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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.06.1907
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- Erscheinungsdatum
- 06.06.1907
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- Deutsch
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li754 Börsenblatt s, d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil parzers, die Erlaubnis, »Bücher öffentlich verkaufen und ausleihen zu dürfen«; !784 erhielt er die Konzession als »Büchertrödler«, endlich 1788 wurde ihm eine »Buch- Hand,ung verliehen unter gleichzeitiger Hinweggebung seines Tandlergewerbes«. Nun verschwinden die alten Bezeichnungen, nun wird in 8 13 den Buchbindern und Trödlern (Tandlern) aus drücklich der Handel mit Büchern untersagt, nun wird auch eine reinliche Scheidung der Befugnisse des Buchdrucker gewerbes von jenen des Buchhandels vorgenommen und den Buchdruckern nur das Recht des Selbstverlags zugestanden. Das Wiener bürgerliche Buchdrucker-Gremium erhob gegen diese Beschränkung eine alleruntertänigste Bitte, ein Majeftäts- gesuch, in dem mehrmals von den »vorhandenen, so strengen Druck- und Zensurgesetzen und von dem dadurch n eder- gedrückten und schüchtern gemachten Geiste der Schriftsteller« die Rede ist. Die Buchdrucker erbaten das unbeschränkte Recht auf Verlag, jedoch erfolglos, und es ist gewiß von Interesse, zu erfahren, daß dieser Kampf der Buchdrucker vor Jahren wieder ausgenommen und 1904 durch ein Er kenntnis im Sinne des Grundsatzes von 1806 entschieden wurde: Zum Buchverlage ist mit Ausnahme des Selbst verlegers nur der Besitzer einer speziellen Verlagskonzesston ermächtigt. Es war — 1806 — just keine schöne Zeit für die geistige Ware. Selbst im Stamm- und Mutterland des deutschen Buchhandels klagte man über die Einwirkung der Kriegsjahre. »Niemand kauft«, so schrieb anfangs 1807 der Verleger der Klassiker Göschen (er selbst ein Klassiker unter den Verlegern», — »Bücher, die jetzt erscheinen, würden in der Welt nichts mehr zu tun haben, sie würden lebendig begraben sein. Wir müssen warten, bis der Horizont sich klärt und die Leute wieder lesen mögen.« Nicht leicht ist es, sich einen deutlichen Begriff von dem damaligen Betrieb, Charakter und Umfang des Buchhandels zu machen. Ein Jahr nach dem Erscheinen der Buchhändler ordnung (1807) konstituierte sich die Korporation der Wiener Buchhändler; wie erwünscht wäre es, einen verläßlichen Bericht über die erste Korporationssttzung zu lesen; leider ist er nicht auffindbar oder nicht zugänglich! Buchhändlerische Fachblätter gab es damals nicht, und die Journale nahmen von dem unwesentlichen Ereignisse keine Notiz. So sind wir auf zeitgenössische Briefe, Berichte und einige öffentliche Dokumente angewiesen. Aus dem erwähnten Majestätsgesuch der Buchdrucker geht hervor, daß der Wiener Buchhandel teilweise noch von den alten Formen des Tauschhandels beherrscht war, heißt es doch darin: »Es ist bekannt, daß kein Buchhändler die Verlagsartikel anderer Buchhändler oder Buchdrucker bar be zahlt; sondern der eigentümliche Handel besteht darin, daß er für die übernommenen Artikel eine Partie von seinen Büchern gibt und umtauscht«. Wie groß mag die Anzahl der Buchhändler gewesen sein, die dieser ersten Korporation angehörten! Wohl kaum mehr als zwei Dutzend, denn noch 1791 gab es nur 21 Wiener Buchhandlungen, die in Leipzig, dem damaligen und heutigen Zentralpunkt, ihren Kommissionär hatten. Der Wiener Buchverlag beschränkte sich auf Schriften von ganz lokalem Gebrauche: Almanache, Kalender, einige theologische, juridische und medizinische Werke, wählend die Geschichis- literatur verpönt war. Wie hätte sich auch ein ansehnlicher Verlag entwickeln können, da auf allen Druck-Erzeugnissen die willkürliche, regellose Allgewalt des Zensors lastete! Wo Gesetze fehlen, da stellen Verordnungen sich ein. Nach der General-Zensurverordnung vom 30. Mai 179ö durfte »Nie mand auch