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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1898
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- Erscheinungsdatum
- 15.01.1898
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- Deutsch
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11, 15. Januar 1898.! Nichtamtlicher Teil. 365 Nichtamtlicher Teil Vom Deutschen Reichstag. Der Deutsche Reichstag beschäftigte sich am 13. d. M. mit der ersten Beratung des von den Abgeordneten Prinz von Arenberg und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betr. Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuches, einer zum Teil verschärften Erneuerung der früheren so genannten lex Heintze. Der Entwurf enthält in der Haupt sache scharfe Bestimmungen gegen Kuppler, Zuhälter, Arbeit geber oder Dienstherren, die unter Mißbrauch ihres Arbeits oder Dienstverhältnisses ihre Arbeiterinnen zur Unzucht ver leiten, ferner gegen das Feilhalten unzüchtiger Schriften, Abbildungen und Darstellungen, gegen unsittliche theatra lische und sonstige Vorstellungen. Außerdem dehnt er die Altersgrenze für die auf Antrag strafbare Verführung eines unbescholtenen Mädchens für letzteres von 16 auf 18 Jahre aus. Aus der Besprechung heben wir folgendes hervor: Abg. Spahn (Centrum): »Wir haben uns in unserem Antrag im wesentlichen dem Gesetzentwurf angeschlossen, den die Reichstagskommission für die sogenannte lex Heintze entworfen hat. Wir haben deshalb vor allem Maßnahmen gegen das Zuhältertum vorgeschlagen. Auch gegen die Schundliteratur muß vorgegangen werden, denn diese macht sich gegenioärtig in einer Weise breit, die wirklich be sorgniserregend ist. Wir wollen es verhüten, daß solche Schmutz- litteratur unseren Kindern in die Hände fällt. Es fällt uns nicht ein, gegen die Kunst oder gegen die Litteratur an sich vorzu- gehcn. Aber in all den Darbietungen, die wir treffen wollen, ist von Kunst absolut nicht die Rede, denn die Kunst tritt vollständig zurück; es wird nur auf den Sinnenreiz spekuliert. Auch ist die Darstellung des Nackten allein niemals die Auf gabe der wahren Kunst gewesen. Die Kunst hat nur dann etwas Großes geleistet, wenn sie auf religiösem Boden steht. Man kann die Religion nicht entbehren, wenn man das Volk sittlich gesund machen will. Nach dieser Richtung hat aber auch die Gesetzgebung vorzugehen. Gestern ist im Abgeord netenhause der Satz gefallen, daß nur der Staat stark sei, dessen Finanzen gesund und kräftig seien. Dies ist an sich ganz richtig. Aber weit wichtiger ist es für einen Staat, daß die Jugend sittlich gesund ist. Hiernach müssen wir streben.« Abg. Schall (kons.): »Es ist nötig, daß sittliche und religiöse Anschauungen mehr in das Volk eindringen, daß dieses geläutert und gereinigt werde. Durch Gesetze allein kann das aber nicht erreicht werden. Das Volk muß große Vorbilder haben. Die sexuelle Statistik bietet ein häßliches Bild und kann uns in Bezug auf die Zukunft unseres Volkes geradezu besorgt machen. Leider steht ein großer Teil des Volkes nicht mehr auf sittlichem und religiösem Standpunkte, sondern ist in den Bann des Materialismus und Naturalis mus geraten. Diese Leute denken über Unzucht und Unsitt lichkeit sehr leicht, sie predigen die Emanzipation des Fleisches. Leider ist auch die Jugend der gebildeten Stände in den großen Städten von den materialistischen Grundsätzen durch seucht. Herr Bebel hat zwar einmal behauptet, auf dem Lande sei die Unsittlichkeit ebenso groß. Das ist nicht richtig. Wo sich auf dem Lande Unsittlichkeit zeigt, ist sie von den Städten eingeschleppt worden. In den Badeorten und größe ren Städten ist die Unsittlichkeit am häufigsten. Das Zu nehmen der Fabrikbevölkerung, besonders die zunehmende Beschäftigung der jungen Mädchen, trägt sehr viel zur Untergrabung der gesunden Sitten bei. Nur die Durch dringung mit christlichem Geiste kann Wandel schaffen. Die Sozialdemokratie hat es am meisten verschuldet, daß das religiöse Gefühl, die religiöse Scheu vor der Heiligkeit der Familie in weiten Kreisen geschwunden ist. Man sagt immer, Fünsundsechzigster Jahrgang. die soziale Not treibe die Mädchen zur Unsittlichkeit. Nein, wieviel arme Mädchen giebt es, die tugendhaft und keusch sind, während anderseits wohlhabende Mädchen ihren sündhaften Neigungen nachgehen. Wir stehen, wie gesagt, dem Ent wurf sympathisch gegenüber.