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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.05.1908
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1908-05-14
- Erscheinungsdatum
- 14.05.1908
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- Deutsch
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- Saxonica
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111, 14. Mai 1908. Nichtamtlicher Teil. »SrskNdlLtt s. d. Dtschn. «uchhanbkl. 5401 Mitteln sich ins Bewußtsein der Unbefangenen hineinzwängen wollten. Und daneben liegen die ruhigen Leistungen, ausgesät über ein noch unbekanntes Zukunftsland, bereit gehalten im Ver trauen auf die unverwüstbare Kraft ihrer inneren Werte. Dieser seltsame Prozeß, der ohne einen wirtschaftlichen Idealismus und einen starken Kulturoptimismus nicht zu denken ist, wäre überhaupt unmöglich gewesen, wenn nicht einige feinsinnigeundkunstverständige Ver leger diese Bemühungen unterstützt hätten, wenn sie nicht den von ihnen als Bestellern abhängigen Drucker zur Verwendung der neuen Typen gezwungen Hütten. So schufen sie wenigstens eine schmale Brücke über jene gähnende Kluft, die wir bemerkten, und erweckten die frisch gegos senen Schätze zum wirklichen Leben. Das Verhalten dieser Ver lagsanstalten mußte naturgemäß die Schriftgießereien ermutigen und anspornen und weiteren Künstlerkräften die Bahn ebnen. Dieser ganzen Evolution blieben selbstverständlich die Ge burtswehen nicht erspart. Es wird uns wohl selten wieder auf einem Gebiet der angewandten Kunst ein Schauspiel ähnlich dem mitunter fanatisch geführten Kampf um die Eckmann- und Behrensschrift geboten werden. Und selten werden wir wohl auch einen so schnellen Sieg mit allen seinen befruchtenden Folgen beobachten können. Doch es wird für unsere Betrachtung not wendig sein, noch um einen Grad weiter zurückzugreifen, wo die Entwicklungskurve einsetzt mit dem Nestor unserer gegenwärtigen Schriftkünstler: Otto Hupp. Bei einem Künstler, der nicht das Temperament besitzt, Mauern einzureißen und Wegzäune zu überspringen, wird man nie zwecklos fragen, wo sein Ausgangspunkt gelegen war. Denn alles ist hier Entwicklung — fortschreitende, folgerichtige Ent wicklung. Hupp ist in einer Zeitstimmung ausgewachsen, wo man aus Mangel an Stil das Heil in den Stilen der Vergangenheit sah, und er ist in eine Zeit hineingewachsen, die mit aller Ver gangenheit brechen wollte, um zu einem eigenen Stil zu kommen. Er suchte über die so jäh gähnende Kluft hinwegzugleiten und durch eiu fanatisches Vertiefen in die Formensprache gewesener Jahrhunderte zu einer ihm persönlich eigenen Ausdrucksweise zu gelangen. Während so viele in ihre Kunst »die Natur durch ein Temperament gesehen« zwingen wollten, glaubte er durch sein Temperament die Ausdrucksweise der Renaissancemenschen oder der Gotiker sehen zu können. Und ein Einfühlen in diese Formen welt führte ihn auf den Weg, wo ihm die großen Erfolge beschieden waren. Bei der Herausgabe der bei E. I. Genzsch in München geschnittenen »A l p h a b e t e u n d Ornamente« (München 1883, Verlag F. Bassermann) erklärte der nach außen sonst so Wort karge »Anfänglich beabsichtigte ich nur, einige der reizenden alten Alphabete den Forderungen unserer Zeit entsprechend umzuge stalten und fehlende Buchstaben zu ergänzen; so entstand ein Teil dieser Blätter. Dann begann ich selbst zu komponieren und er zeugte die übrigen«. Es ist die Methode, die ihn schließlich zu seinen Schrift schöpfungen führte. Er dringt auch hier mit zäher Energie in be währte Grundformen ein, bis ihm auf einmal etwas Neues lebendig geworden ist. Als im Jahre 1901 die umsichtige und rührige Gießerei von Genzsch L Heyse in Hamburg die »N e u - d e u t s ch e Schrift« herausbrachte, war jedenfalls die einzige Tat geschehen, die den charakterlosen Unwert aller jener »historisch echten« typo graphischen Schwächlichkeiten aufzudecken vermochte. Neben all diesen epigonenhaften Nachbildungen stand auf einmal etwas Echtes. Diese Schrift war auf einen schmalen Kegel gesetzt und so etwas fett geraten. Das Gestaltungsprinzip war hier, den Buchstaben in den Rahmen eines länglichen Rechtecks oder vielmehr eines von links nach rechts emporgestreckten Rom- boids zu stellen. Um die Schwärze der schweren Vertikalen zu Paralysieren, wurde versucht, überall lichte Zwischenräume zu schaffen. Da dem Schriftcharakter entsprechend keine Aus dehnung