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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.06.1906
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- Erscheinungsdatum
- 08.06.1906
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- Deutsch
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130, 8. Juni 1906 Nichtamtlicher Teil. 5687 Das neue Preßgeseh in Rußland.*) Am 26. April (9. Mai) ist das zeitweilige Gesetz über die nichtperiodischen Druckschriften in Rußland, mit kaiserlicher Unter schrift versehen, veröffentlicht worden. Es enthält im wesent lichen folgende Bestimmungen: I. Die Präventivzensur, und zwar sowohl die allgemeine (seitens der weltlichen) als die geistliche (seitens der kirchlichen Behörden ausgeübtei, wird für die in Rußland erscheinenden nichtperiodtschen Druckschriften, sowie auch für die in diesen ent haltenen und auf besonder» Blättern herausgegebenen Kupferstiche, Abbildungen und andere Darstellungen aufgehoben. II. Die Zensurkomitees in St. Petersburg, Moskau, Warschau und Tiflis werden in Komitees in Angelegenheiten der Presse (Preßkomitees) an den genannten Orten umbenannt. III. Die Mitglieder des Zensurkomitees werden in Mitglieder der Preßkomitees umbenannt, und die Einzel-Zensoren erhalten den Namen Inspektor in Angelegenheiten der Presse (Preß- inspcktor). IV. 1. Eine nichtperiodische Druckschrift im Umfang von mehr als fünf Druckbogen muß gleichzeitig mit der Ausgabe aus der Druckerei von dem Inhaber oder Leiter der letzter» dem Preß- komitee oder dem Preßinspektor am Ort in der gesetzlich vorge schriebenen Anzahl von Exemplaren vorgelegt werden. 2. Eine nichtperiodische Druckschrift im Umfang von nicht mehr als fünf Druckbogen darf nicht eher aus der Druckerei herausgegeben werden, als — bei Schriften von nicht mehr als einem Bogen Umfang — nach Ablauf eines Tages und — bei Schriften von mehr als einem bis zu fünf Bogen Umfang — nach Ablauf von sieben Tagen, von der Zeit an gerechnet, wo der Inhaber oder Leiter der Druckerei die gesetzlich bestimmte Anzahl von Exemplaren dem Ortskomitee oder dem Ortsinspektor übergeben hat. 3. Das Ortskomitee oder der Ortsinspektor können alle Exemplare einer zur Verbreitung bestimmten nichtperiodischen Druckschrift mit Beschlag belegen, wenn in dieser Schrift Merk male einer im Strafgesetz vorgesehenen verbrecherischen Handlung enthalten sind — außer solchen Handlungen, die nur auf Antrag der verletzten Personen rc. verfolgt werden. 4. Die Beschlagnahme bezieht sich auch auf die Stereotyp platten und andre Druckgeräte, die zur Herstellung des beschlag nahmten Werks bestimmt sind. 5. Gleichzeitig mit der Beschlagnahme hat das Preßkomitee oder der Preßinspektor die Angelegenheit des beschlagnahmten Buchs dem Gericht zur Entscheidung zu überweisen und in ge eigneten Fällen Strafantrag gegen die Schuldigen zu stellen. 6. Im Falle sich Gründe zu einer strafrechtlichen Verfolgung nicht finden, aber doch in einem dem Gericht überwiesenen Druck werk im Umfang von nicht mehr als fünf Druckbogen Merkmale einer verbrecherischen Handlung enthalten sind, so fällt dieses (das Gericht) das Urteil über die Vernichtung der bezeichneten Druckschrift oder eines Teils derselben, wie auch der Stereotyp platten und der andern zur Herstellung des Werks angefertigten Druckgeräte. V. Das Ministerium des Innern ist berechtigt, überall dort, wo es sich mit Bezug auf die wirklichen Bedürfnisse des Buch drucks nötig machen wird, besondere zeitweilige Preßkomitees zu bilden oder Preßinspektoren zu ernennen. — VII. 1. Wer auf einem nichtperiodischen Druckwerk die An stalt, in der es gedruckt ist, oder die Adresse des Buchdruckers wissentlich falsch angibt, wird mit Gefängnis von zwei Monaten bis zu einem Jahr und vier Monaten bestraft. 