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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.12.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-12-03
- Erscheinungsdatum
- 03.12.1906
- Sprache
- Deutsch
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12518 Nichtamtlicher Teil. ^ 280, 8. Dezember 190«. führung spitz, ohne dabei ins Kleinliche zu verfallen. Seine Bilder sind scheinbar flott hingeschrieben und und von einer wundervollen Harmonie in dem meist auf eine bräunliche Tonart gestimmten Kolorit. Zu seinen besten Schilderungen gehören die Wirtshausbilder mit Zechkumpanen, Darstellungen aus dem Leben der Münchener Kleinbürger, die im Hofbräu den Höhepunkt menschlicher Erfin dungsgabe verehren. So das Bild mit den zwei politisierenden Stammgästen -Die Gemütlichen« (1885), die im behaglichen Beisammensein ihre scheinbar nicht widerstreitenden Meinungen austauschen und dabei fleißig dem Maßkrug zusprechen. Es ist ein Stück intimster Stimmungsmalerei, mit überzeugender Wahr heit und geistvollem Witz dargestellt. Diesem nahe verwandt sind -Die Vierphilosophen-, ebenfalls zwei charakteristische Typen der Spießbürgerwelt am runden Ecktisch und »Die Weltverbesserer-, der Handwerksmeister, der seinem listig dreinschauenden Zechgenossen mit überzeugender Geste Vortrag über die Schlechtigkeit der Welt hält. Die massige Figur der danebenstehenden Wirtin mit in die Seiten gestemmten fleischigen Händen ist ein köstliches Beispiel feiner Beobachtungsgabe. Auf dem ähnlichen Bild »Beim Spiel- (1883) sieht der Schmied den beiden Kartenspielern zu, aus deren in meisterhafter Charakteristik wiedergegebenen Physiognomien man das frohe, siegesgewisse Lächeln des Gewinners und das nach Rettung suchende, grübelnde Gefühl des Verlierers ablesen kann. Es ist begreiflich, daß solche und ähnliche Gegen sätze einen Künstler wie Harburger besonders anregten und immer zu neuen Beispielen reizten, weil sie ihm die beste Gelegenheit boten, seinen scharfen, durchdringenden Blick für das Komische in Bewegung zu setzen. Derartige Motive kehren denn auch oft wieder. Sie beginnen mit der Wirtshausszene »Kontraste-, einem seiner frühesten, noch im großen Format und mit zahlreichen Figuren gemalten Bilder, und setzen sich fort in den kleinen koloristischen Meisterwerken »Alt und Jung-, »Arm und Reich- (1861), usw. Hierher gehört auch »Der Bauerndoktor- (1882), wo der Gegensatz zwischen dem frischen Gesicht des von Gesundheit strotzenden Dorfknaben mit verbundener Backe, der in abwehrender Haltung auf dem Schoße seines ängstlich und stumpfsinnig dreinschauenden Vaters hockt, zu dem stupiden Gesichtsausdruck des alten, ihn betrachtenden Dorfarztes von überwältigender Komik ist. Ebenfalls dem Bauernleben entnommen sind die Dar stellungen »Vor der Gerichtssitzung-, »Ein schwieriger Handel- und »Der Weinhandel- (1882), eins seiner bekanntesten Bilder, ein Wettstreit der Pfiffigkeit zwischen zwei jüdischen Händlern und einem treuherzig gleichgültig dreinschauenden Weinbauern. Ein ähnliches Sujet mit nur zwei Figuren besitzt die Neue Pina kothek in München. Dort hängt noch ein zweites Bild unsers Künstlers, das wir eingangs dieses Artikels bereits erwähnten: »Leaux restss- (1890): ein alter Zecher in Hemdärmeln steht an einem großen Faß und blickt wehmütig in einen leeren Krug. Solcher einsamen Zechbrüder hat Harburger eine ganze Reihe gemalt, in allen Stellungen und Stimmungen, einmal in ruhiger, stiller Behaglichkeit, dann wieder in ausgelassener Lustigkeit, beim Maßkrug und beim Weinschoppen, am Tisch, am Faß und auf dem leeren Faß sitzend. Diese Bildchen erinnern stark an Brouwer, sowohl in ihren Darstellungen als auch besonders in dem meisterhaften, in einem warmen bräunlichen Gesamtton ge haltenen Kolorit. Neben all den dummpfiffigen Bauern, neben den Lumpen und Trinkern hat Harburger aber noch eine andre, reinere Atmosphäre gekannt und eine bessere Welt gemalt: sittsame, fleißige und anmutige Bauerndirnen und Bürgermädchen bei der Arbeit, nette unschuldige Kindergestalten und Damen voll Grazie und Eleganz. Allerdings sind sie in der Minderheit, aber mit demselben gesunden Realismus und warmen Empfinden wiedergegeben wie alle seine Werke. Da ist die köstliche Idylle »Am stillen Herd- (1833), im Besitze des Kommerzienrats Spindler in Berlin, eine junge bäuerliche Näherin in ihrem Küchenwinkel, ferner die Küche mit den -Rübenschälerinnen« (1884), im Besitze des Herrn Dietrich in Mainz, und