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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.10.1906
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- Erscheinungsdatum
- 12.10.1906
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- Deutsch
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238, 12. Oktober 1S06. Nichtamtlicher Teil. 9975 und Pelze, die wohl die Begehrlichkeit und Spiellust reizen konnten. Schnell scheint die Reklame im sechzehnten Jahrhundert Fortschritte gemacht zu haben; der Nürnberger Stecher Lorenz Strauch hat sogar ein Spottbild auf sie gefertigt und re signiert darunter geschrieben: Wer ietzmaln dem Geld locken und etwas dergestalt verdienen will, muß ryssen seltsam posen und täglich bringen nüwe Spil Wie weit aber die Blüte der Holzschneide- und Jllustrationskunst im sech zehnten Jahrhundert im übrigen der Affiche zugute ge kommen ist, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Daß herzlich wenige Affichen auf uns gekommen sind, ist kein Beweis dafür, daß nur wenige vorhanden waren; denn Plakate sind Konsumtibilien, sind Gegenstände, die durch den einmaligen Gebrauch, das Ankleben, verbraucht werden. Ein Blatt des sechzehnten Jahrhunderts will ich Ihnen noch vorführen, die Einladung zu einer Nürnberger Singschule, die pietätvoll mit dem Porträt des bedeutendsten Meistersingers, des greisen Hans Sachs, geschmückt ist. Im siebzehnten Jahrhundert wird das Aussehen der Plakate stetig ungünstiger. In den Stürmen der Religionskriege gingen Wohlstand und Kultur ständig zurück; auch die deutsche Kunst sank schnell aus ihrer Höhe herab, und dazu kam, daß die Pflege des für Affichen damals fast allein in Betracht kommenden Holzschnitts bei der herrschenden Vorliebe für den Kupferstich ganz vernachlässigt wurde. Was sich an Pla katen erhalten hat, hat meistens der Reklame herumziehender Akrobaten, Zauberkünstler, Menagerien und ähnlicher Schau stellungen gedient. Verschiedene Blätter meiner Sammlung habe ich ausgestellt; eins, das aus dem siebzehnten Jahr hundert stammt, möchte ich Ihnen auch im Lichtbild vor führen, weil es sich auf einen Vorläufer des »klugen Hans« bezieht — der vor zwei Jahren so schmählich durchs Examen fiel, — und daher eine beinahe aktuelle Bedeutung in Anspruch nehmen kann. Das hier gepriesene treffliche »Holländische Pferd sitzet nicht nur auf wie ein Hund, guschet nieder wie ein Hund« und macht alle möglichen andern ähnlichen Kunst stücke, sondern »es verstehet auch die Schlaguhr und den Zeiger so es mit soviel Stößen des Fußes weiset, solcher Gestalt auch das ganze Kartenspiel; kennet auch allerhand Geld, welches bei Menschen Gedenken nie ist erhört worden und kennet auch die Zahl der Augen auf Würfeln« usw. Welches bei Menschen Gedenken nie ist erhört worden! — das Gleiche hat man ungefähr von dem »klugen Hans« gesagt. Im neunzehnten Jahrhundert gewann die Reklame ein neues unschätzbares Hilfsmittel in dem von Senefelder er fundenen Steindruck. Die Meister der französischen Litho graphie der dreißiger, vierziger und fünfziger Jahre haben auch nicht gezögert, ihre Kunst alsbald in den Dienst ge schäftlicher Propaganda zu stellen; zahlreiche Ankündigungen, besonders von Büchern, sind uns von ihrer Hand erhalten. In Deutschland blieben derartige Arbeiten seltene Aus nahmen, weil ein falscher Stolz, eine falsche Auffassung von der Würde seines Berufs dem Künstler verbot, seine Kunst durch Herstellung von Reklamesachen zu »profanieren«. Von zwei trefflichen Meistern, die unbeirrt durch derartige falsche Vorurteile vielfach auf dem Gebiete der angewandten Graphik tätig gewesen sind, will ich Ihnen Blätter vorführen: von Th. Hosemann ein Rennplakat, von L Burger ein Brauerei plakat. Sie sehen, beide Affichen sind rein bildmäßig, eine plakatmäßige Wirkung im heutigen Sinne ist nicht angestrebt. Das liegt einmal an der undekorativen Richtung der da maligen Malerei; sodann entstand ein Bedürfnis nach starken Effekten auch erst mit dem Emporwachsen der Großstädte mit ihrem lebhaften Verkehrsgewimmel, ihrem