in horizontaler Richtung möglich war, mußte ein Empor- BSrsenblatt skr den Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. trecken der kleinen Zwischenräume bei den Buchstaben b, p, g, d und ähnlichen erfolgen. Während das S durch eine geschickte Aus einanderreckung in diesem Charakter gehalten ist, springt auf einmal das s heraus. Man könnte sich sehr leicht die von links nach rechts emporlaufenden Abstriche an den Buchstaben t, f weg denken, allein es erscheint doch, daß sie gerade bei dieser Schrift als angenehm zierender Reichtum wirken. Dieser Hand entstammt noch eine zweite großgeartete Schrift- chöpfung: die L i t u r g i s ch. Es darf nicht verkannt werden, daß eilt ganzes, weites Gebiet unsres Druckwesens seiner rechten Ausdrucksform ermangelte, daß der Faktor vergeblich seine Muster bücher durchblättern mußte, wenn er einen sakralen, würdevoll ernsten Satz herzustellen hatte. Alle die Bibeln, Gesang- und Gebetbücher, Haussegen, Konfirmationszettel oder Gedächtnis blätter wurden in einer Form dargeboten, die mehr weltlicher Schnellfertigkeit als der weihevollen Würde ihres eigentlichen Gehaltes entwachsen zu sein schien. Es darf daher als ein kultu relles Verdienst bezeichnet werden, wenn die Schriftgießerei von Gebr. Klingspor in Offenbach mit klarem Blick für das Notwendige ich mit dem Künstler an die Schaffung einer solchen Schrift machte, der in Deutschland wie kein anderer hierzu befähigt erschien. Und man darf wohl behaupten, daß in unserer Zeit niemand ein größeres akrales Druckwerk Herstellen kann, ohne sich mit dieser Huppschen Leistung auseinanderzusetzen. Eine solche Schrift wird nicht nach dem Grade ihrer schnellen Lesbarkeit zu bewerte» sein. Wesentlich ist gerade hier, daß die Type den Leser zwingt in ruhiger, eiertäglicher Gelassenheit den gehaltreichen Text in sich auf zunehmen. Ein mystischer Stimmungszauber, wie er uns in den durch figurenreiche Fenster erhellten gotischen Kirchenräumen erfaßt, mag ein solches Satzbild umschweben. Ist in diesem Sinne die »Liturgisch« für uns lebendig geworden, so liegt das an der Natur des Künstlers, der fähig war, Gefühle, die in der Brust eines in sein Schreibwerk verliebten Mönches jauchzten, in den stahlharten Stil eines Maschinenzeitalters umzusetzen. Wenn die »Neudeutschen Schriften« von Hupp die erste reformatorische Tat gewesen ist, so war die von der Rudhardschen Gießerei (jetzt Gebr. Klingspor) geschnittene »Eck- m a n n« die r e v o l u t i o n ä r e Tat. Da wurden einmal Fenster eingeschmissen, Türen aufgebrochen, und kostbar frische Luft durchwehte das Druckgewerbe. Es sind in diesen Jahren viel gute und viel unnütze Worte für und wider Otto Eckmann ge schrieben worden. Meist spielen die Gegner mit einer in der Verlegenheit gesuchten Voreingenommenheit, indem erklärt wird, eine Schrift müsse mit der Feder gezeichnet sein. Bedenkt man aber, welchen stählernen Weg ein Buchstabe von dem gezeichneten Vorbild bis zur fertig gegossenen Type zu machen hat, so muß doch fast von selbst die Einsicht kommen, daß sein technischer Charak ter ganz wo anders liegt. Die »Eckmann« war für die Typographie das nämliche wie die naturalistische Richtung der Zola, Ibsen, Tolstoi für die dramatische und epische Literatur oder die Sezession in unserer Malerei. Auch sie war etwas völlig Traditionsloses, noch nie Dagewesenes, noch nie Erhörtes. Und wie viel luftige Schaumblasen dieses gärenden Mostes auch zerplatzen mußten, dieses grüne Jung-Deutschland hat doch so mancherlei geleistet, das als Pfeilerstück für das Fundament einer neudeutschen Kultur seinen Platz finden konnte. Auch diese Schrift, die mit dem Pinsel so temperamentvoll flott und doch mit so viel technischem Ernst hingeworfen ist, gehört hierzu. Weitere Worte über ihren Wert müßten heute eigentlich müßig erscheinen. Es mag nur an die Bemerkungen des leider so früh verstorbenen und bis heute nicht ersetzten Schriftkenners Dr. G u st a v Kühl erinnert werden: »Nur mit dem Pinsel vermochte er den Buchstaben jene weiche, Pflanzenartig gedehnte und sich biegende Linie zu schenken, die seiner ganzen Ornamentik eigen ist. Dadurch hat sich die ,Eck mann' weiter von den herkömmlichen Schriften entfernt als irgend eine andere. Eine eigentliche .Pinselschrift' ist sie indessen nicht; sie ist mit dem Pinsel nicht geschrieben wie die chinesische — das 701
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