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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.06.1906
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- Ausgabe
- Band
- 1906-06-01
- Erscheinungsdatum
- 01.06.1906
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- Deutsch
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nicht zankte. An diesem Tisch nahm die ganze Familie regel mäßig Antheil, sammt den übrigen Hausgenossen. Den ersten Platz nahm natürlich der Hausherr, der alte Dieterich, ein. Neben ihm zur Linken saß seine Schwiegertochter, eine geborene Madelung aus Gotha, eine sehr gebildete feine Frau, und ihr zur Seite ihr Mann, der sogenannte junge Dieterich, wie er bis an sein Ende genannt wurde. An diesen schloß sich Herr Mößler, der Corrector und Hofmeister des schwachsinnigen zweiten Sohnes, der dann folgte, mit dem dritten Sohne, der als Buchdrucker in der Druckerei arbeitete. Dann folgte der erste Gehilfe Römer und ein alter Buchhandlungsgehilfe, der früher schon in Stettin etabliert gewesen war. Diesem schloffen sich zwei Handlungslehrlinge an, neben denen ich saß, gerade dem alten Herrn gegenüber. Zur andern Seite von mir, links hinauf, saß zuerst Herr Greiling, der Faktor der Druckerei, dann kam die alte französische Gouvernante einer Enkelin des Herrn Dieterich mit dieser selbst. Ihr folgte die liebe alte gebrechliche Hausfrau, ganz bescheiden und demüthig, und neben ihr schloß die Reihe ihre Tochter, Frau Köhler, die Mutter der gedachten Enkelin. Das Essen war einfach, aber gut; nur das Lauchgemiis, das zuweilen auf den Tisch kam, wollte mir nicht schmecken. Sonntäglich wurden zwei Bouteillen Wein aufgetragen, wovon jeder zwei Gläser erhielt, während cs in Frankfurt nur ein Glas gegeben hatte. Mein nächster Vorgesetzter war eigentlich Herr Römer, ein gewandter tüchtiger Arbeiter, aber ein gar brutaler Mensch, der mich meine Schwachheit gar oft empfinden ließ. Unter allen Hausgenossen kam ich mit dem Corrector, Herrn Mößler, am meisten in Berührung.- Zimmer blieb bis zum Frühjahr 1800 in Göttingen. Wie er erwähnt war das Faktotum für untreu erfunden und der junge Dieterich in so schlimme Umstände gekommen, daß er die Leipziger Messe nicht besuchen konnte, weil man für seine Sicherheit fürchtete. Zimmer ging daher zur Begleitung dorthin mit, kehrte aber nicht mehr nach Göttingen zurück Was dieser Passus von den schlimmen Umständen des jungen Dieterich bedeuten soll, ist mir nicht ganz klar, vermutlich war der entlassene Faktor nach Leipzig gewandert, und man fürchtete, daß Dieterich ein Leid geschehen könnte. Der alte Dieterich starb am 18. Juni 1800. Der 1761 geborene älteste Sohn Heinrich, der allem Anschein nach der Buchhandlung schon seit längerer Zeit vorgestanden hatte, war Erbe der Handlung. Wie wir sahen, war er in erster Ehe mit Lotte Michaelis vermählt, die im Kindbett starb 1794 heiratete er zum zweiten Mal. Lichtenberg berichtet uns, daß der alte Dieterich in Gotha bei den zukünftigen Schwiegereltern seines Sohnes weilt, und unterm 16. März 1794 meldet Caroline Böhmer, geborene Michaelis, ihrem Freunde Meyer aus Gotha:'«) »Dietrich war hier sich eine Frau zu erkiesen, und die hat er in Mllc. Friedheim gefunden.- Am 12. August 1794 fand die Vermählung statt, an der der alte Dieterich mit seiner Gattin und auch Lichtenbergs Gattin teilnahmen. Lichtenberg blieb in Güttingen und richtete an das Elternpaar die herzlichsten Segenswünsche:") -Nun großes Heil und himmlischen Segen zu der neuen Verbindung. Ich werde morgen den herrlichen Tag, der mir so viel von der Zukunft hoffen läßt, mit Empfindungen der wahren Freundschaft und des ungeheuchelten Wohlwollens, nach meiner Art, stille, aber doch sehr fröhlich begehen. Der Kork zieher hängt schon am Nagel, so daß ich ihn, ohne aufzustehen, greifen kann. Empfehle mich der Neuvermählten und ihrem ganzen lieben Hause herzlich. Ich freue mich auf den morgen den Tag, denn gerade weil ich nicht in der Gesellschaft bin, so habe ich es ganz in meiner Gewalt, dem Vergnügen die Form zu geben, die mir am besten behagt, und da würze ich es denn ganz nach meiner Art. Dort würde ich zu Nichts taugen. So sehr mich ein solches Glück meiner Freunde rührt im eigentlichen Verstände, und mich stundenlang angenehm unterhält in der ") Caroline, Briefe usw., Hrsg. v. Waitz. I, 143. ") Lichtenbergs Briefe an Dieterich S. 114. Erinnerung, so unerträglich bin ich mir und Anderen, wenn ich gegenwärtig bin.