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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.08.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-08-17
- Erscheinungsdatum
- 17.08.1906
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- Deutsch
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7788 Nichtamtlicher Teil 190, 17. August 1906. Die in den nachfolgenden Zeilen geschilderten kleinen Selbsterlebnisse sollen zeigen, wie verschieden der Kunsthandel in Buchhandlungen ausgeübt wird. Ec war allerdings stets Ncbcnzweig, trug aber nicht unwesentlich zur Erhöhung des Umsatzes bei. Der Beginn meiner buchhändlerischen Laufbahn fällt in die Zeit des deutsch-französischen Krieges, in eine Zeit der Begeisterung, von der das jüngere Geschlecht heute leider keine Ahnung hat. So wenig ersprießlich für die Kunst nun auch ein Krieg im allgenieinen ist, so günstig ivar doch der Krieg 1870/71 für den Kunsthandel, wenigstens für den auf die Massen berechneten. Porträts der Heerführer in allen Formalen und Herstellungsweisen wurden massenhaft abge setzt, ebenso Büsten Kaiser Wilhelms I. und seiner Haupt paladine. Auch diese Plastik in Gips und Papiermasse kam in ziemlicher Mannigfaltigkeit auf den Markt. So erinnere ich mich kleiner Porträtbüsten auf Sockel, die kräftig be malt waren und im Sockel ein Fläschchen irgend eines wohlriechenden Parfüms enthielten Das jüngste Deutschland malte eifrig Neu-Ruppiner Bilderbogen mit französischen und deutschen Soldaten aller Waffengattungen aus, klebte sie auf Pappe und stellte sie auf, um auf eigne Faust große Schlachten zu schlagen. Jedermann mußte natürlich eine Kricgskarte haben Welcher Verleger zuerst damit kam, machte die besten Geschäfte. Eine der ersten war eine Karte der deutsch-französischen Grenze aus der Vogelschau in Farben, die aber bei dem raschen Vormarsch der deutschen Armeen im Westen bald nicht mehr zulangte. Kriegsbilder in Licht- oder Steindruck kamen bald nach dem betreffen den Ereignis trotz der etwas gehemmten Verkehrsver hältnisse im ganzen Reich auf den Markt. Eine Nürn berger Firma hatte den Gedanken, die Porträts der gefallenen bayerischen Offiziere als Tableau zusammen zustellen und durch Photographie vervielfältigen zu lassen. Auch diese Tableaus fanden viel Absatz. Die große Masse der verschiedenen in Lieferungen erscheinenden, meist illustrierten Kriegsgeschichten und die bedeutende Nach frage dafür verhalf der Kolportage zu einem großen Auf schwung. Freilich nährte der Sortimenter, der die Kolpor tage kräftig betrieb, in vielen Fällen eine Natter am Busen. Denn wenn man die Herren Kolporteure eingearbeitet hatte, machten sie sich selbständig und nahmen die halbe Kund schaft mit. Zu den meisten Zeitschriften und Lieferungs- Werken gab es damals Prämienbilder, sogar fertig ein gerahmte Öldruckbilder, eine Einrichtung, die entschieden Wert für die großen Massen hatte. Kleiderstoffe, Ohrringe, Broschen usw. wurden damals ebenfalls als Prämien ge liefert, ein Verfahren, das weniger zu billigen ist. Auf dem Wege der Abschlagszahlung setzten wir zu jener Zeit Hunderte und tausende von fertig eingerahmten Ölfarbendruckbildern ab, um diesen Geschäftszweig nach einiger Zeit dem betreffenden Herrn Kolporteur, der eben falls nach Erfolgen dürstete, zu überlassen. Natürlich wurde schon damals über die Farbendrucke, über schreiende Farben, Vorspiegelung falscher Tatsachen usw. gezetert, weil man bei den bessern Ölfarbendrucken soweit ging, daß man durch Pressen des Papiers den Drucken den pastosen Farbenauftrag des Originals beizugeben versuchte. Noch weiter gingen in dieser Beziehung die Ende der siebziger Jahre auftretenden Lsmtnrss-LoArtsrts. Jedenfalls kamen die Ölfarbendrucke, die fix und fertig in Goldbarockrahmen von fünf Gulden an kosteten, der Farbenfreude des kleinen Mannes entgegen, der sich keine teuren Kupferstiche oder Gemälde in sein Zimmer hängen kann. Für höhere Ansprüche hatten wir natürlich