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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.10.1906
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- Erscheinungsdatum
- 02.10.1906
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- Deutsch
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9510 Nichtamtlicher Teil. 229, 2. Oktober 1906. Dies sind die Lobsprüche, über die die deutschen Anti quare dankend quittieren werden, wenn sie auch einwenden werden, daß es auch außerhalb Deutschlands sehr tüchtige und gelehrte Antiquare gegeben hat und noch gibt. Mir fallen augenblicklich nur von den Franzosen Claudin, Fontaine, Rouveyre ein, nicht zu vergessen den alten Papa Didot, der allerdings kein eigentlicher Antiquar war, doch alle Eigen schaften besaß, die zu einem solchen gehören. Freilich ist die größere Wissenschaftlichkeit des deutschen Antiquars eine Tat sache, die sich daraus erklärt, daß der größere Teil der deutschen Antiquare auf humanistischen Anstalten gebildet ist und somit eine Liebe zu den Wissenschaften, eine Liebe zu den Büchern in seinen Beruf mitbringt. Der deutsche Antiquar muß — wenigstens wenn er es wirklich sein will — ein Liebhaber sein, und daraus erklären sich auch manche geschäftliche Mängel, die dem deutschen Antiquar unleugbar anhaften. Erkennt also Minor gern an, welch treuen Gehilfen die Wissenschaft an dem deutschen Antiquar besitzt, so kann er dies doch nur bedingungsweise zugeben. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, und die Schäden, die Professor Minor an dem deutschen Antiquar entdeckt hat, sollen uns nun beschäftigen. Minor gesteht zu, daß der von ihm präzisierten Aufgabe der deutsche Antiquariatsbuchhandel bis in die letzte Zeit sich stets bewußt geblieben ist. Erst im letzten Jahrzehnt des verflossenen Jahrhunderts sei er von einer Krisis bedroht worden, die er noch nicht ganz überstanden habe. Der Auf schwung der Wissenschaft in Amerika, die Begründung zahl reicher Bibliotheken daselbst, die großen Mittel, die dort zur Verfügung stehen zur Begründung neuer Büchersammlungen und Ergänzungen älterer, sollen die deutschen Antiquare ver anlaßt haben, -nach und nach ihre Kataloge überhaupt nur mehr im Hinblick auf die Dollarwährung zusammenzustellen und Preise zu notieren, die bisher unerhört waren«. Von dieser Preissteigerung seien, soweit die deutsche Lite ratur in Betracht kommt, besonders die ersten Ausgaben und die Drucke der klassischen und der romantischen Zeit betroffen worden; die letzteren noch mehr als die elfteren, weil ja die Romantik, gehoben durch die neuromantische Bewegung, wie der modern zu werden begann. Minor führt einige Beispiele an: Bücher, die bisher 10 Mark gekostet hätten, seien auf 120 Mark hinaufgeschnellt. »Kurz, die Kataloge schwelgten in den großen Zahlen und trugen unsichtbar die Devise an der Stirn: »Tu' du nur genug Geld in deinen Beutel!« Allmählich sei es »wie ein Fieber über die nicht so biederen und lauteren Gehilfen der deutschen Wissenschaft« gekommen. Ja, es sei ihm passiert, daß er »bloß zur Er gänzung der einschlägigen Literatur« eine ganz wertlose Schrift bestellt habe, die mit 2 hoch genug angesetzt war. »Einige Tage später erhielt ich die Antwort, das Exemplar sei leider schon verkauft; aber um 20 würde mir die Handlung ein andres besorgen « Solche Art, Geschäfte zu machen, hätten ihn veranlaßt, während er früher mindestens für 500 alte Bücher aus Deutschland bezogen habe, in den letzten Jahren kaum hier und da einen Gelegenheitskauf zu machen. Minor meint, daß sich die Folgen der geänderten Geschäftsgebaren sowohl auf dem Gebiet der Wissenschaft als auch auf dem des Geschäfts sehr unangenehm bemerkbar machen werden. Der deutsche Gelehrte könne, wenn er nicht zufällig auch Kapitalist sei, die neuerdings geforderten Preise nicht erschwingen. »Kein ordentlicher Professor könnte sich heute eine Bibliothek mehr leisten, wie wir sie vor dreißig Jahren als Studenten von unserm Taschengeld anlegen konnten. Das Antiquariat würde die Fühlung mit der Wissenschaft ganz verlieren. Der Antiquar wäre nicht mehr der Gehilfe des Gelehrten, sondern der Hoflieferant des reichen Lieb habers, der Bücher als Kuriositäten sammelt und unbenutzt stehen läßt.