das in der technischen Behandlung ausgezeichnete Pastellbild »An der Mutterbrust« (1887), eine anmutsvolle Komposition von feiner Naturbeobachtung. Das feinste Stück in diesem Genre ist »Die Näherin« (1884). Durch das geöffnete Kammer fenster strömt da« zarte Grau des Morgenlichts voll auf daS rothaarige, echt bayerische junge Mädchen, daS an einem weißen Ball- oder Brautkleide arbeitet. Geschickte Massenverteilung und der geistreich pikante Vortrag gestalten dieses Bild zu einem kleinen Meisterwerk der stimmungsvollen Jnterieurmalerei. Auch als Zeichnung hat er dieses ansprechende Motiv wiederholt mit der Unterschrift: »WaS schaffst du, o fleißiges Mädchen? Was nähst du so emsiglich — sprich!« »Ein Brautkleid, das mach' ich für andere, Ein Sterb'kleid, das mach' ich für mich.« Damit kommen wir zum Zeichner und Illustrator Harburger und zeigen gleich an diesem ersten Beispiel, wie tief ernst und gemütvoll sein Humor sein kann. Von dem landläufigen Begriff der Karikatur, von einer grotesken Übertreibung besondrer Eigen- rümlichkeiten de- Modells sind seine Figuren weit entfernt. Des Künstlers hoher Respekt vor der Wahrheit in der Natur hielt ihn auch in seinen ausgelassensten Erfindungen frei von aller Ver zerrung und unsinnigen Übertreibung. Er zeichnete nur. was er sah und wie er eS sah und wie wir die Personen auch sehen; jeder Kopf und jede Figur ist solid und ohne alle Mätzchen durchgeführt, alles Dargestellte erscheint körperhaft und lebens wahr, und gerade durch diese überzeugende Natürlichkeit entstehen Wirkungen von höchster komischer Kraft. Wenn man ihn verdientermaßen als einen der originellsten, vielseitigsten und beliebtesten Mitarbeiter der Fliegenden Blätter bezeichnet«, so hatte er das neben seinen hervorragenden künstlerischen Qualitäten ganz besonders seiner wunderbar scharfen und durch dringenden Beobachtungsgabe zu verdanken, die ihn die geeigneten Modelle finden und die komischen Seiten des Lebens in den Situationen der Wirklichkeit erkennen ließ. Das große Geheimnis seines Erfolges bestand in der ganz persönlichen, geistreichen Art, wie er die Figuren und Charakterköpfe vor den Beschauer hinstellte, meist ohne jedenHintergrund, ohne die geringste räumlicheUmgebung, ohne alles den Blick ablenkende Beiwerk, wodurch die komischen, die zum Lachen reizenden Züge schon vermöge ihrer unvermittelten Erscheinung, ihrer eminenten Frische und Schlagfertigkeit stärker betont werden und überraschend wirken. Harburger geht darin seinen eignen Weg und hat sich einen besondern Stil geschaffen. Dazu kommen dann noch das bedeutend weitre Gesichtsfeld und der größere Darstellungskreis, den der Zeichner vor dem Maler natur gemäß voraus hat. Wohl treffen wir in seinen Zeichnungen alle die von den Gemälden her bekannten Typen häufig wieder, daneben aber noch eine lange Reihe von anderen drolligen Käuzen auS allen Gesellschaftsschichten, fast immer in komischen, schon an und für sich die Lachlust herausfordernden Gegenüberstellungen. Man sehe daraufhin nur einen Band Fliegende Blätter durch oder noch bester das entzückende Harburger-Album mit den fünfzig Sonderabdrucken der prägnantesten Zeichnungen. Hier in ihrer eigenen Gesellschaft wirken sie viel intimer, weil sie auS der störenden Umgebung des übrigen Inhalts, der fremden Illustra tionen und Witze herausgehoben sind. Andere Humoristen haben ebenfalls Bierstudenten und Polizeidiener, Professoren und Kellnerbuben, Schusterjungen und Protzen, Kommerzienräte und abgewirtschaftete Lebemänner usw. gezeichnet, aber doch nicht mit solch überzeugender Lebenswahrheit, nicht mit gleich köstlicher Ironie, wie unser Harburger es tat. Seine künstlerische Eigenart ist milde und versöhnlich, wo andre beißend und ätzend wirken; dadurch erzeugt er ein dauernderes Wohlbehagen, als es das fratzenhafte Zerrbild der Karikatur zu erzeugen vermag. Und dieses Gemütliche und Herzerfreuende ist ein weiterer Vorzug seiner unnachahmlichen Kunst und hat eben falls zu der allgemeinen Beliebtheit beigetragen, deren sie sich in allen Kreisen der zivilisierten Welt erfreut, überall, wohin die Fliegenden Blätter kommen, hat der Name Harburger einen guten Klang, und sein früher Tod wird die große Lesergemeinde schmerzlich berühren. Er hinterläßt eine Lücke, die nicht auSzu- füllen ist. Reproduktionen nach Edmund Harburger: Altes Weib. Photographie, Kabinett-Format 1.— Vereinigte Kunstanstalten A.-G., München.
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