auch gute Stiche, Photographien usw. auf Lager und gingen auch daran, uns wirkliche und leibhaftige Ölgemälde zuzu legen. Eines schönen Tages wurden 25 Ölgemälde erworben, die tatsächlich nach der Elle, bezw. nach der dazu ver wandten Leinwand bezahlt wurden. Diese Gemälde stellten Landschaften vor, waren ziemlich groß und stammte» offen bar aus einer Gemäldefabrik oder von einem Künstler, der einige Dutzend Gemälde auf einmal auf der Staffelei hatte. Wir zahlten wirklich nicht viel mehr als den protzigen Goldrahmen und die Leinwand und gingen nun daran, diese Galexie aufzuhängen. Da ein andrer Raum nicht vor handen war, wurden im Laden Eisenstäbe an der Decke be festigt und die Gemälde eines berühmten namenlosen Künstlers an Haken aufgehängt. Sie gingen rasch ab. Nun ist eine Landschaft nicht jedermanns Sache, es mußten auch andre Sujets geboten werden. Man erwarb also in München eine kleine Anzahl billiger Werke. Dann wurde ein alter Zeichenlehrer mit vieler Mühe überredet, sich von seinen gemalten Meisterwerken zu trennen, die wir vor sichtigerweise vorerst in Kommission nahmen; ein Photograph, der ganz flott Jagdstücke malte, gab einige Bilder her, einige Damen, die natürlich nicht genannt sein wollten, lieferten Blumenmalereien und Stilleben, und der Kunst salon war fertig. Viel Kunst konnte man freilich nicht da von verlangen. Dabei blieb es nicht. Ein einheimischer Maler wurde veranlaßt, eine Ansicht der Stadt zu litho graphieren, die schwarz und koloriert ausgegeben und kolpor tier wurde. Dann wurden die hervorragenden Männer der Stadt, der Bürgermeister, der Dekan, einige Pfarrer und Lehrer photographiert, was viele Mühe kostete, denn die Leute wollten nicht auf diese Weise i» die Öffentlichkeit gezerrt und verkauft werden. Für die Photographien von »Komödianten und Musikanten« hatte man wenig Interesse. In meiner ersten Gehilfenstellung in einem sehr alten westfälischen Städtchen mit sehr stark besuchter Bauschule lernte ich das Leisten- und Rahmengeschäft und einen sehr originellen Künstler kennen. Dieser berühmte Maler war ein schon etwas angejahrter, ziemlich großer Herr mit roten Backen, der durch zwei große runde Brillengläser ganz ver gnügt in die Welt guckte. Er wurde allgemein mit einem französischen Namen genannt, trug aber in den königlich preußischen Personenstandsregistern jedenfalls einen sehr guten deutschen Handwerkernamen. Dieser alte Meister hatte die Kühnheit, von seiner Malerei zu leben. Er malte jährlich mindestens zwei Gemälde, die ihm seinen Lebensunterhalt einbringen mußten. Wenn der große Rembrandt nach dem Verlust seines Vermögens von Pökelhering, Käse und Brot lebte, so muß mein westfälischer Meister, nach seinem robusten Aussehen zu urteilen, offenbar besser gelebt haben. Nun lieferte ihm ein merkwürdiger Vorfall ein Motiv zu einem Gemälde. Eines schönen Abends brannte es in der kleinen Stadt. Schauerlich heulten die Sturmglocken, und bald war die ganze Bauschule auf den Beinen, um beim Löschen und Retten zu helfen. Auch unser Künstler war an wesend, offenbar um Studien zu einem grandiosen Ge mälde zu machen. Denn derartige Gelegenheiten zum Studium von nächtlichen Beleuchtungseffekten werden selten geboten. Es dauerte auch nicht lange, so ging mein alter Maler in der Stadt umher, ein Gemälde unterm Arm, und bot jedem, der es haben wollte, Lose an, die dem Liebhaber die Aussicht eröffneten, das Meisterwerk zu ge winnen. Dasselbe stellte wahrhaftig den Brand des Hauses dar. Blutigrot schlugen die Flammen empor, man meinte ordentlich das Krachen der Balken und das Knistern der Funken zu hören, während dicker Rauch alle sonstigen Gegen stände liebevoll einhüllte. Es war schauerlich-schrecklich-schön. Aber das Gemälde ging glatt ab. Beim Militär war natürlich von künstlerischem Genuß keine Rede. Die damals in Bayern noch »Gemeine» ge nannten Soldaten beschränkten ihr Kunstbedürfnis darauf,
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