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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.06.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-06-18
- Erscheinungsdatum
- 18.06.1908
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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139, 18. Juni l»08. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 6725 Bibliothek nicht vorhanden ist. Nun gibt es seit etwa zwei Jahren an der Berliner Königlichen Bibliothek eine Aus kunftstelle, die so funktioniert, daß sie Anfragen über gesuchte Bücher an sämtliche deutsche Bibliotheken gelangen läßt und die Beschaffung auf diese Art vermittelt. Die Er gebnisse dieser Umfragen werden dann in ein großes Bnch oder vielleicht auch auf Zettel geschrieben, und so erlangt die Königliche Bibliothek nach und nach ein Repertorium über die deutschen Bibliotheken. Auf diese Weise erhielt der Herr Bibliothekar Nachricht, daß die Leipziger Uni versitäts-Bibliothek Storms Hausbuch besitze. Er bekam es denn auch von dort, und die staunende Welt konnte also gründlich darüber aufgeklärt werden, welche seiner Kollegen der Dichter Storm der Aufnahme in seine Anthologie ge würdigt hat und welche nicht. Nun sollte man glauben, diese Sache sei ziemlich glatt abgelaufen und erledigt. Wenigstens ist das der Lauf der Dinge in unzähligen Fällen. Aber der Herr Greifs- walder Bibliothekar sieht die Sache mit anderen Augen an. Er hat nämlich dadurch, daß Storms Hausbuch nicht auf seiner Bibliothek vorhanden war, wohl eine beträchtliche Einbuße an seinem Vermögen erlitten, und das hat niemand gern. Ich war kürzlich in einem ähnlichen Fall. Ich brauchte einen alten, vor mehr als einem halben Jahr hundert erschienenen französischen Schmöker, der mir durch die Kölnische Stadtbibliothek aus einer französischen Biblio thek verschafft wurde. Das kostete natürlich auch Geld; denn mögen die Sachen auch nicht viel taugen, so werden sie doch nur unter besonderer Berechnung der Verpackung, unter Angabe eines märchenhaften WertW und unter allen möglichen Vorsichtsmaßregeln versandt. Da der Besteller alles bezahlt, kommt es ja auf die Kosten nicht an. Manchmal hat man es sogar mit solch bureaukratischen Bibliotheksbeamten zu tun, daß sie die Benutzung desselben Verpackungsleinens bei der Rücksendung zur Bedingung machen, das zur Hersendung diente. Na, man lacht dazu und bezahlt. Anders der Herr Bibliothekar in Greifswald, der nahm die Geschichte ernst und dachte heftig darüber nach, wie diesem Mißstande im deutschen Vaterlande abzuhelfen sei. Und stehe: nachdem er genug darüber nachgedacht hatte, ging er hin und schrieb einen schönen Artikel, in dem er unwiderleglich nachwies, daß es doch »im höchsten Grade erwünscht, ja geradezu eine Forderung des nationalen Anstandes« sei, daß alle unsere Staatsbibliotheken nicht allein Storms Hausbuch aus deutschen Dichtern seit Claudius besitzen, sondern auch noch verschiedenes andere aus der sogenannten schönen Literatur. Nachdem ein guter Hausvater einen Schaden festgestellt hat, geht er daran, ihn möglichst gründlich zu reparieren. So macht auch Herr vr. Lange erfreulicherweise gleich ganze Arbeit. »Es bedarf«, so sagt er, »durchgreifender Maß regeln, um die Ehrenschuld einer vollständigen Samm lung unserer schönen Literatur so einzulösen, daß daraus wirklich ein entsprechender Nutzen herausspringt . . . Eine Reichsbibliothek, die alle dazu gehörigen Schriftwerke sammelt, muß auf breiter Grundlage geschaffen werden.« Diese Auseinandersetzung über den Zusammenhang meiner Eingangsbetrachtung mit dem Thema war ja etwas lang, aber der geneigte Leser, der mir trotzdem bis hierher gefolgt ist, wird mir zugestehen, daß das Thema angesichts der Tatsachen solche Erwägungen nahelegte. Wenn ich das Wort Reichsbibliothek lese, so kommt es mir gleich nicht ganz geheuer vor. Mit einem Aufwand schöner patriotischer Phrasen hat vor sechs Jahren ein Graf v. Rehbinder in Berlin eine solche Reichsbibliothek gefordert, BSrlkublatl sür dru Drntschk» Buchhaub«!. 