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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.03.1923
- Strukturtyp
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- 1923-03-06
- Erscheinungsdatum
- 06.03.1923
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- Deutsch
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1958vörsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Fertige Bücher. X- SS, 6. März 1923. F/e //rüFFe/r 0^8 /^/r.- Ein wunderschöner Gedanke ist bei der Entstehung dieses Buches Pate gestanden: Verklungene Wersen aus der roman tischen Zeit der Minnesänger oder wenigstens die köstlichsten perlen der höfischen und dörfischen Dicht- und Sangeskunft völliger Vergessenheit zu entreißen. Gerade in diesen Tagen bitterster Not, die unser betrogenes deutsches Volk durchleben muß, ist die Gabe doppelt wertvoll. Nichts richtet mehr auf als das Bewußtsein um eigenen Glanz und unzerstörbare Habe, und nichts kräftigt den starken willen zum Volkstum, dessen wir mehr als je bedürfen, mehr als die Stimmen der Vergangenheit. Das Lied Walters von der vogelweide an die deutschen Männer und Frauen wirkt tiefer und inniger als alles, was wir uns heute zum Tröste zu sagen vermögen, denn es quillt wie ein goldener Wunderbrunnen aus der Seele des deutschesten Sängers seiner Zeit. Nun kannten wir, wenigstens viele von uns, wohl die Texte dieser alten Minnesängerlieder, aber die weisen, die damals zu den Worten erklangen, hatte der Schutt vieler Jahrhunderte be deckt. Es war nicht eben leicht, sie wieder hcrzuftellen und in unser heutiges Tonsystem zu übertragen. Dennoch ist es ge- lungen, und was damals aus den Saiten der kleinen Sänger harfe rauschte, kann nun auf dem Rlaoier nicht übel nachgeahmt werden. Die alte Runst erwacht zu neuem Leven. Man horcht, staunt, ist ergriffen von der Süße und Lieblichkeit der alten Mtnnelieder, die längst zu Staub gewordene Frauenherzen rührten und deren letzter Hauch so lange schon verwehr war. Und der Edelste von allen, der Sänger des deutschen Tiroler Südens, der Vogelweider, steht nun ganz vor uns, und wir meinen seine Helle Stimme zu hören, die nicht nur an Fürsten- Höfen, sondern allüberall geschätzt war, selbstverständlich nicht so, wie es dem ritterlichen Sänger gebührte. Das war ja stets das Los aller, die sich der Runst weihten und auf die fetten Pfründen des ehrsamen Gelderwerbes aus ihrem innersten Wesen heraus verzichteten. Rorrauscher har in dem ersten Band des dreiteiligen, mit sehr schönen, farbigen Nachbildungen aus damaliger Zeit ge- schmückten Werke» eine ausgezeichnete Uebersicht über die Minne- sängerzeit gegeben Es ist ein ebenso genauer Renner des ritter lichen Minnedienstes wie der Verhältnisse an den Babenberger- Höfen Leopolds IV. und Friedrichs II. Man kann von ihm alles Wissenswerte über die höfische Schule in Bayern und Oesterreich erfahren und seine Studien über Reinmar den Alten, Neidhart von Rcuental, Tannhäuser, Hugo von Montfort, Oswald von Wolkenstein und den sagenhaften „Mönch von Salzburg" sind bei aller Gelehrsamkeit leicht und allgemein ver ständlich geschrieben. Viel Interessantes weiß er auch über romantischen Stil, über Gotik und dörfische Schule mirzuteilen und sein Verzeichnis der benützten Literatur verrät die Gründ lichkeit, mit der er seiner Aufgabe gerecht wurde. Die zwei anderen Bände zu besprechen, hätte keinen eigent lichen Sinn. Sein tieffühlendes Eingehen auf den Geist jener glänzenden und schönen Zeit zeigt Rottauscher in den den zweiten Sand füllenden Uebertragungcn der mittelhochdeutschen, nicht allgemein verständlichen Texte in das uns geläufigere Neuhoch, deutsche, und es ist eine große Sammlung (mitunter seltener und wenig bekannter) Lieder, die so der Allgemeinheit nähergebrachr wurden. Der dritte Teil ist die Rrone des Ganzen: eine Reihe auserlesener Mtnnelieder mir ihren wundervollen weisen, die wie Geifterklänge aus großen Vortagen klingen müßten. Aber es sind keine zitternden, gespenstigen Noten, die uns, in Töne umgesetzt, aus der Vorzeit grüßen: es sind frische, maiengrüne Lieder, von jungen Rehlen gesungen. Lieder von gestern und heute, unsterblich und ewig, wir lauschen und lächeln, als sänge die eigene Jugend, als zögen wandernde Burschen an unseren Fenstern vorbei mit dem Hellen Schall von Liebesliedern . . . Es ist unser, was da tönt, und von je unser gewesen. (Paul Busson im N. wiener Tagblatt.) Nun haben sich zwei Männer, ein Dichter und ein Musiker, AlfredRottauschee und Bernhardpaumgartner, gefunden, die, abseits rein wissenschaftlicher Exegesen, erfüllt von der Schönheit, überzeugt von der Unvergänglichkeit dieser ehr würdigen Runst, versuchen wollten, Worte und Töne der Minne- sänger unserem Verständnis näherzubrmgen. In