« Bis zu seinem Tode war der alte Dieterich die Seele des Geschäfts, wenn er sich um die Sortimentsbuchhandlung auch nicht viel gekümmert zu haben scheint. Der Sohn scheint nicht die Tatkraft des Vaters gehabt zu haben, und war in den schweren Zeiten, die über die hannoverschen Lande hereinbrachen, dem umfangreichen Geschäft nicht ge wachsen. Er scheint schon bald nach dem Tode des Vaters in finanzielle Schwierigkeiten gekommen zu sein. Arnim, der während seiner Göttinger Studienzeit im Dieterichschen Hause gastlich ausgenommen war und auch seine Erstlingsarbeiten dort verlegte, schreibt am 17. April 1803 an Savigny.") »Man sagte mir, der Buchhändler Dieterich in Göttingen habe zu zahlen aufgehört, sei entlaufen, von seiner Frau ge trennt. Alles schweigt aus Göttingen, also muß ich leider daran glauben.« Clemens, dem Savigny den Brief gesandt hatte, schreibt darauf im August 1803 dem Freunde aus Weimar (Arnim hat das Schreiben allerdings erst 1805 erhalten):") »Dieterich hat von uns beiden noch nichts gedruckt; so viel ich gehört habe, ist die Frau mit den Kindern in Gotha, wie man sagt, sind sie geschieden.« Die Angelegenheit scheint jedoch sehr übertrieben worden zu sein. 1806 wenigstens schreibt Arnim wieder aus Göt tingen, daß Schreiben für ihn bei Dieterich abzugeben seien, und einmal, daß er bei Dieterichs gegessen habe. So fest gegründet wie vordem stand allerdings das Haus nicht mehr da, und es scheint, als ob Heinrich Dieterich auch nicht recht zu wirtschaften verstanden hätte oder krank gewesen sei. 1814 wurde ihm ein Kurator gesetzt und das Geschäft von Gerichts wegen verwaltet. Am 3. November 1814 wurde folgende Bekanntmachung erlassen: »Nachdem Sie aus öffentlichen Blättern die über die hiesige Buchhandlung gerichtlich angeordnete Administration, sowie die Convocation ihrer sämmtlichen Creditoren erfahren haben, halte ich es für meine angelegentlichste Pflicht, die Versicherung zu erthei- len, daß die respectiven Buchhandlungen bey diesen Maßregeln nicht im mindesten gefährdet werden, vielmehr dieselben vorzüglich zu ihrem Nutzen sich ausweisen werden. Da nämlich bloß von Erlangung eines Moratoriums die Rede ist, zu dessen Aus wirkung es eines vollständigen status passivi und aotivi bedarf, die Wirkungen dieses Moratoriums aber ohne völlige Sistirung der Buchhandlung auf die aus den Geschäften entspringenden Forderungen der respectiven Buchhandlungen keinesfalls extendirt werden können, so leidet es keinen Zweifel, wie die befristete Be friedigung der übrigen Creditoren sich in so fern als vortheilhaft darstelle, als auf diese Weise mannigfache Hindernisse, welche bisher die genaue Erfüllung aller gegen die respectiven Buch handlungen übernommenen Verbindlichkeiten erschwerten, völlig wegfallen; und da Herr Dieterich sich freywillig der Administra tion und Disposition über sein Vermögen gerichtlich begeben hat, so existirt auch überall keine Möglichkeit, daß durch neu hinzukommende Schulden dieser einmal eingeschlagene Gang der Administration in irgend einer Hinsicht gestöhrt werden könnte. Ich ersuche Sie daher um gefällige Fortsetzung der alten Verhältnisse, und empfehle mich Ihnen der Curator der Dieterichschen Buchhandlung vr. jur. Planck.« Die gerichtliche Verwaltung währte ein Jahrzehnt, bis 1824. Ein Jahr vorher wurde die nachstehende Mitteilung gemacht: »Bevorstehende Veränderung in den Verhältnissen der Diete- richischen Buchhandlung ist die Veranlassung, daß Madame >») Steig, Achim v. Arnim u. Cl. Brentano. S. 69. -°) Ebenda 97.
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