« .... Abg. vr. Pieschel (nat.-lib.): »Ich würde es außer ordentlich bedauern, wenn die Schwarzseher Recht behielten, daß aus diesem Gesetzentwurf nichts herauskommen werde. Ich würde aber glauben, daß sie ganz sicher unrecht haben, wenn wir dieses Mal nicht denselben taktischen Fehler be gehen, den wir früher bei der lex Heintze begangen haben, indem wir die Veränderungen einzelner Paragraphen des Strafgesetzbuchs, deren Zusammenhang doch nur ein sehr loser war, zu einem zusammenhängenden Gesetzentwurf ver einigten. Ein solcher Gesetzentwurf ist ein Stückwerk, und es wird dadurch dem Einzelnen, der sich mit einer Bestimmung einverstanden erklärt, während er einige andere nicht an nehmen will, die Möglichkeit entzogen, mitzuhelfen, das An nehmbare zum Gesetz zu machen. In dem vorliegenden Ge- setzantrage ist eine Reihe von Bestimmungen vorhanden, die ohne wesentlichen Widerspruch, vielleicht sogar einstimmig angenommen werden können, nicht nur seitens des Hauses, sondern auch von den verbündeten Regierungen. Es sind aber auch solche Bestimmungen darin, die höchst wahrscheinlich die Zustimmung der Mehrheit des Hauses nicht finden und auch vom Bundesrat abgelehnt werden werden. Wenn wir alle diese Bestimmungen zusammen als ein organisches Ganzes behandeln würden, so fiele wiederum die ganze Materie ins Wasser. Deshalb wäre es im Interesse der Sache wichtig, dem zuzustimmen, daß die Abstimmung über die einzelnen Materien besonders vorgenommen wird Der tz 182 g., oer Arbeitgeber oder Dienstherren wegen unzüchtiger Handlungen mit ihren weiblichen Angestellten bestrafen will, scheint mir ein wahres Monstrum zu sein. Der Paragraph würde in der jetzigen Fassung eine wahre Flut von Denunziationen und Erpressungen nach sich ziehen; er würde dem Arbeitgeber eine Schlinge um den Hals legen, aus der er gar nicht mehr herauskommen könnte. Mir hat ein alter Herr, der ganz ge wiß außerhalb jedes Verdachts steht, jemals mit diesem Paragraphen in Konflikt zu kommen, gesagt: Um Gottes willen, wenn das Gesetz wird, dann kann ich mein ganzes Geschäft einpacken. Hier heißt es den Bogen nicht zu straff spannen. Dasselbe gilt von dem Z 184, insbe sondere von der Nr. 3, nach welcher derjenige bestraft werden soll, der durch Ankündigungen in Druckschriften unzüchtige Verbindungen einzuleiten sucht. Wie will man das in den einzelnen Fällen aus der Fassung der Ankün digung feststellen? Wenn ich auch mit der Tendenz des Paragraphen einverstanden bin, so scheint mir die Fassung doch sehr bedenklich; nicht minder die Fassung des Z 184 b, die das Zur-Schau-stellen von Abbildungen bestrafen will, die, auch ohne unzüchtig zu sein, das Scham- und Sitten gefühl erheblich verletzen können. Was heißt das? Der eine erfreut sich an einem Bilde, das dem andern anstößig er scheint. Die Auffassungen über das, was anständig ist, sind in verschiedenen Ständen und Landesteilen ganz verschieden. Der K 184b, der sich gegen grob unanständige Vorstellungen, Singspiele rc., die aber nicht unsittlich sind, richtet, ist schon seiner Zeit in der Kommission für die lex Heintze abgelehnr worden. Er geht viel zu weit? Wessen Sittlichkeit soll denn dafür maßgebend sein, um zu entscheiden, ob ein Aergernis erregt worden ist oder nicht. Auch hier im Hause sind gewiß viele, ich möchte sagen alle, deren Schamgefühl durch solche Aufführungen nicht verletzt werden würde, die anderen an stößig erscheinen würden. 49
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