nur das mindeste in Druck legen, ohne zuvor das Manuskript in einer lesbaren Schrift und richtig pagi 129 6. Juni 1S07. niert, auch mit einem weißgelassenen Rande versehen beim Revistonsamte eingereicht und die Zulassung zum Druck er reicht zu haben«. Mit dieser Verordnung trat das Bücher revisionsamt ins Leben, das u. a. den direkten Verkehr der gebildeten Leser mit den literarischen Erscheinungen Deutsch lands und Frankreichs beschränkte. Die Übertretung dieser Verordnung wurde mit folgenden Strafen geahndet: 1. Konfiskation der ganzen Auflage, Ver nichtung derselben und Zerstörung des Satzes. 2. Gewerbe verlust. (!) 3. Eine Geldstrafe von 50 fl. für jedes Exemplar, im Nichteinbringungsfalle Freiheitsstrafe und zwar ein Tag Arrest für je einen Gulden. Recht schlimm war es auch mit der Einfuhr der Bücher aus Deutschland bestellt; nicht Wochen oder Monate, sondern Jahre vergingen mitunter, bis Novitäten auf literarischem oder philosophischem Gebiet über die Grenze hereinkamen. Zur Niederschrift des jahrelang geplanten Werks: »Die Kritik der reinen Vernunft« brauchte Kant vier Monate. Fünf Jahre, nachdem dieses Werk in Deutschland das größte Aufsehen gemacht hatte, schrieb der Wiener Barnabitenpater Petermann an seinen Freund Reinhold, daß er Kants Kritik der reinen Vernunft in keinem Laden unserer Buchhändler aus findig machen konnte; sofort verallgemeinert er die Anklage: »Ich versichere Ihnen, manches Buch muß über ganz Deutsch land verbreitet und in die Hände fast jeden Mannes von freier Erziehung gelangt sein, das vielleicht nur sehr wenig Personen in Wien bekannt geworden ist« Der Waffengang im Jahre 1809 fiel nicht glücklicher aus als jener vom Jahre >805, und wieder beschloß ein opfervoller Friede ein trauriges Kapitel österreichischer Ge schichte. Eine Zeitlang schien es, als ob staatsmännische Einsicht Möglichkeiten des Fortschritts zulassen wollte. Josephinischen Geisteshauch spürt man aus der Vorschrift für die Leitung des Zensurwesens vom 14. September 1810: »Kein Lichtstrahl, er komme woher er wolle, soll in Zukunft unbeachtet und unerkannt in der Monarchie bleiben, oder seiner möglichen Wirksamkeit entzogen werden«. Solche löbliche Worte blieben — Worte; daß sie nicht in die Praxis umgesetzt wurden, dafür sorgten Metternich und Sedlnitzky. Franz I. war für einen Umbau des Staats nicht zu gewinnen. Nahezu volle vier Jahrzehnte stagnierte das geistige Leben in der Gesellschaft und in der Schule. Niemand durfte es wagen, mit Ideen in die Öffentlichkeit zu treten, die den Regierungsmaximen widersprachen oder Regungen des Liberalismus verrieten, ohne sich die schwerste polizeiliche Verfolgung oder den schärfsten Unwillen der lei tenden Staatsmänner zuzuziehen. Und nur ein Zweig des Buchhandels hatte sich inmitten der Sterilität des öster reichischen Bücherverlags gnädiger Protektion zu erfreuen — der nicht eben rühmliche Nachdruck ausländischer Bücher wurde begünstigt, weil durch ihn die Schöpfungen ausländischer Schriftsteller in der Form verbreitet werden konnten, in der es die Regierung für zweckmäßig hielt. Das geistige Eigen tum war schutzlos, und hüben und drüben wurde skrupellos nachgedruckt; so wurde die Ahnfrau (1817 erschienen) in Prag 1819, in Stuttgart 1822 nachgedruckt; Sappho (1819 erschienen) in Stuttgart 1823, in Köln 1823. Dichter und Verleger mußten die Piraten ruhig gewähren lassen. Für diese Zeilen des ärgsten Geistesdrucks, der obrigkeitlichen Be vormundung, der rücksichtslosen Reaktion gibt es keine ein dringlichere Illustration als die Schicksale der Schöpfungen Grillparzers. Die Ketten, die Grillparzer im Jahre 1828 noch unsichtbar nannte (»die unsichtbaren Ketten klirren an Hand und Fuß«), sie wurden zwei Jahrzehnte später sichtbar und fühlbar für die junge Dichtergeneration in Wien und Prag, für Hartmann, Meißner u. a. Wohlerzogene, höfliche Menschen pflegen, bevor sie for-
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