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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.07.1906
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1906-07-24
- Erscheinungsdatum
- 24.07.1906
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- Deutsch
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.V 169, 24. Juli ISO«. Nichtamtlicher Teil 7125 Kleine Mitteilungen. "Gegen Unsittlichkeit unter dem Deckmantel der Kunst. (Vgl. Nr. 143 d. Bl.) — Die Stimmen Berufener mehren sich, die sich gegen ausgeartete und vorgcschützte Kunst erheben. Dem Urteil Professor Gebhard Fugels (München) gegen un züchtige Darstellungen, das wir in Nr. 143 d. Bl. mitgeteilt haben, tritt mit noch umfassenderer Verurteilung jetzt Professor 0r. Hans Thoma (Karlsruhe) bei. Auf eine Anfrage der -Münchner Neuesten Nachrichten« anläßlich der Gründung des Münchner Vereins zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit antwortet er in einem ausführlichen Schreiben. Der Künstler nimmt darin auf seine Rede in der Badischen Ersten Kammer Bezug, die uns leider nicht vorliegt. Die -Kölnische Volkszeitung entnimmt diesem Schreiben das Folgende: Was ich geredet habe, habe ich im vollen Bewußtsein, von welcher Stelle aus ich dies sagte und welche Verantwortung ich damit übernehme, getan — ich wußte auch, daß ich im Inter esse der Kunst und der Künstler spreche, im Interesse der Frei heit der Kunst, indem es der sehnlichste Wunsch der Künstler sein darf, daß der Zusammenhang, in den Kunst und Unsittlich keit so oft gebracht werden, doch einmal aufhören möchtel Ich sprach für die Befreiung der Kunst von dem Makel der Un sittlichkeit, den man ihr so gern anheftct. — Freilich sagte ich auch, daß auch die Künstler ihr Teil dazu beitragen müssen, um hier eine reinliche Scheidung herbeizuführen, daß auch die Künstler Selbstzucht üben müssen, indem sie sich zu einer Ein ordnung in die Sitten unsers Volkslebens verstehen möchten. Das Schamgefühl ist und bleibt nun doch einmal ein von der Natur gesetzter Schutz gegen die Ausartung einer unbezwing baren Macht, der wir von eben derselben Natur unterworfen sind. — Die Zerstörung des öffentlichen Schamgefühls ist eine schwere Versündigung; denn dies Gefühl ist es doch, das den natürlichen Vorgang veredelt, das das Tierische nicht zu einer Roheit versinken läßt, die dann beim Menschen so sich äußert, daß wir die unschuldigen Tiere beneiden müssen . . . Wir Künstler wollen es der Staatsbehörde, der Polizei nicht erschweren, wenn sie sich gezwungen sieht, die Verbreitung unzüchtiger Schriften und Photographien und deren Herstellung als gewerbsmäßige Unzucht zu erklären . . . Die Verfertiger obszöner Photographien sind nun einmal Jugend- und Volks verderber; sie haben mit der Kunst nichts zu tun, und die Künstler dürfen sie von ihren Rockschößen abschütteln; — ebenso wenig haben die Verfertiger von sogenannten Künstlerakt photographien für die Kunst zu sorgen. Kein Künstler, der sich ernsthaft mit der Darstellung des Menschenkörpers beschäftigt, kann diese Akte brauchen, so daß das Scherzwort enstanden ist, dergleichen Akte seien nur für die Landschaftsmaler gemacht. Man kann nicht sagen, daß die Polizei den Ausstellungen gegenüber zu rigoros ist, — ich habe schon viel mehr ihre Milde nicht begriffen, und ich wäre in Vertretung der Würde der Kunst ganz anders eingeschritten, — ich könnte hier recht krasse Bei spiele nennen . . . Wenn ein Verein gegen Unsittlichkeit sich auf meine Meinung, die ich in der Ersten Kammer ausgesprochen habe, beruft, so kann ich nichts dagegen sagen — das, was ich gesagt habe, ist offen gesagt, ehrlich und ernst, es ist kunstfreundlicher als das Schreien vieler, die um die Beraubung der Freiheit der Kunst jammern. Es gab von jeher auch viele, die Ge dankenfreiheit haben wollten; aber siehe da — es fehlten die Gedanken, als die Freiheit kam. Der Verein will kämpfen ^gegen eine Sache, die nun einmal verderblich wirkt in unserm Volksleben. Ich selber habe es erfahren, daß die unzüchtigsten Photographien schon in die Jugend der Dörfer eingedrungen sind. Ein tiefes sittliches Gefühl lebt noch im deutschen Volk, dies möge noch einmal aufwachen und auch in solchen An gelegenheiten sich als sachverständig erweisen; insbesondere sollen auch die Frauen Hüterinnen dieses sittlichen Gefühls sein und bleiben; das ist deutsche Art — und Gott sei es ge klagt, wenn wir Männer ihnen dies erschweren. Es