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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.06.1907
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- Erscheinungsdatum
- 12.06.1907
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- Deutsch
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Verlag von Georg Merseburger Leipzig, Querstratze 27. Im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung schreibt Ernst Zahn über Hans Aanrud's Sidsel Langröckchen Erzählung. Preis M. 2.25 brosch., M. 3.— gebd. Es ist doch so, daß Bücher unsere besten Freunde sind! Man liest sie, stellt sie in den Schrank und holt sie wieder hervor, wie sie in die Stunde passen. Sie warten geduldig, bis man ihrer bedarf, und sie beginnen erst zu reden, wann Herz und Ohr für das offen sind, was sie zu sagen haben. Wenn ich inskünftig will, daß die Wände meiner kleinen Stube sinken, daß mir sein soll, als läge ich aus der grünen Alpenwiese, die ich hoch oben im Berg hinter meinem Hause weiß, im wundervoll klaren Abendlicht, werde ich das Buch von Sidsel Langröckchen zur Hand nehmen. Etwas Freies, Weites, Sonniges ist in diesem Buche, das Köstlichste, was an einein Kunstwerk überhaupt sein kann, daß cs dem, der es ge nießt, die Empfindung gibt, er wandle aus seines Alltags Engen hinaus in ein Sonntagsland. Sidsel Langröckchen ist das kleine Töchterlein einer armen Witwe, deren Hütte auf dem Berge liegt und von einem Spott vogel den Namen Schloß Guckaus erhalten hat. Von der kranken Mutter wird das Kind, das in drollig langem Kleidchen geht, mit dem von ihr gesponnenen Garn zu Kjersti Hosl, der Großbäuerin, ins Tal geschickt. Letztere findet Gefallen an dem Mädchen und nimmt es, als die Mutter bald daraus stirbt, auf ihren Hof. Wie Sidsel auf Hosl heimisch, Hirtin wird, zur Alp fährt, dort zwei Hüterjungen sich zu Freunden gewinnt, bis Kjersti sie schon gleich nach ihrer Konfirmation zur Sennerin auf Hoslalp macht, das bildet den kurzen Inhalt des schlichten kleinen Buches. Aber mit wieviel Poesie sind die einzelnen kurzen Abschnitte durchwoben! Wie köstlich ist gleich die Einführung: Bär, der Hofhund auf Hosl, sitzt frierend auf der Türtreppe, als Sidsel daherkommt. Das kleine Ding fürchtet sich vor dem Hunde, und als dieser den Milcheimer beschnüffelt, den sie am Halse trägt, weicht sie zurück und purzelt hin. Das alte kluge Tier aber springt zur Seite, läuft ein Stückchen Voraus, sieht sich um, blinzelt freundlich mit den Augen und wedelt mit dem Schwänze, um die Kleine zutraulich zu machen. Mit wenigen Worten sind Kind und Hund charakterisiert. Die Kunst, in kurzen Strichen ein deutliches und schönes Bild zu geben, eignet dem Dichter überhaupt in hohem Maße. Es finden sich noch mehr so fein gezeichnete Tiertypen wie Bär der Hofhund in seinem Buche. Da ist die Kuh Büros und vor allem die eigensinnige Ziege Krumm horn, die den Größenwahn hat, eine Kuh sein zu wollen, ja einmal sogar den Pferden sich gleichzuachten wagt. Den Höhepunkt der Er zählung bildet für mich die Freundschaft Sidsels mit den Hüter jungen Jon Högseth und Peter Lunde. Die erzählende Literatur hat wenige Schilderungen von der Feinheit und dem Poesiegehalt der Szenen, die Sidsel mit Jon und Peter zusammenführen. So gleich zu Beginn ihrer Bekanntschaft: Jon und Peter glauben auf der Alm einen neuen Kameraden zu finden, und nun steht nur Sidsel, das winzige Mädel, vor ihnen. Sie raten ihr grimmig ab, sich auf ihr Hülergebiet zu wagen, wenn sie nicht wolle, daß Jakob, ihr Bruder, 'die Prügel bekomme, die sie ihr nicht geben können, und nachher beruhigt sie doch jeder von beiden hinter dem Rücken des andern, es sei nicht so böse gemeint! Dann das Kapitel: „Auf der Herspitze", da die drei Kinder auf den Berg steigen, auf dem der König gewesen ist, oder endlich jene wundervolle Dar stellung, da Peter Lunde die Heranwachsende Sidsel fragt, ob sie wolle, daß er Jon, dem Kameraden, nach Amerika folge, und die in die Worte ausklingt: Sie, Sidsel, saß lange mit niederge schlagenen Augen; dann sah sie plötzlich auf, richtete die blauen Augen auf ihn und sagte rasch und bestimmt: „Nein, das will ich nicht!" Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß Aanruds Buch eine Menge prachtvoller Naturschilderungen enthält; es ist selbstver ständlich, nachdem von jenen gesagt wurde, daß es dem Leser die Empfindung eines Manderns durch sonnige Weite gebe. An einer oder zwei Stellen, so vielleicht in Abschnitt „Wenn das Vieh auf die Weide gelassen wird", gerät der Verfasser ein wenig ins Breite; aber man ist kaum dazu gelangt, das bedauernd zu bemerken, so fesselt einen schon neu seine reizvolle Art des plaudernden Erzählens. Die Geschichte von Sidsel Langröckchen ist in der Schweiz noch nicht bekannt. Ich müßte mich schwer irren, wenn sie nicht auch bei uns bald zu einer Lieblingslektüre der Großen wie der Kleinen würde. Ich möchte wünschen, das; Tausende danach griffen. Es wird ihnen sein, als hätten sie ein Fenster aufgetan, um die Sonne einzulassen. Sidsel Langröckchen wäre ein Buch für den Verein für Verbreitung guter Schriften. Es sollte dem Volke zu eigen gegeben werden. Ernst Zahn. oGrs Von dieser Anzeige lasse ich Sonderdrucke Herstellen, die ich den Herren Kollegen, die sich für „Sidsel Langröckchen" interessieren, gern gratis zu Propagandazwecken zur Verfügung stelle. Für die zahlreichen anerkennenden Schreiben der Herren Kollegen einstweilen an dieser Stelle herzlichen Dank. Barzettel mit Einführungsangebot liegt bei. Hochachtungsvoll Leipzig, Mitte Juni 1907 Georg Merseburger. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. 785
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