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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.05.1897
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- Erscheinungsdatum
- 15.05.1897
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- Deutsch
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3588 Nichtamtlicher Teil. 111, 15. Mai 1897. Wenn ein Lehrer an der Hand eines solchen Buches unterrichten soll, ist er dann nicht immer beengt, mutz er nicht immer daran denken: das ist dein Schulrat, dein Vorgesetzter, mit dem du zu thun hast; du kannst also über die Schranken, die er dir gesetzt hat, nicht hinausgehen. Nein, meine Herren, Sie engen die Schule und das Recht der freien Kritik zu sehr einl Die Sache ist in Bezug auf den Herrn Riemenschneider um so unangenehmer, als mir ein Brief vom Jahre 1894, und zwar im Originale, mitgeteilt wird, worin er ausdrücklich erklärt hat, dah die Gerüchte in Betreff der Einführung eines neuen einheitlichen Lesebuches für die evangelischen Schulen im Regierungsbezirk Arnsberg auf die Agitation einer Verlagsbuchhandlung in Essen zurückzuführen wären und der sachlichen Grundlage entbehrten. Das war vor zwei Jahren; sehr bald darauf hat er das neue Lese buch herausgegeben. Das ist nicht angenehm, und ich glaube, das kann auch dem Herrn Kultusminister nicht angenehm sein. Und was war denn für eine Not vorhanden, daß die Regie rung in Arnsberg gerade dieses Buch, welches ein Regierungs schulrat herausgegeben hat, in Schutz nahm? Herr Beumer hat schon angeführt, das andere Buch, das von ein paar Pädagogen, tüchtigen Lehrern, herausgegeben ist, das ist dagegen abgewiesen. Stellen Sie sich doch einmal die Situation vor! Ist es nicht natürlich, daß in den Lehrerversammlungen gesagt wird: jawohl, -freie- Bewegung, wir haben hier ein Buch von tüchtigen Lehrern und Pädagogen; es ist von den Sachverständigen, von Behörden sogar, wie Herr Beumer gestern angeführt hat, gelobt, aber zurück- stehen muh es doch hinter dem Lesebuch, das der Schulrat her- ausgiebtl Nun will ich nur noch wiederholen — und ich hoffe, der Herr Kultusminister wird mit mir darin einverstanden sein —: gute Volksschullesebücher können nur von praktischen Pädagogen heraus- gegcben werden. Der praktische Pädagoge kennt das Werkzeug, mit dem er die Kinder unterrichten und erziehen kann, er hat ein Urteil darüber, welche Lesestücke in einem Schulbuch dazu geeignet sind, um den Unterricht zu beleben, — nicht aber die Herren vom grünen Tisch. Meine Herren, der alte Fritz, von dem man doch wahrhaftig sagen muh, daß er ein Staatsmann ersten Ranges war, abgesehen davon, daß er auch ein Feldherr ersten Ranges war, hat einmal — ich habe in der Eile leider den Brief nicht mehr auffinden können — in einem Briefe auseinandergesetzt, daß er die Einrichtung eines tüchtigen Volksschullesebuchs für eines der wichtigsten staatlichen Mittel halte für die Erziehung; der Mann, der das fertig bringe, erwerbe sich ein großes Verdienst und solle einen Preis erhalten. Ich bin nun auf die Idee gekommen, ob man nicht die Frage ganz anders lösen und die freie Konkurrenz herausfordern könnte, und ein Gremium von praktischen Schulmännern berufen könnte, das die Entscheidung geben könnte. Dann würde auch das Wett rennen der Verleger aufhören. Indessen ich möchte in diesem Stadium der Beratung mit meinen unmaßgeblichen Vorschlägen dem Herrn Kultusminister nicht kommen. Ich bin der Meinung — und das wiederhole ich —: es schädigt die Autorität der Be