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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1909
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1909
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- Deutsch
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6748 Börsenblatt f. d. Dkschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 127, 5. Juni 1909. Die Regierung schien einzusehen, daß sie durch ein Ver- bot nur Öl ins Feuer gießen und Reklame für ein Werk machen würde, dessen Verbreitung sie zu hindern wüwchte; sie tat daher keine weiteren Schritte in dieser Richtung, und so konnten der 4. und 5. Teil des Werkes am 30. Juni 1882 erscheinen. Der Erfolg, der sich schon vor Erscheinen des Werkes mit ziemlicher Sicherheit zeigte, hielt an, und das ge fährliche Unternehmen schien sür den Verleger gut abzulaufen; Lacroix selbst mußte das zugeben. Damals ahnte er zwar noch nicht, daß er aus einer illustrierten Ausgabe der »Nis6r»bl>-s>, die er mit Hetzei zusammen herausgeben wollte, fabelhaste Reichtümer ziehen würde. Für den Augenblick war er mit dem erreichten Resultat zufrieden, aber er hätte, wie Herr Simon sagt, »kein Verleger sein müssen, wenn er nicht (schon damals!) über den Zusehens geringeren Absatz an Büchern geklagt hätte». Er schien froh zu sein, wenig stens kein Defizit zu haben, seine großen Verpflichtungen dem Autor gegenüber erfüllt und im Verhältnis zum ein gegangenen Risiko auch selbst ein leidlich gutes Geschäft ge macht zu haben. Aber er hatte offenbar keinen großen Wagemut mehr, denn er wollte nicht recht an die Veröffent lichung einer billigen Volksausgabe in sehr hoher Auslage Herangehen, weil er von der ursprünglichen, teuren Oktav ausgabe noch etwa 4—5000 Exemplare auf Lager hatte. Jeder Verleger unserer Tage würde ihm darin unbedingt recht geben, aber Victor Hugo schien über die Zugkraft seines Werkes ganz anderer Ansicht zu sein, denn er schreibt an Lacroix unterm 21. Oktober 18S2 (also vier Monate, nach dem der Roman vollständig vorlag): -Ich danke Ihnen, ge ehrter Herr Lacroix, für Ihre interessanten und befriedigenden Angaben über den Absatz der Miserables'. Ich habe zwar nie an dem Erfolg gezweifelt und war von vornherein gewiß, daß Sie ein gutes Geschäft mit meinem Werke machen würden. Ich freue mich be sonders über folgende Zeilen in Ihrem Schreiben: ,Wir haben ein Resultat erreicht, das ich selbst als außerordenilich und großartig erklären muß, ein Resultat, das uns ermöglicht, schon im ersten Jahre alle unsere Auslagen zu decken, denn der Netto-llmsatz beträgt bis jetzt über 600000 Frcs'. Und Sie dürfen hinzuiügen, daß Sie jetzt noch während elf Jahren und zehn Monaten das alleinige und nunmehr honorarsreie Verbreitungsrecht eines Werkes in zehn Bänden auf allen Plätzen der Welt und in unbeschränkter Anzahl haben. Deshalb wundern mich Ihre Ausführungen (wegen Lancierung der Volksausgabe) einigermaßen: Sie müssen zugeben, daß Sie einen Erfolg erzielt haben, den Sie selbst als außerordentlich bezeichnen, und sind dabei doch so zaghaft wie nach einem Mißerfolg. Ihr Brief beginnt mit dem Hinweis aus die ständige Ab nahme des Bücherabsatzes, dem übrigens die Tatsachen direkt entgegenftehen und dem auch der buchhändlerische Grundsatz widerspricht, nach dem ein Buch, je mehr es gekauft worden ist, in Zukunft immer noch mehr gekauft wird. Sie scheinen nicht recht zufrieden, ganz als ob Sie — erlauben Sie mir, Ihnen das zu sagen — irgend einen beliebigen Roman, ohne Aussicht und ohne Zukunft erworben hätten. Das wundert mich von einem Manne, der wie Sie ein so großes Ver ständnis für literarische und geschäftliche Dinge besitzt. Ihre Kosten sind gedeckt, das schreiben Sie selber; Sie haben in Gestalt von elf Jahren honorarfreien Verbreitungsrechts einen un geheuren Verdienst vor sich, und Sie schrecken vor einer Volks ausgabe zurück, weil Sie von der Oktavausgabe noch etwa 4—5000 Exemplare aus Lager haben, wobei Sie alles, was in Paris, Brüssel und Leipzig liegt, noch