926 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Künftig erscheinende Bücher. ^7 17, 22, Januar ISIS. Hermann B>ahr: Die Rahl Roman. Geh. M. 4.—, geb. M. 5.— Soeben erscheint die dritte Auflage. Über diesen Roman, den die „Neue Freie Presse" als eines der Bücher der Saison bezeichnet, sagt die „Wiener Arbeiterzeitung": Lermann Bahr hat eine» neuen Roma» geschrieben^ „Die Rahl". Aus dem Theaterleben, dem Bahr schon so viel psycho logische Beute verdankt. Diesmal steht eine große Tragödin in der Mitte und neben ihr ein kleiner Schuljunge, ein Gymnasiast. Die Rahl lebt im Leben nur ein Schein dasein, ihr inneres und echtes Leben lebt sie auf dem Theater; der arme kleine Zunge neben ihr darf eine Nacht lang ihr Genosse sein, und da der Gymnasiast in der Wirklichkeit steht, kann er es nicht begreifen, daß die Künstlerin die große Stunde so rasch vergessen konnte. Am Ende, da der Jüngling von den Bedienten der Rahl nicht mehr vorgelassen wird, dringt er in seinem knabenhaften Mut bis zu dem Grafen, dem Gatten der Tragödin, vor, um ihm alles zu „enthüllen". Das ist eine von delikatestem Witz eingegebene Szene. Dieser bebende kleine Zunge, der mit der Romantik seiner sechzehn Zahre vor einem vom Leben durchgegerbten, aus Notwendig keit milde gewordenen Gatten steht, nun von dem vermeintlichen „Unterdrücker" die Geliebte fordert, und als Antwort nur ein sehr gütiges, nachsichtiges Lächeln empfängt! Ich wüßte nicht, welcher Deutsche außer Lermann Bahr eine ähnliche Szene schreiben könnte. Diese aus seelischem Wissen entspringende Lustspielstimmung gehört nur ihm. Wo ist denn ein anderer Deutscher, dessen Lumor aus psychologischem Untergrund kommt? Der Roman ist mit einigen sehr scharfen Silhouetten aus der Mittelschul welt geschmückt und besonders in Wien wird das angedeutete Porträt des „kleinen Beer", des jüdischen Revolutionärs im Obergymnasium, von Lunderten Jünglingen als das eigene Bild angesehen werden. „Wer einen von uns kennt, kennt uns alle", sagt Nestroys Ultra Mit reizender Bosheit ist die Figur des Hofrates Wax aus geführt, des Wiener Faulenzers, der überall dabei ist, überall mitschwätzt, überall gesehen werden will und überall seinen faden Äymnus aussagt: „Das kann man halt nur in Wien haben". Wer hat nicht schon unter dem endlosen Geschwätz dieses leeren Schwätzers gelitten ? „Die Rahl" ist, wie man sieht, in ausgezeichneter Laune geschrieben. S. Fischer, Verlag, Berlin