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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.07.1909
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- Erscheinungsdatum
- 31.07.1909
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. — Sprechsaal. ^ 175, 31. Juli 1909. Aber wen fand ich? Ein kleines, untersetztes Männchen, das ein wenig zum Embonpoint neigte und das mit einer Hellen naiven Kinderstimme die eigenen Gedichte las. Aus dem apfelrunden blühenden Kindergesicht leuchteten ein Paar klarer, lebensfroher, blauer Augen, die nur zuweilen seltsam aufblitzten und den Dichter verrieten, wie die elegante Husarenbiegsamkeit, möchte ich sagen, der Bewegungen und die Liebenswürdigkeit und Ritter lichkeit seiner Formen den Offizier und Aristokraten nicht ver- leugneten. Und dieser Eindruck verstärkte sich später bei unserer Bekanntschaft.« Mir war bekannt, daß Liliencron sich über mein Buch »Alt- Kiel« sehr anerkennend und lobend ausgesprochen und gemeinsamen Freunden gegenüber die Absicht geäußert hatte, einige Worte darüber zu schreiben; auch wurde ich aufgefordert, ihn aufzusuchen, kam jedoch nicht dazu. Ich war schon in Heidelberg, als eines Tages die Nachricht kam, Liliencron würde hier mit einem Ensemble auftreten und einige Dichtungen vortragen. Man glaubte anfänglich an eine Mystifikation; aber es war in der Tat so, einer der bedeutendsten Dichter Deutschlands zog mit einer ziemlich minderwertigen Gesellschaft von Stadt zu Stadt, um zwischen Darbietungen geringwertiger Art seine Dichtungen vorzutragen. Die Vor stellung war schlecht besucht, und da der Dichter ein schlechter Rezitator seiner eigenen Sachen war, fiel die Vor- Anblick^ 1tlch. g , s 1 Am nächsten Tage machte ich Liliencrons persönliche Be kanntschaft. Ich hatte gerade ein Buch von ihm ins Schaufenster gelegt, als er ins Geschäft kam, um, wie sich später herausstellte, Dann kam sein sechzigjähriger Geburtstag, an dem sich Deutschland endlich seiner Pflicht besann, der Dichter des »Pogg- fred« wurde in gewissem Sinne volkstümlich, zwar mehr durch manche seiner Gedichte, wie: »Die Musik kommt«, als durch seine großzügig angelegten Dichtungen. Sein Bild fand sich fast in allen illustrierten Blättern, und die Zeitungen brachten Fest artikel, eine Auswahl seiner Gedichte und der Kriegsnovellen er schien und fanden, da sie billig waren, große Verbreitung. Sechs Monate nach diesem Ehrentag kam Liliencron wiederum nach Heidelberg. K. A. Sienold veranstaltete einen Rezitations und Liederabend in der »Harmonie« und hatte Liliencron dafür gewonnen. Da wir mittlerweile näher bekannt geworden waren, manche Karten und Briefe waren hin und her gewandert, bat ich Liliencron, an dem Tage mein Tischgast zu sein. Umgehend kam die zusagende Antwort: »Ja, am 2. Dezember d. I. lese ich vor in Heidelberg. Im presario: Herr Pianist Karl Sienold in Heidelberg. Ich bin morgens 10.56 in Heidelberg. Dann muß ich mich etwas aus- ruhen, weil ich von Hamburg aus die ganze Nacht durchgefahren bin. Wenn ich dann um 2 Uhr bei Ihnen essen dürfte, wär's mir sehr lieb. Nur muß ich 2 Stunden vor der »Vorstellung« bis dahin völlige Ruhe und völliges Alleinsein in meinem Hotel haben. Sonst halte ich die große Strapaze nicht aus.« . . . Ich sorgte etwas dafür, daß es an der nötigen Reklame nicht fehle, brachte einen kurzen Artikel in diesem Blatt*) der ein wenig mit der Persönlichkeit des Dichters bekannt machen sollte und wandte mich auch durch einen Aufruf und durch Anzeigen in den Blättern unter dem alten Schleswig-Holsteinischen Kampfruf »Jungs holt fest« an die hier studierenden Landsleute, damit sie ihrem großen Landsmann durch zahlreiches Erscheinen eine Huldigung darbrächten. Der Erfolg blieb nicht aus. Das Mittagessen verlief sehr nett und gemütlich, Liliencron war von bezaubernder Liebenswürdigkeit. Das Naive, Unmittel bare, Impulsive