amten, wenn der Herr Minister nicht auf den Weg zurück geht, den Herr v. Puttkamcr, sein Vorgänger, und auch Herr vr. Falk, sein Vorgänger, eingeschlagen haben, die es in Erlassen für höchst bedenklich erklärten, wie gestern Herr vr. Beumer schon angeführt hat, daß Regierungsschulräte sich dabei be teiligen. Ich glaube, das ist eine Sache, die die praktischen Schul männer am besten besorgen können. Wir wollen kein Monopol auf diesem Gebiete, wir wollen keine Schablonen, wir wollen die freie Entwickelung, und nach dem ganzen Standpunkt, den der Herr Kultusminister der Schule gegenüber bisher eingenommen hat, nehme ich an, daß er die wichtige Sache in seine eigene Hand noch nicht in dem Maße genommen hat, wie wir das wünschen müssen. Die praktischen Schulmänner, meine Herren, wissen am besten, mit welchen Lesestücken jene Gymnastik des Geistes, jene Einwirkung auf das Gemüt und die sittlichen Regungen des Kindes erreicht werden können, die die Ziele jedes Unterrichts und jeder Erziehung sind. Dazu möge der Herr Kultusminister helfen. Auch wir sind der Meinung Friedrichs des Großen, daß das Volksschullesebuch eines der wichtigsten Hilfsmittel ist für den Unterricht. Lassen Sie den Regierungsschulrat heraus und vor allem: kein Monopol und keine SchabloneI Die freie Entwickelung wird unseren Kindern und der Schule den besten Dienst erweisen. (Bravol links.) Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegen- heiten v. vr. Bosse: Meine Herren, ich bin dem Herrn Abgeordneten Rickert dankbar, daß er die Lesebuchfrage in einem Sinne hier zur Sprache gebracht hat, dem ich mich in vielen Punkten anschließen kann. Er hat ganz recht, die Lesebuchstage ist eine der wichtigsten Fragen unseres ganzen Volksschulwesens. Denn, meine Herren, außer der Bibel, dem Katechismus und dem Gesangbuch, wenigstens in den evangelischen Kreisen, und in den katholischen außer dem Gebetbuch, ist das Volksschullesebuch im wesentlichen der Inbegriff der Bildung, die die Volksschule ihren Zöglingen mit hinaus ins Leben giebt, und das Volksschullesebuch reicht weit hinein in die späteren Lebensjahre der Kinder, die aus der Volksschule entlassen werden. Also wir sind wie der Herr Abgeordnete Rickert ganz durchdrungen von der großen Wichtigkeit dieser Volksschullesebücher. Die Frage ist auch nicht neu; sie ist alt, sie hat die Schulverwaltung seit vielen Jahren beschäftigt. Eine Ermittelung aus dem Jahre 1894 hat ergeben, daß mindestens 165 verschiedene Volksschullese bücher in Gebrauch waren. In einzelnen Regierungsbezirken wurden bis 30 Volksschullesebücher gebraucht, und dabei sind die Fibeln noch gar nicht mitgerechnet. Nun hat der Herr Abgeordnete Rickert gemeint, diese verschiedenartigen Lesebücher hätten nichts auf sich. Meine Herren, zu einer Schablone, einem einheitlichen Lesebuch, das etwa in der Centralinstanz gemacht und über das ganze Land, für Stadtschulen und Landschulen einheitlich eingeführt würde, werde ich die Hand nicht bieten. Das würde ich für eine ganz ungesunde Entwickelung halten, schon deshalb ungesund, weil im Volksschul lesebuch die örtlichen Verhältnisse des Bezirks, in dem die Kinder leben, ihre heimatlichen Verhältnisse, durchaus berücksichtigt werden müssen. Aber, meine Herren, ganz so harmlos ist die Lesebuchfrage in Bezug auf die Belastung der Eltern, namentlich der weniger be güterten, doch nicht, wie der Herr Abgeordnete Rickert angegeben hat. Denken Sie an unsere Arbeiter in den Jndustricbezirken oder in den Vororten großer