8 «1')' re- rncäier. üar U. vugdno «le IZuäe. Osoövo 1883. Vgl. hierüber: Der Roman. Geschichte, Theorie und Technik des Romans und der erzählenden Dichtkunst. Von Heinrich Keiler und Tony Kellen. Essen 1808, Fredebeul L Koenen. S. 23L u. folg, und an verschiedenen andern Stellen.
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