« -j Minor fürchtet, daß der Gelehrte sich nicht mehr die Zeit nehmen wird, die massenhaften Antiquariatskataloge zu durchfliegen, wenn er die Aussicht hat, die Bücher nur mit solchen Preisen angesetzt zu finden, die er sich nicht leisten kann. Grund zu solchen Preisen hätten die Antiquare aber gar nicht; denn es sei nicht der Fall, daß die Einkaufspreise höher geworden seien. »Die Verkaufspreise sind hinauf-, die Einkaufspreise sehr zurückgegangen. Ich wäre gleich bereit, manchem Antiquar die mir entbehrlichen Bücher um ein Drittel der in seinem Katalog vermerkten Preise abzutreten; schwerlich aber wird einer auf das Geschäft eingehen.« Minor glaubt, die Erscheinung der Preiserhöhung nur mit dem Börsenfieber vergleichen zu können, mit einer unter dem Einfluß des amerikanischen Marktes entstandenen Hausse spekulation. Er hofft allerdings, daß, wie andre Epidemien, auch diese vorübergehen wird, und auch im deutschen Anti quariatsbuchhandel scheine die Krisis bereits überwunden. »Allmählich wird man ungefähr doch wieder auf das alte Niveau zurückkommen und einsehen, daß das deutsche Anti quariat nicht bloß seine Ausgabe, sondern auch seinen Vorteil am besten im Bunde mit der Wissenschaft und mit dem ge lehrten und gebildeten Mittelstand erreicht, und daß sein wichtigstes Geschäftsprinzip der rasche und oftmalige Umsatz ist.« Ich habe die Ausführungen des Herrn Professors Minor so ausführlich gegeben, um den Leser instand zu setzen, sich selbst ein Urteil zu bilden. Nachstehend nur einige Be merkungen. Der Standpunkt des Herrn Professors Minor ist doch ein etwas einseitiger, der ja verständlich ist, weil er das Un glück hat, daß gerade die Literatur, die sein Spezialfach ist, von der Preissteigerung besonders betroffen worden ist. Es ist zuzugeben, daß die deutschen Literaturdenkmäler ganz erheblich im Preise gestiegen sind, und daß dadurch Minder begüterten die Möglichkeit genommen oder erschwert wird, sich eine Bibliothek wenigstens der Erstdrucke in diesem Fache zuzulegen. Die Preissteigerung an sich hat aber auch eine erfreuliche Seite; sie beweist, daß heute ein viel größeres Interesse, und zwar in Kreisen, die nicht der Wissenschaft angehören, für die heimische Literatur vorhanden ist. Die billigen Preise, die früher erzielt werden konnten, hatten ja eben ihren Grund in dem kleinen Interessentenkreise, der nur ausnahmsweise über diejenigen, die sich als Gelehrte mit der Literatur zu befassen hatten, hinausging Heute ist dies glücklicherweise anders geworden; der Vorwurf, den man früher in Deutschland dem Begüterten machen konnte, für Bücher kein Geld übrig zu haben, ist, wenigstens in diesem Umfange, nicht mehr begründet. Es gibt eine ganze Masse Leute, die nicht Gelehrte sind, und die doch sammeln. Der Vorwurf Minors, daß diese Sammler Bücher nur als Kuriosi täten sammeln und sie unbenutzt stehen lassen, ist von Herrn Professor Minor durch Beispiele nicht belegt worden. Daß bei Seltenheiten, die doch immer nur in beschränkter Anzahl vorhanden sind, das Wachsen der Nachfrage auch ein Er höhen der Preise bedingt, ist eine wirtschaftliche Folge, die bei Büchern ebenso eintritt wie bei andern Gegenständen. Bei Seltenheiten, namentlich in der deutschen Literatur, aber auch bei Inkunabeln, ist eben nicht nur infolge des Wett bewerbs des Auslandes, sondern auch infolge des Wettbewerbs des Inlandes ein Steigen der Preise eingetreten, das manch mal freilich ein gerechtes Maß vermissen läßt. Ich möchte es nicht eine Epidemie nennen, aber eine Mode, wie ich sie in den langen Jahren, in denen ich Antiquar bin, bei Büchern schon oft erlebt habe. Daß der Antiquar von einer solchen Steigerung auch profitiert, kann man ihm doch un-
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