7b. Jahrgang. und er war nicht der einzige. Diese Art Leute gehören aber erfahrungsgemäß stets zu der Sorte, die aus anderer Leute Leder Riemen schneiden wollen. Wenn sie ein schönes Gebäude für ihre Reichsbibliothek aufführen wollen, so kommt ihnen zwar nicht der Gedanke, alle Bauunternehmer des Landes zu verpflichten, je eine Anzahl Bausteine gratis zu liefern, aber mit dem im Prinzip ganz gleichartigen Vor schlag, die Verleger durch Gesetz zu verpflichten, ihre Werke gratis und franko zu liefern, kommen sie totsicher. Woran mag das wohl liegen? Das kann doch nur durch die Mißachtung erklärt werden, mit der in Deutschland das Buch betrachtet wird und die seine Entwertung not wendigerweise mit sich bringen muß. Manche Verleger ver schleudern nämlich ihre Bücher geradezu durch Versendung von Rezensionsexemplaren an Zeitungen, die ihrer Bedeutung nach gar nicht in Betracht kommen dürften. Vielfach werden Bücher an reine lokale Anzeigenblätter gesandt, die grund sätzlich gar keine Besprechungen veröffentlichen. Das hat der genannte Graf auch ganz richtig erkannt; nur daß er die Tatsache verallgemeinert hat, während doch die größte Zahl der Verleger mit den Freiexemplaren vernünftig um geht. Aber die unvernünftigen sind zahlreich genug, um den Wert buchhändlerischer Ware herabzudrücken, und insofern richten sie ihrem ganzen Stand gegenüber einen unbe rechenbaren Schaden an. Dazu kommen die Verleger, die den Bücherbettel, besonders wenn er sich ein patriotisches Mäntelchen umhängt, durch Gewährung von Freiexemplaren unterstützen und großzüchten. Wo soll unter solchen Um ständen der Respekt vor dem Buche und seinem materiellen Werte Herkommen? Also ganz selbstverständlich fordert auch Herr vr. Lange, nachdem er einmal die Idee einer Reichsbibliothek gefaßt hat, kostenlose Füllung dieses Instituts auf die einfachste Weise von der Welt. Man macht nämlich ein Gesetz, wo nach es moralisch und 'statthaft ist, den Verlegern je ein Exemplar ihrer Verlagswerke abzunehmen. Die Sache ist so selbstverständlich, daß Herr vr. Lange sich gar nicht einmal die Mühe gibt, diesem Verfahren auch nur den Versuch einer andern plausiblen Begründung zu widmen, als daß es eben zum Ziele führt. »Die schöne Literatur unseres Volkes ist eins seiner größten nationalen Güter und verdient schon deshalb in erster Linie eine Pflege von Reichs wegen, während die Wissenschaft als solche doch mehr oder weniger international ist, mag sie auch vielfach in den einzelnen Ländern natio nale Färbung tragen«, sagt er sehr schön Dieses große nationale Gut der schönen Literatur verdient Pflege. Nun wohl, das läßt sich hören! Wie denn? Etwa indem man gute Bücher prämiiert, oder Preisausschreiben veranstaltet, oder Dichterstiftungen einrichtet oder Pensionen aussetzt? Gewiß wären all das Wege zur Pflege der schönen Literatur. Herr vr. Lange will aber die Literaturpflege durch Gründung einer Reichsbibliothek. Wie, das ist die Pflege? Geschieht denn diese durch Sammlung? Oder dadurch, daß diejenigen, die das große Gut Hervorbringen, von Reichs wegen um die materielle Entschädigung dafür gebracht werden? Wieviele Autoren erhalten ihr Honorar nach Maßgabe der abgesetzten, das heißt verkauften Exemplare! Eine Sammlung im Volksinteresse läge aber auch nur dann vor, wenn sie von jedermann benutzt werden dürfte. Das will aber Herr vr. Lange ganz und gar nicht. Zum Genuß der Geisteswerke soll diese Bibliothek nicht dienen, sondern als Arbeitsmaterial für Forscher, die Dichterbiographien schreiben wollen! Noch selten ist mir eine so seltsame und unbescheidene Forderung vorgekommen. Um ein paar Literarhistoriker in ihrer Arbeit zu unterstützen, soll der 87S
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