sind schwere, tief in das Wesen der Menschen eingreifende Dinge, die in einem Kampfe gegen die Unsittlichkeit zutage treten — Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. und es gehört schon der heiligste Ernst und fast göttliche Milde dazu, um hier keine Fehlgriffe zu tun. Nirgends ist die Verwirrung wohl größer als in diesen Dingen. In dies Chaos hinein hat nun einmal ein Christns- wort ein merkwürdig blitzendes Licht geworfen in die Tiefen der Menschenseele hinein; ein Wort, das jeder Verein, der die Unsittlichkeit bekämpfen will, als Losungswort nehmen muß, wenn er nicht mehr Böses als Gutes anrichten will, eines der mildesten und zugleich eines der härtesten Worte, die je ge sprochen worden sind, es ist das Heilandswort, das den An klägern der Ehebrecherin gesagt worden ist: »Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie!« Doch hier handelt es sich um die Kunst, und da verkenne ich die Gefahren gewiß nicht, der ihre Ausübung ausgesetzt sein könnte. — Die Darstellung des Menschenkörpers wird ins besondere für den Plastiker wohl die höchste Aufgabe bleiben müssen — aber das akademische auf den Akt dressiert werden macht den Künstler noch lange nicht aus — und oft will es scheinen, daß das Berufen auf das Höchste in der Kunst, auf die Nacktheit, eine gewisse Armut in der künstlerischen Konzeption zudecken soll. — Überallhin, an Gebäude, an Vasen, Teller, Urnen, Uhren, Brunnen nackte Frauenkörper ankleben kann ich noch lange nicht als eine besondre Kunstentwickelung anerkennen. Der mit sittlichem Ernst schaffende Bildhauer sieht den Menschen körper gewiß nicht als Spielzeug an, mit dem man dekoriert, — und der Beschauer eines edlen Kunstgebildes einer nackten Menschengestalt wird nie lange im Zweifel sein, daß es aus reinem Kunstsinn hervorgegangen ist. Wenn ein Verein sich gründet aus ernsten Männer aller Parteien und Stände zur Bekämpfung der öffentlichen Unsitt lichkeit, und wenn man Einsicht hat in die Gründe, warum solcher Verein entstanden ist, so braucht die Kunst nicht in Sorge zu sein, daß sie dadurch zu Schaden kommen könnte, daß solch ein Verein die Macht oder auch nur die Absicht hätte, ihrem eigentlichen, innersten Wesen zu schaden, — denn die Kunst selbst kann und soll nur eine Erzieherin zu hoher Sittlichkeit sein, indem sie immer bestrebt sein muß, ihrer Natur nach dumpfe Triebe der Begehrlichkeit zu Gebilden geistiger Natur zu erheben, Form, Licht und Ordnung zu bringen in ein Chaos von Ge fühlen, die in der Menschensecle liegen. — Vielfach habe ich schon gefunden, daß gerade unverdorbene Menschen das Nackte in der Kunst mit einer Art von heiliger Scheu ansehen und seine Schönheit wohl empfinden; aber gerade dieser Respekt vor dem Menschenkörper in der Kunst wird durch allzu häufige Anwendung schon profaniert, — und durch photo graphische Naturaufnahmen, die ja doch schon als mechanische Spiegelbilder nicht mehr zur Kunst gerechnet werden dürfen, wird die Sache gemein gemacht — wenn man nicht vielleicht hier auf die durch die Häufigkeit und Billigkeit gegründete Gleichgültigkeit, die sich nach und nach einstellen wird, rechnen will. — Daß auch zuletzt die bösen Buben sich nicht mehr Um sehen nach solcher Photographie — das wissen freilich die Ge winnsuchenden, und sie bringen -Handlung« in die Sache. Wenn auch die Künstler und Kunstfreunde hier nicht bei seite stehen, sondern Mitwirken wollen zur Abwehr, da wo cs sich geradezu um eine Vergiftung unsrer Jugend, unsers Volks lebens handelt, so kann die Kunst nur dabei gewinnen und kann erst recht sich berufen fühlen zur Mitwirkung an der Ver edelung unsrer deutschen Kultur. Nur wenn die Kunst hier mitwirkt, kann sie, wenn je etwa engherzige Anschauungen ihren Werken Unrecht tun wollen, ihre Stimme erheben zur Verteidigung der Freiheit, — die die erhabene Kunst sich frei lich schon von selber zu verschaffen weiß. »Istituto Vsnsto äi ^rti Arakioüo. « — Die »Karstta äi Vovsria.« in Venedig teilt unterm 16. d. M. über die Gründung eines neuen großartigen Instituts der graphischen Künste in Italien folgendes mit: -Gestern, Sonnabend den 15. Juli 1906, wurde im Bibliotheksaale des Senators Nicolo Papadopoli in Gegenwart des Notars vr. Candiani eine Aktiengesellschaft mit einem Ein lage-Kapital von 600 000 Lire (das auf 1 500 000 Lire erhöht werden kann) gegründet, die einem neuen großartigen Unter- 936
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