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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.12.1897
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- 1897-12-18
- Erscheinungsdatum
- 18.12.1897
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- Deutsch
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9546 Nichtamtlicher Teil. -sS 294. 18. Dezember 1897. Speziell buchhändlerisches Wissen findet sich in dem ursprüng lichen Lehrplane, der allerdings seitdem erweitert worden ist, nicht aufgeführt. Wie mir der Direktor der Prager Handels schule, Napoleon M. Kheil, dem die Buchhändlerschule unter steht, mitteilt, sind »die Erfolge sehr zufriedenstellend«. Der Unterricht findet am Dienstag, Mittwoch und Freitag abends von 7 bis 9 Uhr ohne Ruhepausen oder sogenannte aka demische Viertel statt. Die Unterrichtszeit ist kurz, sie dauert nur etwa 5 Monate, vom 1. November bis 1. oder 15. April. Am Schlüsse jedes Kurses, gegen Ende März, findet eine Prüfung in allen Lehrgegenständcn statt, und auch Zeugnisse werden ausgestellt. Bei einer entsprechenden Feierlichkeit werden diese verteilt und die vier besten Schüler mit Uhren, Ketten, Vorstecknadcln u. a. prämiiert. Bücher sind dabei merk würdigerweise ausgeschlossen. Man sieht hieraus, dah sich gute Ergebnisse erzielen lassen allein schon dadurch, daß auf die Lehrlinge ein ge linder Zwang zum Besuche der Schule ausgeübt wird. Dann lernen sie bald auch einsehcn, daß sie für sich selbst arbeiten, wenn sie ihre Ausbildung vervollkommnen. In dem an geführten Falle aber sehen sie auch einen anspornenden direkten Zweck des Studiums: Prüfung, Zeugnis, Prämie. »Schon jetzt«, schreibt mir der Direktor, »haben jüngere Stelle suchende mittels der Zeugnisse häufig nachzuweisen, daß sie die Prager Buchhändlerschule besucht haben.« Auch in Wien soll eine Schule nach dem Muster der Prager bestehen; doch ist mir näheres darüber nicht bekannt. Angesichts dieser Ergebnisse und Vorbilder ist es aller dings schwer zu verstehen, daß der Gedanke einer allgemeinen Einführung einer fakultativen Prüfung noch so wenig Anklang gefunden hat, und daß man sogar Gründe ge sunden hat, die gegen diese Einführung sprechen sollen. So hat der Wohlfahrtsausschuß des Vereins der Buchhändler zu Leipzig unterm 2. Januar d. I. sich in seiner Antwort auf ein bezügliches Schreiben des Vorstandes des Börsen vereins dahin ausgesprochen, daß er die Einführung einer Gehilfenprüfung für den Buchhandel nicht empfehlen könne. Er bezweifelt in dem Schreiben, daß durch sie eine bessere Fachausbildung der Gehilfenschaft zu erreichen sei. »Schon in Berufen, bei denen das Hauptgewicht auf rein wissenschaft liche Ausbildung zu legen ist, wird den Prüfungen von ver schiedenen Seiten nicht mehr die Bedeutung beigcmessen, daß nach ihnen allein die Fähigkeiten eines jungen Mannes beurteilt werden; es wird vielmehr, wie z. B. beim Studium der Geschichte, der Theologie u. s. w., ein immer größeres Ge wicht auf die Seminare gelegt, in denen Examinatoren und Examinanden in eine länger dauernde, enge Berührung kom men. Noch in weit höherem Grade sind derartige Bedenken gegen eine Prüfung am Platze, wenn ein mehr prak tischer Beruf, wie der Buchhandel, in Frage kommt.«*) Da dieses Gutachten immerhin von Gewicht gewesen ist, so muß ich mich mit ihm etwas eingehender beschäftigen. Weil »von verschiedenen Seiten« den Prüfungen deshalb nicht mehr so viel Bedeutung beigemessen wird, weil man in den Seminaren — über deren Wert für eine vielseitige Aus bildung man von anderen verschiedenen Seiten übrigens gar nicht so stark überzeugt ist — etwas Besseres gefunden zu haben glaubt, deshalb muß man doch das Gute, wenn das Bessere nicht zu haben ist, nicht verschmähen I Wie man daran zweifeln kann, daß durch die Prüfung eine bessere Fachaus bildung zu erreichen ist, verstehe ich bei dem Fehlen einer Begründung nicht. In der ferneren Polemik gegen die Prüfung sagt der Wohlfahrtsausschuß, es komme im Buchhandel weniger auf das Maß von Kenntnissen des Gehilfen an, als