^ 278, 1. Dezember 1903. Fertige Bücher. 9949 2 Vossische Zeitung (29. XI. 03): — Nu man to, Jan! Erzählungen ans dein nieder sächsischen und oldenburgischen Volksleben von Ludwig Oldenburg, (Verla,; Lrnft Hofmann u. Lo., Berlin35.) In unseren Lagen, in denen die Produktion an literarischen Schlag wörtern so ergiebig ist, wird viel von „Heimatkunst" gesprochen; aber es war und bleibt eine Seltenheit, daß jemand die Liebe zur Heimat in den Dienst der lebendigen Kunst stellt und mit sicherer Hand ausgestaltet, wovon sein Herz voll ist. Werden wir wieder einmal durch ein Können dieser Art erfreut, recht in der Tiefe des Gemüts erquickt, wie durch das vorliegende Novellenbuch von Ludwig Oldenburg, dann erkennen wir erst dankbar, welche Kraft der künstlerischen Beobachtung und Ehrlichkeit, wieviel Andacht zum Kleinen und Sintt für das Äesentliche dazu gehört, uns landschaftliche Eigenart vertrant zu machen und für das Bodenständige, durch Vererbung und Über lieferung, durch Ort und Zeit bedingte, unsere Empfindung zrt ge winnen. Und noch etwas gehört dazu, was die Meisten übersehen, die die Heimatskunst aus dem Boden zu stampfen glauben, wenn sie die Menschen sozusagen mit der Nase aus das Nächste stoßen. Wer das Eigene, Kleine, Farbig-Volkstümliche Uns lebendig machen will, muß es mit seiner Liebe umfangen, darf aber darin picht be fangen sein; er muß für seine Person Weltblick gewonnen haben, um im Einzelnen, Wunderlichen, individuell Liebenswürdigen das Wesen der Welt zu erblicken; seine Liebe muh zur rückblickenden Sehnsucht geworden sein, um das Naive, worin er ausgewachsen, in der Tiefe zu fassen und das menschlich Typische in allem Geteil der Erscheinungen festzuhalten. Von solcher Art waren und sind die echten literarischen Heimatkünstler unserer Literatur, die in Stil und Naturell so grundverschiedenen Und in der Künstlerseele doch so ver wandten Gotthelf, Auerbach, Wilhelm Naabe, Anzengruber und Rosegger, und von diesem Schlag ist auch Ludwig Oldenburg, dem wir die vorliegenden Erzählungen aus dem oldenburgischen lllld niedersächsischen Volksleben verdanken: ein Mann, der die Menschen seines Heimatsgebietes vonGrund aus kennt, und dessenüberschauendem und eindringendem Sinn nichts Menschliches fremd geblieben, der von der orientierenden Höhe in die herzerfreuenden, fruchtbaren Niederungen zurückkehrt, dem Heimat und Welt konzentrische Kreise der Menschlich keit sind. Als diese Erzählungen zuerst einzeln erschienen, warben sie sich ohne jede Ankündigung und Empfehlung unzählige Freunde, die jede neue Gabe des Erzählers mit Spannung erwarteten; jetzt, da sie zum ganzen gerundet, vor uns liegen, wirken sie als Gesamt bild von Land und Leuten, das zur Freude am prächtigen Detail das Vergnügen an der erschöpfenden Charakteristik von Landschaft und Stamm hinzugesellt. Jede Geschichte ein Kleinod für sich, alle zusammen ein Volksbild niedersächsischen Volkslebens. Der Reich tum an Motiven — in unserer nicht allzu fabelsreudigen Zeit — tut ebenso wohl, wie die sichere Kleinkunst, die doch nicht ins Breite geht, und in der knappsten und geschmackvollsten Form das Charakte ristische herausarbeitet. Da lebt man denkwürdige Menscheuschicksale mit, wie in der Geschichte: „Nu man to, Jan!", die dem Buche den Namen gegeben, die Erzählung von der Macht des tüchtigen Geistes, die es auch in der schlichten Bauernwelt über die Herzen gewinnt, in „Anna Züchters", der Tragödie des Schwachherzigen, der an die Höhe weiblichen Liebesmuts nicht herankaun, in „Eisennacken" und „Harter Sinn", die in die Tiefen felsig starken Naturells hinein leuchten, da erscheinen Volksgestalten im Lichte des edelsten Humors wie „Der Landpastor", wie „Der Bauernbaron und Dorsschulmeister", da offenbaren sich Menschen und Zustände, deren Tüchtigkeit zur Freiheit hinstrebt, in einem anderen Lichte als in dem der äußerlichen Partei einteilungen, da geht auch durch die kleineren Schnurren der Zug zum Bedeutenden, Echten und Entscheidenden hindurch. Blau kann viel aus diesem Buche lernen und doch ist es frei von aller Lehr haftigkeit, künstlerisch keusch, ganz Darstellung und Gestaltung. An dieser Heimatskunst wird alle Welt ihre Freude haben, und nicht zuletzt der Erzähler selbst, der durch Liebe Liebe zu erwecken weiß: sind doch seine Erzählungen Perlen gemütvollen Humors und gediegener Darstellungskunst. A. K Preis: Geheftet: Mk. 3.50; bar Mk. 2.35 Geschenkband: Mk. 4.50; bar Mk. 3.15 7/6 mit 40 o/o. Roter Verlangzettel,