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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.06.1874
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1874-06-01
- Erscheinungsdatum
- 01.06.1874
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- Deutsch
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zu viel thun wollte; gern wäre ich ins Freie gegangen, ich hatte viel vom Rosenthale gehört, aber es regnete immer noch, und ich hatte keinen Regenschirm; einen neuen mochte ich mir hier nicht kaufen, denn das wäre ein Eingriff in die Gewohnheitsrechte meiner Frau gewesen, so ließ ich mich also ins Hotel fahren, verbrachte den Abend niit Briefschreiben und Lesen, und ging frühzeitig zur Ruhe, sehr zu frieden mit mir, die Niederlage von gestern so schön ausgewetzt zu haben. Aber ein eigentliches Mißvergnügen hatte ich doch noch nicht gehabt, der Gedanke störte mich etwas in meiner Zufriedenheit. Nun, es sollte mir am folgenden Tage zutheil werden, wie der Leser bald erfahren wird. Am Montag früh ging ich mit Gustav unter seinem Regen dache — denn der Regen blieb sich consequent — zur Börse, die Ausstellung und Abrechnung zu sehen. Die Ausstellung fand ich vortrefflich, namentlich was Oclsarbendrucke, Photographien, Unter richtsmaterial und Einbände angeht; hier können größere Geschäfte und Verleger gute Studien machen, für meinen kleinen Wirkungs kreis konnte ich keinen Nutzen daraus ziehen. Trotzdem freute es mich, daß die Einrichtung nicht abgcschafft ist, worüber gestern in der Generalversammlung verhandelt wurde; die Ausstellung hat ent schieden Berechtigung, weil Nutzen, Die Abrechnung oben bot vollständig das Bild eines schwär menden Bienenstockes, der geschäftig seinen gewonnenen Honig in den Bau trägt und verarbeitet; welche Summen hier umgesetzt wurden, davon bekam ich annähernd einen Begriff, als mein Com- missionär auf Befragen mir niittheilte, daß er allein in dieser Messe für seine Committentcn etwa 450,000 Thlr. zu zahlen habe. Und wie viele solcher Tische waren da, an denen je einer oder zwei der Commissionäre mit den Verlegern abrechneten! wieviel mag da wohl im Ganzen umgesetzt sein? Uebrigens schien mir die Ausstellung der Tische nicht praktisch zu sein, man konnte sich kaum in den schmalen Gängen aneinander vorhei bewegen, und so wagte ich als müßiger Zuschauer mich gar nicht in den Saal hinein, sondern ließ mir aus dem Vorplatz bei unserm Castellan Bogen das Frühstück munden. Nach 12 Uhr wollte ich einen Geschäftsgang machen, war aber nicht wenig verwundert, alles geschlossen zu finde»; Gustav erläu terte mir später, daß es zu den Eigenthümlichkeiten Leipzigs gehört, daß die Buchhandlungen dort von 12—2 Uhr geschlossen werden und das ganze Personal nach Hause geht. Nun habe ich zwar aus dem geschäftlichen Verkehr die außergewöhnlichen Festtage, die Leip zig zu feiern Pflegt: 2 Bußtage, Rcsormationssest, Scheuersest und Erscheinung Christi zur Genüge kennen gelernt, und richte mich jedes mal danach ein; daß aber der Geschäftsverkehr täglich 2 Stunden in der besten Tageszeit unterbrochen wird, war mir neu. Ich will gar nicht davon reden, daß man wenigstens zur Meßzeit mit Rück sicht aus die Fremden davon eine Ausnahme machen könnte, nein, ich finde den Gebrauch überhaupt nicht gerechtfertigt. In jeder Stadt wechselt das Personal in den Mittagsstunden ab, der Ver kehr wird nicht unterbrochen, und gerade Leipzig sollte auch hieraus ein besonderes Gewicht legen, Leipzig ist unser Hauptverkehrsort, und es ist für die Gesammtinteressen nicht ohne Bedeutung, wenn auch in den Mittagsstunden die Möglichkeit des Ausliescrns, resp, Einholens und Expedirens geboten würde. Das nebenbei. Es war inzwischen 1 Uhr geworden, Gustav und ich hatten denselben Commissionär, wir waren beide bei ihm für 2 Uhr zu dem sogenannten „Committentenesscn" cingeladcn, eine Festlichkeit, von der ich mir viel Vergnügen versprach, die aber für mich in einer Weise verlies, die mir zeitlebens eingedenk bleiben wird. Ich sollte mein Meßbergnügcn haben, man höre nur! Gustav hatte noch in der Stadt zu thun, wir wollten uns beim