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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.06.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-06-01
- Erscheinungsdatum
- 01.06.1907
- Sprache
- Deutsch
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-Meine Herren I Da habe ich — und zwar gerade in Ihrem Lande — Stimmen gehört, daß wir unser Programm verheim lichten und mit unfern Zielen hinter dem Berge hielten. Ich verstehe dies nicht. Denn klar und bestimmt liegt unser Flotten programm vor den Augen der Welt. Sehen Sie sich, bitte, das deutsche Flottengesetz vom 14. Juni 1900 an, dessen Bestimmungen von den exekutiven Gewalten nicht überschritten werden dürfen, und Sie gelangen zu einem festen und klaren Bilde über die geplante Stärke der Flotte. Ein Vergleich mit dem Bestände der englischen Kriegsflotte kann aber dem objektiven Urteiler keinen Zweifel darüber lassen, daß unsre maritimen Streit kräfte nur dem Schutze unserer Küsten und unseres Seehandels dienstbar gemacht werden sollen. Weiter wollen wir nichts; dies aber wollen wir mit dem Recht, das jeder großen, vor- wärtsstrebenden und ehrliebenden Nation zusteht. «Sie werden, meine Herren, mich nun vielleicht fragen, ob denn das Deutsche Reich wirklich dieser kostspieligen Vorkehrungen zu seiner Sicherheit bedarf. Werfen Sie, bitte, einen flüchtigen Blick auf die Geschichte unseres Volkes. Sie hat uns furchtbare, un vergeßliche Lehren erteilt. Da ist kein Land in ganz Europa, das unter den Tritten fremder Kriegsvölker so gelitten, so geblutet hätte wie das deutsche. Aus aller Herren Ländern sind sie gekommen, um auf den deutschen Gefilden ihre Kämpfe auszufechten. Um sich diese so überaus traurigen Zeiten lebendig zu vergegenwärtigen, brauchen Sie sich gar nicht in alte Ge schichtswerke zu vertiefen. Nehmen Sie sich in Mußestunden den weltbekannten Roman Simplicissimus von Grimmelshausen vor. Da werden Sie in getreuer Schilderung lesen, wie ein blühendes Land in eine Einöde, fröhlich-schaffende Menschen in Bettlerhaufen verwandelt worden sind. Wo Sie jetzt bei Ihrer Fahrt durch Deutschland blühende Felder, lachende Dörfer, glänzende Städte sehen, — da herrschte das Grauen, die Not, das Elend, Krankheit und totale Verarmung. Und das zweitemal, am Anfang des vorigen Jahrhunderts, sauste die Kriegsgeißel auf Deutschland hernieder, brachte ihm eine Unsumme von Leiden, an deren Lasten manche Gemeinden noch bis vor kurzem getragen haben. Für ein Volk mit solchen Leiden in der Vergangenheit ist die Rüstung eine historische Notwendigkeit. -Trotzalledem werden Skeptiker mir entgegenhalten: Das sind gefährliche Instrumente, die Ihr da besitzt, und sie könnten Euch eines Tages verleiten, für Eure sich so stark vermehrende Bevölkerung nach außen hin Luft zu schaffen. Keine Besorgnis, meine Herren! Es ist ja richtig, daß wir einen jährlichen Zu wachs unsrer Bevölkerung um 8—900 000 Seelen zu ver zeichnen haben. Aber wir brauchen, um uns in unserm Lande wohlzufühlen, doch noch nicht die Theorie Ihres berühmten Landsmannes Malthus anzuwenden. Sie sind jetzt in Deutsch land — gehen Sie hin und fragen Sie im Osten des Landes unsre Gentry — sie wird Ihnen vorklagen, daß sie die Felder nicht ordentlich bestellen, die Ernten nicht einfahren, die Wälder nicht pflegen kann, weil es an Arbeitskräften gebricht. Gehen Sie in unsere Minen und industriellen Etablissements nach dem Westen — Sie begegnen dem gleichen Notschrei — es sind nicht Hände genug da, um die harrende Arbeit zu bewältigen. Fragen Sie endlich in den Städten die Hausfrauen, und der selbe Schrei über Leutenot tönt Ihnen entgegen. Wer dies immer noch nicht glauben will, den verweise ich auf unsre Auswanderungsziffer. Während sic vor einem Vierteljahr hundert sich um 200 000 herum bewegte, hat sie seit den SOer Jahren die Zahl von 30000 nicht mehr überschritten. Das möge Ihnen beweisen, daß wir einer territorialen Ex pansion nicht bedürfen, daß die deutsche Erde noch Raum und Arbeit für jeden neuen deutschen Erdenbürger bietet. -Aber, meine Herren, ich will uns nicht schöner machen, als wir sind — politische Asketen sind wir nicht. Das, was wir brauchen, was wir erstreben, das ist der freie, ehrliche Wettbewerb im Welthandel. Man will in unsrer Politik oft Beständigkeit, Stetigkeit vermissen. Das ist ein Irrtum. Wer sie genau verfolgt, wird leicht den roten Faden in ihr entdecken. Sei es in Asien, sei es in Afrika, überall verfolgten wir nur ein Ziel: die Politik der offenen Tür. Und gerade in diesem Punkt, in