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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.05.1897
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 15.05.1897
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- Deutsch
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3584 Nichtamtlicher Teil. 111, 15 Mai 1897. Nichtamtlicher Teil. Nochmals: die Volksschul-Lesebücher im preußischen Abgeordnetenhause. Es ist uns von verschiedenen Seiten der Wunsch geäußert worden, die schon in Nr. 10t d. Bl. berichtete Besprechung der Volksschullesebücher-Frage im preußischen Abgeordnetenhause auch im stenographischen Wortlaut wiederzugeben. Diesem Ver langen kommen wir hiermit nach. Aus der 71. Sitzung vom 29. April 1897. Abgeordneter vr. Beumer: Meine Herren, ich habe mich hier zum Worte gemeldet, weil ich bei dem Titel .Ministergehalt- ge beten worden bin, einen Protest unserer westfälischen Frauen und Mädchen dem Herrn Minister zu überbringen, einen Protest, der mit einem von dem Regierungs- und Schulrat von Arnsberg, vr. Riemenschneider, herausgegebenen Schullesebuch zusammenhängt, das auf dem Wege der Monopolisierung in allen evangelischen Schulen des Regierungsbezirks Arnsberg zu Ostern 1897 zur Ein führung gelangen soll. Diese Monopolisierung bildet eine so wichtige Frage, daß sie hier bei dem Titel des Ministergehalts ganz entschieden besprochen zu werden verdient. WaS zunächst den Protest der westfälischen Frauen und Mädchen anbelangt, so ist in diesem Lesebuche der Arnsberger Regierung das wunderbar schöne Westfalenlied des kürzlich verstorbenen Dichters Emil Rittershaus in der Weise verballhornt, daß die wunderbar schöne Strophe, die sich auf die Frauen und Mädchen Westfalens bezieht, gestrichen worden ist. Für diejenigen Herren in diesem Hohen Hause, die mit dem Westfalenlied — ich kann mir das allerdings kaum denken — nicht bekannt sein sollten, will ich mir erlauben, diese Strophe zu citieren; sie lautet: Und unsre Frauen, unsre Mädchen, Mit Augen blau wie Himmelsgrund, Sie spinnen nicht die Liebesfädchen Zu Scherzen für die müß'ge Stund'. Ein frommer Engel Tag und Nacht Hält tief in ihrer Seele Wacht, Und treu in Wonne, treu in Schmerz, Bleibt bis zum Tod ein liebend Herz. Glückselig, wessen Arm umspannt Ein Mädchen aus Westfalenlandl (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, um in dieser wundervollen Poesie etwas An stößiges und für die Sittlichkeit unserer Jugend Gefährliches zu finden, dazu gehört eine Prüderie, die für mich geradezu lächerlich ist. Thatsächlich wird denn auch diese Strophe auf allen patrio tischen Festen und Familienfeiern, an denen unsere westfälische Jugend teilnimmt, frisch und fröhlich gesungen. Nun kommt ein Schulrat, der natürlich kein Westfale ist, macht sich sein eigenes Umsturzgesetz gegen diese Strophe zurecht und streicht sie aus Gründen der Sittlichkeit aus dem Buche heraus. Dagegen protestieren die west fälischen Frauen und Mädchen, und ihr Protest ist so ernst gemeint, daß ich dem Herrn Minister dringend abraten möchte, wenn er diesem Proteste nicht Folge giebt, zu uns nach Westfalen zu kommen; (Heiterkeit) ihm könnte sonst von den Westfälinnen ein Empfang bereitet werden, der ihn auch nicht entfernt an die Verszeile erinnern würde: Glückselig, wessen Arm umspannt Ein Mädchen aus Westfalenland. (Große Heiterkeit.) Meine Herren, ich kann mir aber auch gar nicht denken, daß der Herr Minister darin nicht sollte Rcmedur schaffen wollen, namentlich weil es sich um den gegenwärtigen Kultusminister handelt, der neulich noch zu meiner großen aufrichtigen Freude bei der Einweihung unserer Akademie-Aula in Düsseldorf den jungen Akademikern gesagt hat: Wollen Sie echte und rechte Künstler sein und werden, dann lassen Sie in wesenlosem Scheine weit hinter sich das Niedrige, Gemeine. Sie dürfen dabei nicht an jene philiströse Prüderie denken, die für die höchste Schönheit kein Verständnis mehr hat, wenn sie nicht durch einen Mantel verhüllt ist. Das wäre kein Künstlerauge, das zwischen der Schönheit und niedrigen Gemeinheit nicht zu unterscheiden wüßte. Kann doch das Nackte weitaus keuscher sein als das Verhüllte. Nein, daran denke ich nicht. Von einem solchen Minister, meine Herren, dürfen unsere west fälischen Frauen und Mädchen Schutz gegen eine übertriebene Prüderie erwarten, zumal es sich doch hier um bekleidete westfälische Frauen und Mädchen handelt. Und darum erwarte ich, daß in einer eventuellen zweiten Auflage dieses Buches die westfälischen Frauen und Mädchen durch den Herrn Kultusminister in intsgrum restituiert werden. Ich habe mich nun aber noch weiter mit diesem Lesebuche zu beschäftigen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil in der Monopolisierung des Lesebuches eine Frage