lag nicht nur in seinem Gesicht und seiner Stimme, es war auch in seinem Wesen, und wenn auch später der Dichter um seiner Kinder willen rechnen und abzuwägen anfing, ganz gut hat er es, glaube ich, nie gelernt. Temperament, Geburt und Erziehung standen dem Geschäftsmann zu sehr i,n Wege. Noch eines fiel mir auf: ich wußte manches sehr Intime aus dem Leben des Dichters, ich wußte, daß er alles andere getan, nur nicht als Heiliger gelebt hatte, und ich fürchtete, einen Lebemann im schlechtesten Sinne des Wortes zu finden. Ich fand einen frischen Menschen von übersprudelnder Lebens- lust, von einem nicht zu stillenden Lebensdurst und so erfüllt von einer ursprünglichen Kraft, daß selbst der ärgste Philister es nicht verargen konnte, wenn dieses Temperament des öfteren durch gegangen war. Gegen Ende des Essens machte sich eine gewisse Nervosität, eine Art Lampenfieber bei ihm bemerkbar, und er gestand, daß er dieses vor jedem Auftreten habe. Auch über die Dichtungen, die er vortragen wollte, sprach er und gestand meiner Frau gerne zu, daß er seinerzeit in Kiel die »Vorstellung«, wie er sich ausdrückte, plötzlich abgebrochen hätte, weil er zu wenig Verständ nis gefunden habe und sich zum Possenreißer zu gut hielte. Ein bekanntes Wort Fritz Reuters aus »Stromtid« am Schluß der Versammlung des Rahnstädter Neformvercins kam einem unwill kürlich dabei ins Gedächtnis. Leicht falle es ihm nie, seine In unser Fremdenbuch schrieb er damals: »An einem sehr fröhlichen Tage im Eckardt'schen Hause. Detlev Liliencron.« Der Abend verlief besser, als ich erwartet hatte; drang auch seine Stimme nicht immer durch, so fand er doch für manche Gedichte den richtigen Ausdruck, riß fort und erntete nicht nur bei den humoristischen Darbietungen großen Erfolg. Nach Schluß der Veranstaltung waren Herr Sienold und ich noch einige Stunden bei ihm im »Hotel Viktoria« und zum Beschluß im »Cafe Imperial«, und jetzt, nachdem das Auftreten überstanden, das Lampenfieber geschwunden, kam der ganze echte Liliencron zum Vorschein, von manchen seiner Dichtungen gab er die oft etwas prosaische Veranlassung der Entstehung zum besten, ein Bonmot folgte dem andern, geistsprühend, belebend war seine Unterhaltung, und Mitternacht war längst vorüber, als wir ibn zum Hotel geleiteten. Der schöne Tag wird mir zeitlebens im Gedächtnis bleiben Ich habe Liliencron nicht wiedergesehen, ein Besuch in Alt- Rahlstedt, zu dem er mich wiederholt und noch kürzlich ausge fordert, ist immer wieder hinausgeschoben worden. Briefe sind jedoch noch in größerer Zahl gewechselt worden, selten fehlt in ihnen die Anrede »Lieber Landsmann!« und selten ein Hinweis auf die »frohen gemeinsam verlebten Stunden«, in meinem Stammbuch steht ein origineller Spruch von ihm, und so bewahre ich eine Fülle lieber Zeichen der Erinnerung an meinen großen Landsmann, Briefe und Karten, die auch für mich, da er fast immer auf mein »Alt-Kiel« oder andere Sachen von mir Be- Zum 65. Geburtstag und zur Verleihung der Doktorwürde habe ich ihm zuletzt geschrieben und auch einen Dank empfangen. Die Auszeichnung, welche ihm die Kieler Universität hatte zu teil werden lassen, hat ihm sehr große Freude bereitet, und stolz Unter zeichnete er sich fortan I)r. Detlev von Liliencron. Ich habe es mir versagt, hier dem Dichter Liliencron Worte der Dankbarkeit für das, was er uns Deutschen gegeben, zu weihen, nur dem guten lieben Menschen, der vom Scheitel bis zur Sohle ein echter Sohn seiner meerumschlungenen Heimat war, wollte ich einige Zeilen widmen. Sprechsaal. Erwiderung auf den Artikel: »Zur Beachtung für das Sortiment« in Nr. 174 d. Bl. Es ist unwahr, daß die »Umschau« redaktionelle Empfehlungen von einer Versandbuchhandlung ausgenommen hat. Frankfurt a. Main, 29. Juli 1909. °) Heidelberger Tageblatt. Red. H. Bechhold, Verlag.
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