drei großen, prachtvoll ausgcstatteten Bänden erschien in dem wiener Verlag Carl Stephenson „Das Taghorn, Dichtungen und Melodien des bayrisch-österreichischen Minnegesangs", und mit diesem Werk, entstanden in Salzburg, jener Gegend, die in der Hauptsache der Mittelpunkt des deutschen Minnegesanges war, mir dieser im besten Sinne volkstümlichen Publikation ist ein kostbarer Beitrag zur Runst und Rulturgeschichre der beiden benachbarten Länder geschaffen woeden. . . . bietet dieses Werk eine erschöpfende Uebersicht, die den bedeutendsten bayrisch-österreichischen Minnesängern mir ihren Dichtungen gerecht wird, eine Zusammenstellung schönster Poesien, die in unzähligen Handschriften und ebensovielen meist unzugäng- lichen wissenschaftlichen Werken nur mühsam zu finden sind. Die Texrdichtungen sind mit starkem Sprachgefühl gestaltet, und da die musikalische Bearbeitung die melodische Liuie unangetastet widergibt, kann sich jeder „Wort und Ton" nach bestem wissen vereinen. Eine Reihe ideal gelungener Reproduktionen von Miniaturen, Stichen und Federzeichnungen schmücken das kostbare Werk, das in seinem allgemeinen Teil biographische und kultur geschichtliche Beiträge von Rottauschcr enthält, die, fesselnd ge schrieben, ein anschauliches Bils des Lebens und der Runst jener Zeit bieten. Von Reinmar dem Alten über walrher von der Vogclweide und das Wien der Babenberger hin bis zur reifen Gotik, in der Tannhäuser und der Mönch von Salzburg aufrraten, kann man, ohne sich in allzu weitläufige Spezialftudien verirren zu müssen, eine Rultur- und Runstbcwegung an Hand dieses Buches kennenlernen, deren ewige steinerne Wahrzeichen uns in deutschen Städten auf Schritt und Tritt an eine große Ver gangenheit unseres Volkes gemahnen. Dieses Buch will das Seine dazu beitragen, einen jahrhundertelang in Schlaf ver senkten Runstzweig aus jener starken Zeit zu erwecken. (Dresdner Neueste Nachrichten.) Und wer den Versuch macht, zu Herrn Walther und seiner Zeit zurückzufindcn, der wird es nicht bereuen, denn er kehrt damit zu echtestem Deutschtum zurück, zu den wahren wurzeln seiner Rraft, zur Hoffnung auf einen neuen und schöneren Tag, und so kann ihm der Sang jener romantischen, wuffenklirrenden, kampffrohen und doch in starker Zucht den stärksten Trieb im Menschen, den Trieb vom Manne zum we,be in edelste Form und Selbstzucht bringenden Zeit zum „Taghorn" einer besseren Zukunft werden. Im ersten Bande führt uns Rottauscher in meisterlicher Art in die Zeit ein, welche in den beiden folgenden Bänden ihren textlichen wie musikalischen Ausdruck findet. Dieser Band allein ist in Auffassung, Aufbau und Gliederung des Sröffes ein kleine« Meisterwerk und eine völkische Tat. Ohne diesen Band würde wohl mancher die beiden anderen Bände unverstanden aus der Hand legen Aber selbst der unmusikalische und wenig Sinn für Lyrik besitzende Leser, der für die beiden anderen überhaupt wenig Sinn und Verständnis übrig, aber sein Herz auf dem richtigen Flecke und Sinn für die Vergangenheit lemes Volkes har, jeder dem im Schatten einer alten Burg das Herz rascher schlägt und der die Schauer einstiger Größe fühlt, wird hier auf seine Rechnung kommen. Im zweiten Bande führt uns Rotrauscher nun in vorzüg licher Ueberrragung oder — die neueren — nur in Modernisierung, in Schreib- und Äusdrucksweise die Dichtungen selbst vor, zu denen uns die weisen erhalten geblieben sind. Es ist eine vor treffliche, stattliche Auswahl — 120 Seiten füllend — die Literarurkennern zum Teile wohl bekannt, doch der gebildeten deutschen Leserwelt in glücklicher Art ein Bild der ritterlichen Lyrik vermittelt, bei deren Lesen ich die mich überraschende Entdeckung machte, daß Meister Heine den wirklichen Herrn Tannhäuler vortrefflich, teilweise sogar wortwörtlich ad- geschrieben hat. Der für die Verbreitung und Popularisierung der alten weisen vielleicht wertvollste Teil ist der von Dr. paumgarrner redigierte dritte Band. Doch der muß wohl selbst zum Leser sprechen — das geschriebene Wort kann niemals den gesungenen Ton ersetzen. „Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an Und halt es fest mit deinen besten Rräften, Dort sind die wahren Wurzeln deiner Rraft." Zu diesen „wurzeln" will uns das „Taghorn" mit den weg weisen, wir werden diese wurzeln nötig haben, die aus einer harten, ritterlichen, waffenklirrendcn und doch romantisch schönen Zeit sprossen. Denn heftige Stürme werden bald wieder die Rrone der deutschen Eiche umbrausen. Stürme, die ein hartes, waffenfrohes, in Harrer Selbstzucht stehendes, nach allem Hohen und Schönen selbstlos strebendes Geschlecht nötig haben werden, wenn wir den Sturm überdauern wollen. (Deutschösterreichische Tageszeitung.«
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