mitrechnen. Anstatt dem Erfolg entgegenzugehen, kreuzen Sie die Arme und wollen zuerst den vielleicht langsamen, aber unfehlbar sicheren Absatz der teuren Ausgabe abwarten. Sie kennen das Sprichwort: Man muß das Eisen schmieden, solange es heiß ist, und Sie wollen cs erkalten lassen! Wenn Sie heute eine billige Ausgabe in kleinem Format veröffentlichen würden, so würden Sie den Erfolg der ersten Tage, und zwar in vergrößertem Maßstabe noch einmal erleben. Da durch würde das Buch in die tiefen und unendlichen Schichten des Volkes eindringen; vom reichen Käufer, der Ihnen für sich allein schon eine riesige Anzahl abgenommen hat, würden Sie zur Mittelklasse und zum Volke übergehen, die Ihnen beide eine noch viel größere Anzahl abnehmen würden. Ich gehe sogar noch weiter, und behaupte, daß die »dlissrablks« in einer billigen Volksausgabe den Absatz der teuren Oktavausgabe nicht nur nicht hindern, sondern sogar erleichtern würden. Und diesen Nutzen, dieses Geschäft wollen Sie sich entgehen lassen? Oh, Sie Un gläubiger und Verzagter!» Noch mehr als alle früher angeführten Briefe Victor Hugos fordert dieser letzte zu fachmännischen Vergleichen heraus. Man sieht nicht recht ein, was der Autor mit den »elf Jahren eines nunmehr honorarfreien Verbreitungsrechts in allen Ausgaben, in allen Sprachen und aus allen Plätzen der Welt» gemeint hat. Damals wie heute war die wichtigste Zeit für die Verbreitung eines neuen Romans diejenige kurz nach seinem Erscheinen; wenn der erste Rahm einmal abgeschöpft ist, so hat die folgende Zeit, — seien es nun elf Jahre oder gar noch mehr, — für den Absatz eines langatmigen Romans mit verschwindend geringen Ausnahmen nur wenig Wert mehr, aber allerdings waren die »Uissrsblos» eine Ausnahme. Auch dürfte sich heute kaum noch ein Verleger finden, der sich bei einem Vorrat von 4—5000 Exemplaren (in zehn Bänden!) an die Veröffent lichung einer billigen Volksausgabe wagt. Wahrscheinlich ist, daß der ungeheure Erfolg seines Werkrs dem Dichter selbst unerwartet kam und ihn blendete; denn bei aller Kenntnis, die er vom Verlagsgeschäft zweifellos hatte, machte er sich vom Risiko des Verlegers, das ebenso groß, wenn nicht noch größer ist. als bei einer Börsensvekulation, doch eine falsche Vorstellung, und irgend eine positive Berechtigung sür das blinde Vertrauen auf den Erfolg seines Werkes lag nicht vor. Allerdings muß zugegeben werden, daß es sich hier NM einen Autor vom Range Victor Hugos handelte, daß ferner sein Werk einer der ersten sozialen Romane war, wenn nicht der allererste, und daß dieser durch die großen Umwälzungen, die die Mitte des 19. Jahrhunderts auf sozialem Gebiete mit sich gebracht hatte, von sehr großem Interesse sür die mittleren und unteren Volksklassen war. Aber anderseits muß berück sichtigt werden, daß damals, vor bald 50 Jahren, das Interesse des breiten Volkes für Bücher, das allgemeine Lese- und Bildungsbedürfnis noch längst nicht so aus gebildet war wie heute. Zwar hat sich der Dichter über die Verbreitungsfähigkeit seines Werkes nicht geäuscht, denn dieses ist in Hunderttausenden, vielleicht auch Millionen von Exemplaren abgesetzt worden und war jedenfalls das Buch, das trotz seines Umfanges und seines Preises bis dahin die größte Verbreitung gefunden hatte, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der Bibel. Auch heute wird der Roman noch viel gekauft und gehört immer noch zu den Werken, die jeder gebildete Mensch gelesen haben muß, Er hat Lacroix seinerzeit ein ungeheures Vermögen eingebracht, so daß dieser den Abschluß des Vertrages, den wir heute als halsbrecherisch bezeichnen müßten, nie zu bereuen hatte, aber der Erfolg an und sür sich beruht weniger auf dem Rufe Victor Hugos als Dichter, noch auf Lacroix' ver legerischer Tüchtigkeit — denn wie viele Bücher gab es und gibt es noch, die ebenso gut sind wie die -dlissrablss», für deren Verbreitung mehr getan wurde und die man doch als einen Mißerfolg bezeichnen muß —,
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