Conimissionär treffen, und so suhr ich allein zum Gasthos, hieß die Droschke warten, warf mich in meinen Sonntagsstaat, sah auf der Einladungskarte nochmals nach, wo der Commissionär wohnte, und bestieg den Wagen, indem ich dem Kutscher Straße und Nummer nannte, wohin er mich fahren sollte. Der Wagen fuhr und suhr, wir kamen durch schöne parkähnlichc Anlagen, und ich machte im Stillen dem Commissionär mein Coinpliment dafür, daß er sich in einer so herrlichen Gegend angcsiedclt. Endlich jedoch, nachdem wir beinahe eine halbe Stunde gefahren, die Gegend immer einsamer wurde, auch die Uhr nahezu zwei zeigte, wurde mir die Sache ver dächtig, da wir meiner Berechnung nach längst da sein mußten. Ich ließ also halten, und da stellte cs sich denn bald heraus, daß der Kutscher mich falsch verstanden hatte; die Straße lautete ähnlich wie „Rosenthal", die Nummer hatte er ganz überhört, und so war er der Meinung, er solle mich im Rosenthale spazieren fahren. Man denke, bei dem Regen! Jetzt waren wir hinten im Rosenthal, und es war 2 Uhr! Ich befahl, umzukchren; einigermaßen bestürzt leistete der Kutscher auch sofort Folge, machte dabei aber eine so ungeschickte Wendung, daß der Wagen sich neigte, und im nächsten Augenhlicke mit mir im Chaussöe-Graben lag, der Kutscher obenauf. Der Gaul stand glücklicherweise, die Achse aber war gebrochen, und ich hatte bei dem Koboldschießcn einen gehörigen Rippenstoß erhalten. Der Kutscher war flink wieder aus den Beinen und zog mich mit der Entschuldigung: „ei Hcrrjescs, nici liebes gutes Herrchen, das thut Sie mir ja schre leid, daß nur das mit Sie passiven muß" aus dem Wagen, Ich wetterte nicht schlecht; die Lage war peinlich, der Wagen zerbrochen, ich hatte keinen Schiri», und eben begann ein ge höriger Platzregen sich zu entladen. Ich stand da in stummer Ver zweiflung, ein Bild geknickter Hoffnung, Doch ein Mann verzagt nicht, er überwindet muthig auch das Schwerste, Entschlossen trat ich zu Fuß den Rückweg an, in der Hoffnung, doch noch, wenn auch reichlich verspätet, den Commissionär zu erreichen, der mir gewiß mit den nöthigen Kleidern aushelsen würde. Nach einer Stunde raschen Gehens habe ich mich auch glücklich nach der richtigen Straße gefragt, aber, hilf Himmel!, ich habe inzwischen die Hausnummer vergessen! Die Straße ist im eleganten Viertel gelegen, offene Lä den gibt's da nicht, Ivo ich in dem Adrchbuche hätte Nachsehen können, ich beschloß also, auf gut Glück in eines der geschlossenen Häuser zu gehen, und mich nach der Wohnung meines Commissionärs zu er kundigen, Gesagt, gethan. Ich schelle, man öffnet mir, und die Magd weist mich eine Treppe hoch, wo ein Buchhändler wohne, der heute große Gesellschaft gebe; wie er heiße, wisse sie nicht, sie sei erst seit gestern hier im Dienst. „Das hast Du getroffen!" dachte ich. Oben empfängt mich ein festlich gekleideter Lohndiener mit weißen baumwollenen Hand schuhen, „Wohnt hier der Buchhändler" — „Jawohl mein Herr", fällt mir der Mann in die Rede, sowie er nur das Wort „Buchhänd ler" hört, „bitte nur näher zu treten, die Herren sind schon seit einer Stunde versammelt und bei Tafel", Näher treten konnte ich nun in meinem triefenden Zustande nicht so ohne Weiteres, ich bat also, den Hausherrn herauszuruscn. Das geschah, und vor mir stand plötzlich ein mir ganz fremder Herr, der mich nach meinem Begehr sragte. Ich wurde unendlich verlegen, nannte meinen Namen, bat tausend mal um Entschuldigung wegen der Störung, und sragte nach der Hausnummer meines Commissionärs, Nun stellte sich mir der Herr als ein anderer bekannter Leipziger Commissionär vor, bald hatte Frage und Antwort ihm die nöthige Ausklärung über mein Erschei nen gegeben, wonach er in ein Helles Gelächter ausbrach, „Sie können jetzt, verehrter Herr", fuhr er in liebenswürdiger Artigkeit fort, „Ihr Abenteuer nicht besser beenden, als wenn Sic bei mir bleiben, und hier das Committcnten-Esscn, was auch ich heute, wie alle meine College», gebe, mitmachcn. Halb vier Uhr ist es schon, mit Kleidern helfe ich aus; Ihnen kann es ja im Grunde genommen 208*
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