dieser Politik, glaube ich, könnten wir uns begegnen und sollten auf Verständnis bei Ihnen rechnen. Denn wo immer England ein Land in seine Inter essensphäre hineinzog — und es ist kein kleiner Teil des Globus, wo dies geschehen — haben Sie niemals die Ent wicklung des fremden Landes darniedergehalten und unterdrückt, wie manche andere Nation es zu ihrem eigenen Schaden getan; sondern Sie haben Ihre Kräfte und Arbeit dafür eingesetzt, die Produktionsquellen des Landes zu erschließen und es der Kultur und Zivilisation näher zu bringen. Von dieser Arbeit schlossen Sie auch andere Staaten in den unter britischem Einfluß stehenden Gebieten nicht aus, sondern ließen sie den gleichen Weg mit Ihnen gehen. Einen der größten Triumphe feierte diese Ihre Politik jetzt in Ägypten. In geradezu erstaunlicher Weise hat der eminente Staatsmann Lord Cromer, nach diesem Prinzips handelnd, es verstanden, das alte Land der Pharaonen zu neuem Leben, zu neuer Kraft zu erwecken. Die Politik meines erlauchten Kaiserlichen Herrn teilt diese Auffassung von den Aufgaben und Zielen, die ein Kulturstaat sich stellen muß. Hier, meine Herren, ist, glaube ich, die Brücke geschlagen, auf die wir gemeinsam treten und uns in gemeinsamer Arbeit die Hände reichen können, ohne daß dadurch Freundschaften und Allianzen, die Ihr Reich mit andern Nationen verbinden, Be einträchtigung zu erfahren brauchen. -Lassen Sie uns, Sie und Ihre deutschen Kollegen als Träger und Dolmetscher der Gedanken und Gefühle des Volkes, in Gemeinschaft mit uns, der amtlichen Welt, lassen Sie uns daran arbeiten, gegenseitiges Verständnis, gegenseitige Achtung vor den Eigenheiten unsrer Nationen zu erwecken, falsche Legenden zu zerstören und ungerechtfertigtes Mißtrauen zu be seitigen. Erheben wir unsre Gläser und stoßen wir an auf die Wohlfahrt, das Gedeihen, die Würde und den Ruhm unsrer Länder: Deutschland und Großbritannien.» Sodann nahm der großbritannische Botschafter Sir Frank Lascelles das Wort; er führte in englischer Sprache etwa folgendes aus: -Euer Durchlaucht, Eure Exzellenzen, Meine Herren! -Man hat mich ersucht, am heutigen Abend zu sprechen, und wiewohl ich aus allgemeinen Grundsätzen erhebliche Zweifel über die Nützlichkeit öffentlicher Ansprachen der Botschafter hege, habe ich doch nicht das geringste Bedenken, dem an mich ge richteten Ansuchen zu entsprechen, da es mir eine Gelegenheit gibt, meine völlige Sympathie mit allem anszudrücken, was geeignet ist, herzlichere Gefühle zwischen der Bevölkerung unsrer beiden Länder zu erwecken. Es ist nur natürlich, daß ein diplomatischer Vertreter die Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zwischen seinem eignen Lande und dem, in welchem er die Ehre hat als Vertreter beglaubigt zu sein, wünscht. Was mich anbetrifft, so wird dieser Wunsch verstärkt nicht nur durch meinen langen Aufenthalt in Berlin als Botschafter, während dessen ich die Gelegenheit hatte, hoch geschätzte Bekanntschaften zu machen, die in manchen Fällen zu persönlicher Freundschaft sich ausgereift haben, sondern auch durch meine früheren Be ziehungen zu Berlin, wo meine beiden Söhne geboren sind, und durch meine Erinnerungen von meinem ersten Besuch in Berlin vor nahezu 50 Jahren. Ich folge außerdem lediglich den Fuß tapfen meines Freundes Grafen Metternich, der bei dem Besuch, den Sie, meine Herren von der deutschen Presse, England im letzten Jahre abstatteten, die Gelegenheit ergriff, in seiner Eigenschaft als Botschafter Seiner Majestät des Kaisers sein Verlangen nach einem bessern Verständnis zwischen den beiden Nationen auszudrücken. Durch dieses Festmahl feiern wir den Gegen besuch von Ihnen, meine Herren von der englischen Presse, und ich habe mit großer Genugtuung die ausgezeichnete Ansprache vernommen, in der Seine Exzellenz Herr von Mühlberg, als Vertreter des Herrn Reichskanzlers und der deutschen Regierung. Sie in Berlin willkommen hieß und sich über die Ziele aussprach, welche beide Länder im Auge haben und deren Verwirklichung zur Herstellung einer Freundschaft führen dürfte, die in keiner Weise den Freundschaften Abbruch tun würde, die jedes der beiden Länder mit andern Ländern geschloffen hat. Seine Exzellenz hat auch auf die feindseligen Artikel auf merksam gemacht, die gelegentlich in gewissen Presseorganen beider Länder erschienen sind, und auch Graf Metternich hat in einer denkwürdigen Rede in London auf eine Atmosphäre von Verbitterung und libelwollen hingewiesen, die seiner An
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