von weitester — und zwar nicht allein pädagogischer, sondern auch wirtschaftlicher — Bedeutung vorliegt. Ich verkenne mit dem Herrn Kultusminister keinen Augenblick die schweren Mißstände, welche sich daraus er geben, daß zu viele Lese- und Lehrbücher existieren. Ich erkenne diese Mißstände durchaus an, weil ich weiß, daß es namentlich bei der wirtschaftlich schwächer situierten Bevölkerung zu drückenden Ausgaben führt, wenn zu viel Lehrbücher in Gebrauch sind. Aber meine Herren, das ist doch etwas ganz anderes, wenn man für so ungeheuer große und gerade für die beiden volkreichsten Bezirke unserer ganzen Monarchie, wie es Arnsberg und — ich bemerke, daß dieses Lesebuch auch in Düsseldorf zur Einführung gelangen soll — Düsseldorf sind, nur ein einziges Lesebuch einführt, welches für derartig große Bezirke allein bestimmt ist. Die Einführung in Düsseldorf ist noch nicht verfügt; aber die rheinische Ausgabe ist für den Bezirk Düsseldorf erschienen; es wird nach Kräften für die Einführung gearbeitet; auch würde die Verlagshandlung, wenn sie keine Aussicht für die Einführung hätte, die rheinische Ausgabe kaum haben Herstellen lassen. Für Arnsberg ist die Einführung bereits verfügt; ich beschränke mich daher auf die Darlegung der Schäden, welche sich für unseren Arnsberger Bezirk ergeben. Ich muß sagen, daß man für so große Schulbezirke, wie bei uns Städte wie Hagen, Elberfeld-Barmen, Essen, Dortmund dar stellen, nach denen verschiedene Vororte gravitieren, die ganz sicher dann dasselbe Lesebuch einführen würden, daß man für solche Bezirke die Beibehaliung eines bewährten Lesebuches gestatten müßte. Thatsächlich hat auch der Oberbürgermeister von Hagen einen dahingehenden Antrag an die Arnsberger Regierung gestellr, allerdings leider mit negativem Erfolge. Statt dessen hat nun die Regierung von Arnsberg durch Erlaß vom 4. August 1896 die Einführung dieses Riemenschneider'schen Lesebuches in allen evange lischen Volksschulen des Bezirks verfügt. Dadurch hat diese Regierung auss neue einen Beitrag zu ihrem rigorosen Verhalten gegenüber der selbständigen Entwickelung unseres Schulwesens ge geben, gegen die mein Kollege vr. Lohmann und ich schon wieder holt zu protestieren Gelegenheit gehabt haben. Die Arnsberger Regierung widerspräche aber auch mit dieser Einführung den Traditionen im preußischen Kultusministerium. Durch den Ministerialerlaß vom 10. April 1880 — der Herr Präsident wird mir gestatten, denselben wörtlich vorzulesen — ist deutlich ausgesprochen, daß die Abfassung namentlich von Volksschullesebüchern durch Regierungs- und Schulräte überhaupt nicht dem Interesse der Unterrichtsverwaltung zu entsprechen scheint. Es kommt dabei einerseits in Betracht, daß zur Herstellung eines guten und mit einiger Selbständigkeit bearbeiteten Lesebuches ein Aufwand von Kraft und Zeit erforderlich ist, welcher einem Schulrate, der seinen Amtspflichten gewissenhaft nachkommt, nur unter ganz besonderen Umständen zur Verfügung stehen dürfte, anderseits aber und vorzüglich läßt die Abfassung von Volksschullesebüchern nur zu leicht das Bedenken auf- kommen, daß dadurch dem amtlichen Ansehen des betreffen den Schulrats bis zu einem gewissen Grade Eintrag ge schehen kann. Es wird in einem solchen Falle selten fehlen, daß selbst das best begründete und objektivste Bedenken des Schulrats gegen ein fremdes Buch unrichtige und mißver ständliche Auslegungen erführe und daß sein Verhalten gegen die ihm untergeordneten Schulinspektoren und Lehrer in irgend eine unzulässige Verbindung mit dem Interesse ge bracht werde, welches diese für oder gegen das von dem Schulrat verfaßte Buch gezeigt haben. Und in dem Ministerialreskript vom 24. Dezember 1873 heißt es: Namentlich muß die amtliche Empfehlung — darauf bitte ich Sie zu achten — eines von Schulräten und Seminardirektoren gearbeiteten Schulbuches dann begründeten Anstoß geben, wenn sie von einer Behörde ausgeht, welcher der Verfasser des in Rede stehenden Buches als Mitglied angehört. Was thut dagegen die Arnsberger Regierung? Sie giebt dem von ihrem Mitgliede Or. Riemenschneider verfaßten Schullesebuch in der Septembernummer ihres amtlichen Schulblattes vom 9. Ok tober ein Begleitwort mit auf den Weg, das ich Ihnen zur Lektüre als ein Muster objektiver Reklame empfehle, und fügt in der Dezembernummer desselben amtlichen Schulblattes hinzu, daß das betreffende Lesebuch -eine von Fernerstehenden schwer zu wür digende gewaltige Arbeitsleistung« sei, womit sich die Arnsberger Regierung freilich in einen Gegensatz zu Herrn Ministerialdirektor Kuegler selbst setzt, der den beiden Deputierten des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler gesagt hat, ein Lesebuch für Volksschulen
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