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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.06.1909
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 05.06.1909
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- Deutsch
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^ 127, L. Juni 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhanbel. 6747 Natürlich ging dadurch bei den damaligen schlechten Postoerbindungen eine ungeheure Zeit verloren, und wie sehr Victor Hugo selbst die Nachdrucker fürchtete, geht daraus hervor, daß er Lacroix Anweisung gab, ihm die Korrektur bogen mit der Bezeichnung »Oeuvres äs Voltaire« oder »Lraäuetion äo l'IIiaäv, zu schicken, um die Neugier der Postbeamten nicht zu reizen. Sowohl Autor wie Verleger mußten bei jeder Manuskript- oder Korrektursendung immer neue und größere Vorsichtsmaßregeln erfinden; so schreibt Victor Hugo unterm 13. März 1862: »Mit gleicher Post sende ich Ihnen als Wertpacket den dritten Teil des Werkes: ,Ll»rius'. Das Packet ist zweimal verpackt und verschnürt, und mit fünf Siegeln versehen, die den Abdruck meines Petschafts als karr äs bVauos tragen. Seit den Tagen der Republik habe ich dieses Siegel nicht mehr benutzt, aber heute will ich es wieder brauchen, damit Sie seststellen können, ob das Packet unterwegs geöffnet worden ist.» — Ein anderes Mal ist es Victor Hugo selbst, der sich Lacroix gegenüber über eine große Indiskretion beschwert. Ohne es direkt ausznsprechen, scheint er Lacroix selbst zu verdächtigen. — Er schreibt: »Ich erhalte soeben einen Brief, aus dem ich folgende Zeilen ausschneide und Ihnen mitschicke: ,Jch kenne Jemanden, der sich mir selbst gegenüber gerühmt hat, einen Band des ersten Teils der lllissrabl«!-, »Oosstlv«, in Händen gehabt und gelesen zu haben? Ich will zwar dieser Mitteilung keine große Wichtigkeit beimessen, empfehle Ihnen aber doch dringend, das Manuskript niemandem zu zeigen, auch Ihrem besten Freunde nicht. Hüten Sie sich auch vor den vorzeitigen Kritikern und Ratgebern, die unter dem Vorwände, etwas für die Reklame des Werkes zu tun, nur ihre eigene Neugier befriedigen wollen. Ich unterwerfe mich dem Urteil des Publikums und besonders der Nachwelt, aber nicht dem eines beliebigen einzelnen. Ein Werk wie dieses muß entweder von der Gesamtheit beurteilt werden, oder von niemandem.« Lacroix hatte sich endlich, wenn auch schweren Herzens, zur zweibändigen Einteilung entschlossen, und auch auf den Vertrieb des Werkes durch eine Zeitung oder auf den Zuschuß aus einem Feuilletonabdruck verzichtet; aber der Gedanke an eine Nebcneinnahme kommt in irgend einer Form immer wieder: So wollte er noch bei Drucklegung des 5. und 6. Bandes etwa 30 Seiten, die zum Verständnis des Romans nicht unbedingt erforderlich waren, vorläufig streichen, einmal um Zeit zu gewinnen, hauptsächlich aber um sie sür eine spätere »sältion eomxlsto« des Werkes zurllck- zubehalten. Victor Hugo hatte gegen die Streichung an und für sich nichts einzuwenden, verlangte aber, daß die proviso risch gestrichenen Seiten sämtlichen Käufern der Original ausgabe später gratis nachgeliefert würden, und damit war natürlich Lacroix' Plan zerstört. Wenn wir uns über etwas wundern müssen, so ist es darüber, daß ein Autor, nachdem er sein Werk unter so erschwerenden Bedingungen, aber mit allen Rechten, hergegeben hatte, dem Verleger noch so weit gehende Ratschläge erteilt. Gewiß wird Lacroix seine Gründe gehabt haben, mit einem Autor wie Victor Hugo vorsichtig umzugehen; aber schließlich mußte er sich doch sagen, daß nur er als Verleger das ungeheure Risiko trage, nicht aber sein berühmter Autor, und dieser hätte sich sagen müssen, daß Lacroix als Fachmann vom Verlagsgeschäft mehr verstehe, als er, der Dichter. Mancher Verleger wird seinem Autor für gewisse Winke nur dankbar sein, aber die hier genannten »Ratschläge» und »Winke« Victor Hugos kommen einem energischen Veto nahezu gleich. Endlich war alles so weit, und der eiste Teil des