3824 Fertige Bücher. ^ 86, 14. April 1906, Der Weltanschauungsroman eines ehemaligen Theologen als ein Gegenstück zu Frenfsens Hilligenlei *11 l«) ooooocisrx: Nach den eingegangenen Bestellungen wurde versandt Carl Albrecht Bernoulli, Zum Gesundgarten Roman. Mit Buchausstattung von I. G. Veldheer Brosch. M. 6.— geb. M. 7.— Was? Wieder Schwermut? Dulden muß der Mensch Sein Scheiden aus der Welt, wie seine Ankunft: Reif sein ist alles. Kommt! Mit diesen Worten Shakespeares schließt das Buch, das ein Landsmann von Jeremias Gotthelf geschrieben hat und das so bodenständig und echt ist, voll Ringen nach Erkenntnis, von einer Fülle der Charakterschilderung und des Reich tums des Lebens, wie kaum ein anderer Roman der Neuzeit. Warum sehe ich es in Beziehung zu Hilligenlei? Nicht weil ich zu den hohen poetischen Einzel schönheiten des Frenssenschen Werkes eine Parallele ziehen möchte, — nein im Stimmungsgehalt liegt Bernoullis Hauptvorzug nicht, im Gegenteil, es ist ein alemannisch sprödes Buch, — sondern weil es erfüllt, was Frenssen bei allem Streben nicht erreicht hat, über den zeitgenössischen Roman hinaus, der das persönliche Einzelschicksal schildert, das Leben wieder in Typen, die mehr bedeuten als zufälliges persönliches Leben, zu fassen. Ich sehe in Bernoullis Roman den Ansatz zu einer Weiterentwicklung des modernen Romans im Sinne von Goethes „Wilhelm Meister" über die moderne Stimmungs kunst hinaus. Der Roman verkörpert in dem speziellen Falle einer Auseinandersetzung zwischen medizinischer Scholastik resp. Spezialistentum und der freien Naturheilkunde das Problem der heutigen Menschheit, aus der wissenschaftlichen Erkenntnis heraus ein höheres Menschentum, „ein heilig Land" zu finden. Nicht etwa wie bei Frenssen durch den Persönlichkeitskultus von Christus oder durch moderne Bibelkritik, sondern im Geiste des Humanismus eines Paracelsus und Erasmus, die als §eniu8 loci das Buch, dessen Handlung in Basel spielt, umschweben. Nicht das poetisch verklärte Lebensbild Christi steht am Schluß, sondern das herbe Wort des gnostischen Iohannesevangeliums „Jede Ranke, die nicht Frucht bringt, nimmt der Rebmann am Weinstock weg und jede, die Frucht bringt, nutzt er ans, damit sie mehr Frucht bringe". Nicht scheitert der Mann aus Liebe zu einem Weibe an seiner Lebensaufgabe, wie Kai Jans in Hilligenlei, nein, so feminin ist der Held des Gesundgartens nicht, im Gegenteil, ihm gilt seine Lebensaufgabe mehr als das Weib. Eugen Diederichs Verlag in Jena