3194 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Künftig erscheinende Bücher. 65. 19. März 1908. Nach den eingegangenen Bestellungen versenden wir in einigen Tagen: Dumala Roman. Geh. 2 Mark, geb. 3 Mark, Lederband 4 Mark Ein neuer Keyserling: ein neues Entzücken aller passionierten Leser, sowohl der Fein schmecker, die die Reize der Kunst und des Stils zu würdigen wissen, als der naiven Leser, deren Freude am Stoff, an der Spannung und am Äbenteuer noch unverdorben ist. Wieder singt Keyserling, wie schon so oft, ein Lied von der sündigen Liebe, und wieder weiß er die Üppigkeit und betäubende Kraft seiner Geschichte mit einer ebenso weltmännischen wie künstlerischen Grazie zu meistern und von jeder Aufdringlichkeit zu befreien. Die Gestalten sind prachtvoll geschaut: der sieche Baron, dem seine junge Frau das Bein kneten muß, der Pfarrer, den ein tiefes, wiewohl provinziell ange hauchtes Kunstbedürsnis über die Enge seiner Ehe hinaus und nach der schönen Baronin begehren läßt, der skrupellose und kühne Nachbar, der sich die schöne Beute nimmt; dazn eine Fülle von Nebenfiguren, die mit einem Minimum von Mitteln zur vollsten Erscheinung gebracht werden. Überaus sein ist es, wie der Pfarrer sein Er lebnis an der Frau durch ihr Abenteuer mit einem andern Mann hat; wie das, was man für gewöhnlich Eifersucht nennt, zugleich eine ganz sublimierte Form von Besitz ist. Wie das Psychologische, so ist auch das Landschaftliche bei Keyserling vom ersten Rang; und seine Fähigkeit, die soziale Gliederung der Menschen darzustellen, feiert in „Dumala" einen besonder« Triumph. Alle die kleinen Schranken, die Fremdheiten, die Verbindungen zwischen den Menschen sind von einem außergewöhnlich feinen Tast sinn gefühlt und zum Gefühl gebracht. Szenen, wie das Mahl der Verwandten zu Ehren des toten Barons, oder die Beerdigung mit der plötzlich zum Schrecken Aller erscheinenden Ehebrecherin sind Kabinettstücke der Schilderungskunst. Wassermann: Der Roman. Neubearbeitete Ausgabe Geh. 4 Mark, geb. 5 Mark, Lederband 6 Mark 50 Pf. Bekanntlich hat Jakob Wassermann eine neue Ausgabe der „Juden von Zirndorf" veranstaltet, die sich von der ersten sehr wesentlich, und nicht nur durch Kürzungen, sondern durch Verbesserungen unterscheidet. Er hat dasselbe jetzt mit seinem großen Roman „Der Moloch" unternommen; eine Arbeit, die dem Dichter Ehre macht und das Zeugnis unablässigen Ringens mit sich selber ausstellt, und die dem Werke selbst zum größten Vorteil gereicht. Der „Moloch" Wassermanns ist einer der größten Versuche des neueren deutschen Romans, die Totalität unseres Lebens im Kunstwerk zu gestalten. Zn dieser Hinsicht und in der Größe des Willens ist das Buch nur mit den Romanen der großen Russen zu vergleichen. Der Inhalt —: ein junger Mensch, den der Zwang einer rein geborenen und rein erhaltenen Natur der Idee der Gerechtigkeit dienstbar macht, gerät im Verfolg seiner Absichten in die Stadt; sie ist der Moloch, mit der Macht, das natürlich sittliche Gefühl des Menschen zu verwirren und seine Kraft zu zersplittern; an ihr hat der Held sich zu erweisen, und an ihr unterliegt er — dieser Inhalt mit allen seinen kulturellen und sozialen Ausbuchtungen hat in der neuen Fassung eine viel straffere Organisation und damit eine erhöhte Wirksamkeit gewonnen. Wassermanns „Moloch" steht fortan in der ersten Reihe der neueren Kulturromane.