Städte, z. B. Hannover, Berlin oder Köln, wo der Arbeiter die Fabrik oder die Wohnung häufiger, vielleicht alle paar Monate, wechselt. Soll der Arbeiter da mit jedem Schul wechsel für seine Kinder neue Lesebücher anschaffen? Das hat schon zu den bittersten Klagen geführt. Wir werden es nicht hindern können, daß ein Arbeiter beim Umzug aus der Provinz Posen nach Berlin für seine Kinder das Berliner Lesebuch anschaffen muß. Das aber kann ich hindern, daß in demselben Bezirk eine Unzahl verschiedener Lesebücher, und zwar unnötig verschiedener Lesebücher, gebraucht und die Eltern gezwungen werden, hierfür unnötige Aus gaben zu machen. Darauf ist mein Bestreben gerichtet. Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Rickert zu, die Sache ist außerordentlich schwer. Sie ist doppelt schwer, weil aus jeder Ge nehmigung eines Lesebuchs ein großer Gewinn entspringt für den Herausgeber und für den Verleger. Jede Genehmigung eines Lese buchs enthält in gewissem Sinne eine Art Konzession, ich will nicht sagen: ein Monopol; aber es wirkt ähnlich wie die Verleihung einer Apothekenkonzesston, ja auch eines der lästigsten Rechte, die die Staatsverwaltung bei uns ausübt. (Abgeordneter Gras zu Limburg-Stirum: Ich würde es in eigenen Verlag nehmen I) Nun sagt zwar der Herr Abgeordnete: Wozu genehmigt Ihr überhaupt die Lesebücher? Laßt doch der freien Kritik und der freien Geistesarbeit vollen RaumI Meine Herren, so geht das auch nicht. Wir haben Lesebücher gehabt, die so schlecht waren, daß die Unterrichtsoerwaltung sie absolut nicht dulden konnte. Daneben hatten sich früher namentlich auch eine Menge Lehrervereine dieser Lesebuchfrage bemächtigt und halten ziemlich teure Bücher zum Besten ihrer Witwenkasse oder der Relikten oder irgend einer anderen gemeinsamen Lehrerkasse herausgegeben. Dies hatte dann zur Folge, daß ein gewisser Druck zur Einführung des Buches zu Gunsten der Kassen geübt wurde. Als die Unterrichtsverwaltung der Sache näher trat — es war etwa 1874 —, fand sich, daß ganz salopp mit der Papier schere zusammengeschnittene Bücher in Gebrauch waren. Das sind die Bücher, von denen der Herr Ministerialdirektor Kuegler gesprochen hat. Er hat nicht gesagt: jedes Lesebuch oder jedes gute Lesebuch ist leicht zu machen, aber er hat gesagt: es giebt Lese bücher, die wirklich bloß mit der Papierschere zusammengeschnitten sind, und wer wirklich etwas Kenntnis von diesen Dingen hat, weiß, daß das richtig ist. (Sehr richtig I) Solche Bücher waren wohl aus Stereotypplatten gedruckt, und so batten sie von den Ereignissen der Jahre 1866 und 1870 nur in kleinen Anhängen Notiz genommen, um die Kosten des Neu drucks zu vermindern. So kam es, daß im Anhang der Kaiser und seine Helden hoch gepriesen wurden, während im Text des Buches Oesterreich noch als deutscher Bundesstaat und Elsaß als eine französische Provinz bezeichnet wurden. (Heiterkeit.) Daß das kein wünschenswerter Zustand für ein in der preußischen Volksschule gebrauchtes Lesebuch ist, das werden Sie mir gewiß alle zugeben. Es ging noch weiter — es ist nicht zu meiner Zeit gewesen —, daß ein solches Buch dem damaligen Unterrichts minister aus dem Kabinett Seiner Majestät zugeschickt wurde. Das war sehr dankbar anzuerkennen und gewiß sehr schön, daß Seine Majestät sich auch mit dieser Frage beschäftigte. Es war aber für den Kultusminister sehr unbequem, (Heiterkeit) jedenfalls ein scharfer Antrieb, um mal der Besserung der Ver hältnisse näher zu treten.
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