vielmehr auf die »durch seine allgemeine und seine Fortbildung erworbene Fähigkeit, sich in kurzer Zeit in neue, ihm gestellte Aufgaben hineinzufinden und seinen Posten auszufüllen«. Wofür anders, glaubt der Wohlfahrtsausschuß, wird denn die Prüfung im letzten Grunde angestrebt, als um den Gehilfen in den Stand zu setzen, seinen Posten besser auszufüllen, als er jetzt dazu imstande ist? Der Einwurf, daß die Prüfung »Bedenken« gegen sich hat, sobald ein mehr praktischer Beruf in Frage kommt, hat die Drogisten nicht abgehalten, ihre höhere Ausbildung und Tüchtigkeit durch eine Prüfung nach zuweisen. Wird aber nicht gerade im Buchhandel, der so gern als eine Art Halbgelehrtenstand betrachtet wird, auch das theoretische Wissen von großem Nutzen sein? Hat nicht gerade der Buchhändler tagtäglich die schönste Gelegenheit, in seinem Verkehr mit gebildetem Publikum durch die Aus weisung von Lücken in seiner wissenschaftlichen Ausbildung sich zu blamieren und bloßzustellen? Ist es schön, wenn ein Buchhändler die Anabasis unter dem Vergil sucht oder sie für ein Frauenzimmer hält? Hebt es vielleicht den Stand des Buchhändlers, wenn er in der Geschichte sich die fürchter lichsten Blößen giebt, von den Baustilen keine Ahnung hat und Kuba bei Australien vermutet? Was heißt praktischer Berus? Der Buchhandel ist doch kein Krämergeschüft, für dessen Betrieb freilich nicht erforderlich ist, daß man sich darüber hinaus auch um die Wissenschaften und Anderes kümmert. Der Wohlfahrtsausschuß verlangt in dem von ihm vor geschlagenen Zeugnis — abgesehen von der (doch auch wissen schaftlichen) sprachlichen Ausbildung — einen Nachweis über die Bücherkenntnis des Lehrlings. Ist aber eine solche über haupt möglich, wenn nicht gleichzeitig wenigstens Begriffe von den Wissenschaften vorhanden sind, mit denen sich die Bücher befassen? Der ungebildete Gehilfe, der von den Wünschen des Kunden nichts versteht, hilft sich in der Praxis gar häufig mit der Ausrede, daß das Verlangte »nicht da« sei, und der Kauflustige geht zu einem besser ausgebildeten Buch händler, der seine Wünsche zu befriedigen versteht. Eine wissenschaftliche, sogenannte theoretische Ausbildung des Buch händlers ist also doch unumgänglich notwendig, schon zur fachmännischen Führung seines Geschäftes, abgesehen davon, daß die ganze Stellung seines Standes sie von ihm verlangt. Endlich glaubt der Wohlfahrtsausschuß die Prüfung durch ein Zeugnis ersetzen zu können, das dem Lehrling von seinem Prinzipal in detaillierter Weise ausgestellt werden soll. Nun haben die Lehrzeugnisse heutzutage bei der fabrikmäßigen Züchtung von Lehrlingen ihr Renommee so gut wie verloren, weil ihnen die Unparteilichkeit abgeht. Der Lehrherr ist ge setzlich zur Ausbildung des Lehrlings verpflichtet; ob er seiner Pflicht genügt hat, hat er durch Ausstellung des Zeug nisses selbst zu entscheiden. Auch möchte er den neugebackenen Gehilfen, dessen Bezahlung er gern anderen überlassen will, möglichst bald los sein. Zu diesem Zwecke ist die Ausstellung eines guten Zeugnisses erforderlich. Was hindert ihn also, diesem Erfordernis zu genügen, auch wenn er sich gar nicht um die Ausbildung seines Lehrlings in genügender Weise gekümmert hat? So kam bisher eine große Zahl von Zeug nissen zustande; welche Aenderung tritt aber ein, wenn dieses Zeugnis nach einem bestimmten Schema ausgestellt wird? Die Begriffe Bücherkenntnis, Verkehr mit dem Publikum, Büchervertrieb rc. rc. sind ungemein dehnbar, und was dem Chef des neu engagierten Gehilfen als recht minimal Vorkommen mag, hat seinem Lehrherrn vielleicht sehr bedeutend geschienen. Einem Lehrherrn, der hohe Anforderungen an seinen Lehr ling stellt, genügen dessen Leistungen und Kenntnisse nicht, obschon sie nicht schlecht sind, und ein solcher Lehrling muß mit einem minderwertigen Zeugnis sein Lebenlang herum laufen, das, von einem anderen Lehrherrn unter gleichen Umständen ausgefertigt, ganz anders ausgefallen wäre. Es *) Vgl. Börsenblatt 1897, Nr. 18, S. 595.
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