hastenden, ruhelosen Treiben, und es verging naturgemäß eine ganz beträchtliche Zeit, ehe dem neuen Bedürfnis die neue Form gefunden war. In Deutschland, in dem eigentliche Großstädte erst nach den politischen Umwälzungen der sechziger Jahre entstanden sind, mußte sich dieses Bedürfnis überdies naturgemäß später geltend machen als in Paris und London. Pariser und Londoner Eindrücke waren es auch, die auf Jules Choret, den Schöpfer der modernen Plakatkunst, eingewirkt haben. CH6ret war nicht Berufskünstler, sondern einfacher Litho graph, hatte als solcher jahrelang in Pariser und Londoner Häusern gearbeitet und machte sich im Jahre 1866 in Paris selbständig Er hatte richtig erkannt, daß die damals dort ge bräuchlichen einfarbigen Affichen von mäßiger Größe und rein bildhafter Wirkung ihrem Reklamezweck nur sehr unvollkommen gerecht wurden; er hatte eingesehen, daß in der Gegenwart ein Plakat der stärksten Mittel bedarf, um sich im Getriebe der Straßen und Plätze zur Geltung zu bringen, um auch den hastig Vorübereilenden einen Augenblick festzuhalten, seinen Blick zu fesseln, sich ihm geradezu aufzudrängen. Neben diesem wohlverstandenen Verkehrsinteresse trug aber eine geschäftliche Notwendigkeit dazu bei, ihn auf den rechten Weg zur Schaffung eines modernen Plakatstils zu leiten. Er bemühte sich nämlich zunächst, als Spezialität seiner neuen Firma, die großen farbigen Affichen, die er in London kennen gelernt hatte, in Paris einzuführen. Um aber die Geschäftswelt für seine Neuerung zu ge winnen, durfte er die Preise nicht zu hoch ansetzen; er mußte also, da jede Farbe einen Stein erforderte, also Kosten ver ursachte, mit möglichst wenigen Farben auszukommen suchen. Diese Beschränkung führte ihn dann zu der Erkenntnis, daß man gerade durch Zusammenstellung weniger, leuchtender, in größeren Massen zusammengehaltner Farbentöne die stärkste Fernwirkung erzielen könne. Allmählich lernte er nun seine Kompositionen diesem Erfordernis anpassen, wobei ihm zweifel los die japanischen Farbenholzschnitte vorbildlich gewesen sind. In seiner Anfangszeit hatte er auf seinen Affichen zahl reiche, detailliert ausgeführte Personen und Szenen dar gestellt; nun lernte er auf eine Vielheit von Personen und Gegenständen verzichten und stellte statt dessen eine einzige Figur oder Gruppe beherrschend in den Vordergrund, neben der er alles andre nur schattenhaft aus dem Hintergründe heraus treten ließ; er lernte vereinfachen, beschränkte das Detail und die Schrift nach Möglichkeit, deutete die Modellierung nur an und gelangte so zu Schöpfungen von wahrhafter Großzügigkeit und außerordentlicher Wirkung, die sich auch in dem Gewirr des Pariser Straßenlebens durchsetzen konnten. Da er seinen Blättern auch hohe Grazie und koloristische Schönheit zu verleihen wußte, so fanden nach und nach seine Arbeiten sowohl bei der Geschäftswelt und dem Publikum, als auch bei Kunstfreunden und Kunstgelehrten Anerkennung, Cheret wurde ein berühmter Mann und von Schriftstellern, wie den Goncourts, als Schöpfer eines neuen Kunst zweiges, als König der Affiche gefeiert Zahlreiche Künstler der verschiedensten Richtungen traten in seine Fußstapfen und schufen Werke, die man in ihrer Gesamtheit treffend die Galerie der Straße genannt hat und die zweifellos der maleinst als ein besonderer Ruhmestitel der französischen Graphik der letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts gelten werden. Auch in das Ausland griff die Bewegung über, nach Belgien, nach Nordamerika, nach Italien, nach England. In diesem letztern Land hatte sie eine besondre Schwierigkeit zu überwinden. Hier sah sie sich einem für feine künst lerische Reize weniger empfänglichen Publikum und zudem dem dichten Londoner Nebel gegenübergestellt Folgerichtig haben daher englische Plakatisten, besonders die Brothers Beggarstaffs, die äußersten Konsequenzen des Plakatstils gezogen, die stärksten Wirkungen angestrebt. Der berühmte rote Towerwächter möge als Beispiel dienen. Hier ist die 1310*
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