Romans, der in zwei verschiedenen, aber gleichlautenden Ausgaben in Brüssel und in Paris gedruckt worden war, sollte in beiden Städten gleichzeitig erscheinen. Brüssel hatte in der Herstellung einen Vorsprung von etwa vier Tagen, und Lacroix schien auch nicht abgeneigt, seiner Stadt das Prioritätsrecht vor Paris einzuräumen, aber Victor Hugo war unbedingt und heftiger als je dagegen: Was? Ein Roman, und zwar einer der wichtigsten des Jahrhunderts, der in Paris selbst spielt, sollte erst dann dort zum Verkauf gelangen, wenn das ganze Ausland schon mit Exemplaren versehen sei? Das sei unmöglich! Wie immer, so fügte sich Lacroix auch diesmal, und da die Buchdruckerei Claye Tag und Nacht arbeiten ließ, so konnten die beiden ersten Bände des Werkes am 3. April 1862 in Paris und Brüssel erscheinen. Der Erfolg war sehr groß: der Absatz in Frank reich betrug am ersten Tage über 5000 Exemplare, der im ganzen Auslande ungefähr ebensoviel. Im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl gruppieren sich die Länder, in denen der Roman am stärksten verlangt wurde, folgendermaßen: 1. Belgien, 2. Frankreich, 3. Portugal, 4. Italien, 5. Eng land, 6. Deutschland, 7. Spanien (wo man aber von einem Verbot sprach), 8. Rußland. Verbot und Beschlagnahme drohten übrigens nicht nur in Spanien, sondern sogar in Frankreich selbst: Die Regierung war auf den großen Erfolg des Werkes eines -politisch Verbannten« und persönlichen Gegners Napoleons III. aufmerksam und unruhig geworden, ja die regierungsfreund liche Presse bezeichnete den Roman sogar direkt als -Oeuvre rävolutiouuairs«. Ganz ungerechtfertigt war diese Bezeich nung nicht, denn abgesehen von seiner stark sozialen Tendenz und dem Ruf und Einfluß seines Autors enthält der Roman eine sehr lebendige, farbenreiche Schilderung eines Volks aufstandes und Straßenkampfes, und wenn die Revolution darin auch nicht gerade verherrlicht wird, so wird sie auch nicht eben verurteilt. Die Sorge der Regierung für den Thron Napoleons III., der nie auf sehr festen Füßen stand, war also begreiflich. Noch begreiflicher war aber die Unruhe des armen Verlegers, der mit diesem einen Werke alles ge wagt hatte und sür den ein Verbot in Frankreich mit seinem geschäftlichen Ruin ziemlich gleichbedeutend gewesen wäre. Wir müssen anerkennen, daß V.ctor Hugo sich hier Lacroix gegenüber sehr anständig benommen hat: er erbot sich freiwillig, im Falle einer Beschlagnahme nicht nur die über Lacroix und seine Mitverleger von der Regierung ver hängte Geldstrafe zur Hälfte zu tragen,") sondern auch das zwölfjährige Verlagsrecht um soviel Jahre zu verlängern, als das Verbot in Frankreich dauern würde. Von einer event. Rückzahlung des Honorars schreibt er allerdings kein Wort. Als besonders erschwerend kam hinzu, daß Lacroix sich (von Paris aus) nur schwer und nur durch Vermittlung dritter Personen mit seinem Autor verständigen konnte; denn auf Befehl der Regierung wurde die Korrespondenz von und an Victor Hugo, — z. B sein rein geschäftlicher Briefwechsel mit mehreren Pariser Zeitungen, — von seiten der Post sehr streng kontrolliert, und häufig genug wurden die Briese erst dann ihrem Adressaten ausgeliefert, nachdem die Post von ihrem Inhalt Kenntnis genommen hatte. Lacroix ging in seinen Vorsichtsmaßregeln so weit, daß er in seinen Briefen an Victor Hugo nicht die Bezeichnung -Verbot- oder -Beschlag nahme» anwandte, sondern dafür stets das Wort »ävsvtualitä« setzte. *) Im französischen Text ist dieser Satz unklar ausgedrückt. Vermutlich will Victor Hugo damit sagen, daß er bereit sei, die «Hälfte der Unkosten der Pariser Ausgabe zu tragen, da zwar die Regierung die Beschlagnahme und Einziehung der ganzen Auf lage verfügen kann, wodurch der Verleger schon mehr als genug gestraft wäre, aber nicht darüber hinaus noch eine zu zahlende Geldstrafe verhängen, die im Verhältnis zu den allgemeinen Un kosten des Buches in jedem Falle nur unbedeutend sein konnte. 876*
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