2. Wer: a) bei der Herausgabe eines nichtperiodischen Druckwerks dem Preßkomitee oder dem Preßinspektor die gesetzlich bestimmte Anzahl von Exemplaren nicht überreicht; d) ein nichtperiodisches Druckwerk vor Ablauf der gesetzlich be stimmten Frist (s. oben IV, 2) aus der Druckerei gibt; o) eine nichtperiodische Druckschrift ohne Bezeichnung der Druckerei, in der sie gedruckt ist, oder der Adresse derselben herausgibt, wird mit einer Geldstrafe von fünfzig bis dreihundert Rubel belegt. — *) Nach russischen Quellen bearbeitet von T. Pech. Bei Wiederholung der eben genannten Übertretungen hat der Schuldige eine Geldstrafe von dreihundert bis tausend Rubel zu zahlen. Außerdem kann das Gericht bei Wiederholung der unter b angegebenen Zuwiderhandlung bestimmen, daß die Buch druckerei auf eine Zeit bis zu sechs Monaten geschlossen und dem Schuldigen das Recht entzogen wird, während derselben Zeit ein ähnliches Geschäft zu betreiben. VIII. Die Zuwiderhandlungen gegen Punkt a—o des Artikels VII, 2 dieses Gesetzes unterstehen den Friedensrichtern, und an Orten, wo das Gesetz über die Distrikts-Landeshauptleute in Wirksamkeit ist, den Kreismitgliedern der Bezirksgerichte; für Ver gehen aber gegen VII, 1 und den zweiten Teil von VII, 2, sowie für Beleidigungen von Amtspersonen, Amtsbehörden und Amts instituten der Presse sind die Bezirksgerichte zuständig. Soweit das Gesetz. Mit ihm ist zwar die Zensur aufgehoben, aber nicht die Gewalt des Zensors; sie wird nur verändert und die Entscheidung in Preßangelegenheiten liegt künftig nicht mehr in den Händen der Verwaltungsbehörden, sondern der Gerichte. Das ist allerdings ein Fortschritt. Es wird wohl der Reichs duma vorbehallen sein, an Stelle des jetzigen zeitweiligen Preß- gesetzes früher oder später ein endgiltiges zu setzen. An die Duma knüpfen sich überhaupt große Hoffnungen in Rußland, nicht nur in bezug auf die allgemeine Entwicklung des Landes, sondern speziell auch in bezug auf die Hebung der rus sischen Literatur. Es sei uns gestattet, über diese Frage einen Artikel aus -Wolffs Nachrichten für Literatur, Wissenschaft und Bibliographie« (1906, Nr. 17) wiederzugeben, der den Titel trägt i »Der Anfang einer neuen Ära der russischen Literatur«. Der Artikel nimmt auch auf das Preßgesetz Bezug, und dieses letztere wurde am Tage vor Eröffnung der Duma veröffentlicht: »Der 27. April (10. Mai) — der Tag, an dem zum erstenmal die Volksboten Rußlands zusammentraten — ist ein großer histo rischer Tag in der Geschichte des russischen Volks, der eine neue Ära in dieser Geschichte, aber zugleich auch eine neue Ära in der russischen Literatur, eine neue Ära in der Geschichte des russischen Buchs eröffnet. Obgleich schon im Manifest vom 17. (30.) Oktober 1905 der Freiheit des Worts gedacht wird, so haben doch die gleich auf das Manifest folgenden Erläuterungen, Ergänzungen, Auslegungen und Ränke der Bureaukratie diese Freiheit beschränkt und vor allem njcht das Institut beseitigt, dessen Wesen sich mit dem Begriff der Freiheit nicht verträgt — wir meinen: die Zensur. -Die von Tag zu Tag erwarteten neuen zeitweiligen Gesetze über die Presse, die der unbestimmten Lage ein Ende machen sollten, erschienen auch nicht; es blieb alles beim alten. Die Zensur wurde zwar unwillkürlich etwas weniger streng. Vieles von dem, was bisher für -nicht legale Literatur-- galt, erschien jetzt offen in der Presse; vieles von dem, was früher von der Zensur ver boten wurde, wird von ihr jetzt ohne weiteres erlaubt; immerhin ist es noch weit bis zu einer vollen Freiheit des Worts. Diese Freiheit der russischen Literatur wird uns bsschieden sein, erst ans den Händen der russischen Volksvertreter zu erhalten. »Freilich kann selbst das größte Maß der Freiheit, das in der nächsten Zukunft in bezug auf das gedruckte Wort erwartet wird, die Notwendigkeit gewisser — wenn man so sagen darf, die Freiheit vor Mißbräuchen schützender — Gesetze nicht ausschließen. Wie auf allen Gebieten des Lebens sind auch beim gedruckten Wort Mißbräuche, Übertretungen von Grundgesetzen des Lebens der Gesellschaft möglich. Aber über sie zu Gericht sitzen und ab urteilen werden bei einer wahren Freiheit des Wortes nicht die Beamten und Bureaukraten nach ihrem Gutdünken oder nach den Vorschriften ihrer Vorgesetzten, sondern das Gericht wird die Frage lösen, das öffentliche Gericht, auf Grund der Gesetze. Und es unterliegt keinem Zweifel, daß die russische Literatur nach der langjährigen babylonischen Gefangenschaft in dem Labyrinth aller möglichen Zensurregulative und Verbote zu einem neuen, üppigen Leben aufblühen wird. Und jene äsopische Sprache, in der die russischen Schriftsteller während so vieler Jahre reden mußten, wird endlich ersetzt werden durch ein offenes, warmes, kühnes, feuriges, freies Wort. -Freilich auch in den Fesseln der bureaukratischen Beschränkung hat die russische Literatur es verstanden, ihr großes Werk zu verrichten, zu lehren und zu belehren, auf die finstern Seiten des
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