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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.08.1907
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- Band
- 1907-08-20
- Erscheinungsdatum
- 20.08.1907
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- Deutsch
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^ 193, 20. August 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d, Dtschn. Buchhandel. 8123 Caracci, Giulio Romano, Boucher, Fragonard, Rops, Rowlandson und Beardsley, Beham, Ram- berg und Kaulbach.... aus der Liste der Künstler . . . . nicht streichen, am wenigsten ihre Bilder und Zeichnungen verbrennen. Und doch haben sie alle samt und sonders Erotica geschrieben und gezeichnet, und die Sittlichkeitsfexe nennen sie Pornographen. Ein Künstler kann aber niemals Schweinereien schaffen, denn Kunst adelt, und deshalb mögen manche Werke der Genannten sehr stark erotisch sein; aber wer sie zu den Pornographien rechnen will, beweist nur den absoluten Mangel jeder künstlerischen Auffassungs fähigkeit.« (S. 15.) Hier scheint mir Schindler doch zu weit zu gehen. Man kann das Werk eines Künstlers von Bedeutung aufbe wahren, obwohl es eine Pornographie ist, weil es einen Strich zu dem Charakterbilds dieses Künstlers bildet; aber eine Pornographie bleibt, wenn es eine solche ist, auch dann eine, wenn sie ihr Entstehen einem großen Künstler verdankt. Wenn es nicht nur denkbar, sondern vorgekommen ist, daß ein großer Künstler ein Säufer, ein Perverser, ein Rauf bold, ein Betrüger, ein Verbrecher überhaupt gewesen ist, sollen wir nun auch sagen: Wahre Kunst setzt Sittlichkeit in höherem Sinne voraus, ein wahrer Künstler ist auch sittlich, folglich ist ein Betrug, ein Totschlag, den ein »wahrer« Künstler begeht, sittlich? Wenn ein Künstler »stark erotische« Werke schafft, so wird man stets das Recht, ja die Pflicht haben, zu prüfen, ob es wirklich nur »stark erotische Kunst werke« sind oder »Schweinereien«. Der Künstler ist kein »inäklobilib«, er ist den Sittengesetzen ebenso unterworfen wie andre Menschen. Freilich sind auch die Sittengesetze nichts Feststehendes, sondern wandeln sich nach den An schauungen, und man wird bei der Beurteilung eines Kunst werks den Charakter der Zeit, in der es entstanden, nicht außer acht lassen dürfen. Trotz dieser Meinungsverschiedenheit bin ich mit dem Verfasser einverstanden, daß das, was von einem »wahren« Künstler herrührt, gesammelt wird, da es selbst dann, wenn es nicht einwandfrei ist, zur Charakterisierung des Künstlers und seiner Zeit nützlich ist. Wenn solcher Sammelfleiß von Bibliotheken und Museen geübt wird, wird man sich damit einverstanden erklären können; aber auch diese werden solche Gegenstände unter Verschluß halten — ich erinnere an das Nusso ssArsto in Neapel — und nur Forschern zu Studien zwecken überlassen. Verfasser streift die moderne Literatur und ihre Erotik. Sie enthalten Szenen, »die man selbst bereits erlebt hat, erlebt haben könnte oder — und das ist das Gefährliche — erleben möchte. Die Szenen sind mit Rücksicht auf das Strafgesetzbuch nur angedeutet und überlassen so der Phan tasie, den Rest nach Belieben und Temperament auszu malen«. (S. 34.) Der Verfasser findet, daß auch hier das Eingreifen des Staatsanwalts zu oft und am Unrechten Platze erfolgt. In allererster Linie müßte er »die Phantasie, die erotische Phantasie, konfiszieren, und diese Machtbefugnis hat nicht einmal ein königlich preußischer Staatsanwalt, was doch gewiß etwas besagt«. (S. 34.) Verfasser ist der Meinung, daß nicht die Literatur an der stärkeren Betätigung der erotischen Phantasie schuld ist, sondern daß umgekehrt die erotische Phantasie nach dieser Literatur verlangt! So richtig diese Bemerkung ist, so be dauerlich ist dieses Überwuchern des erotischen Elements in der Literatur, das Vorhandensein eines Übermaßes der erotischen Phantasie im Publikum. Wenn Schind ler meint, man wird, wie man das neunzehnte Jahrhundert das technische genannt hat, das zwanzigste das »neurasthe- nische« und vielleicht auch das »erotische« nennen, so ist das kein Kompliment für unsere Zeit. »Unser unter ständigen Erschlaffungen leidendes Nervensystem braucht Auspeitschungen. Der Alkohol wird von der Wissenschaft als Gift immer mehr diskreditiert; außerdem ist er ein Kunst produkt und leider zumeist ein herzlich schlecht gefälschtes. Die Erotik ist aber ein Naturprodukt « (S. 35) — Nein, Herr Schindler, die Erotik, die erst aufgepeitscht werden muß, ist kein Naturprodukt. Das Naturprodukt, die natürliche Sinnlichkeit, die in jedem gesunden Menschen liegt, bedarf keiner Reizung, sondern eher der Hemmung, die eben die Sittlichkeit und die Selbstzucht darstellen. Man soll nicht die Natur verantwortlich machen für Schädigungen, die die Unvernunft des Menschen verschuldet. Man soll auch einen Reiz, der von Natur schon gerade stark genug ist, nicht noch künstlich verstärken. Und dies ist heute der Fall. Schindler führt an, daß Literatur, die bildenden Künste und selbst die Musik von der Erotik durchtränkt seien. »Die ganze Sezession in der Malerei war nichts andres als eine in Farben umgesetzte Erotik, und zwar jene Erotik, die man als »pervers« zu bezeichnen pflegt.« Wenn ich nun auch dieses Urteil, als hart und besonders als zu allgemein gefaßt, mir nicht uneingeschränkt aneignen möchte, so trifft es doch jeden falls zum Teil zu. Man braucht aber wirklich kein »Sittlichkeitsfex« zu sein, um dieses Überwuchern der Erotik und des Feminismus zu bedauern. Schließlich gibt es doch noch andre Motive zum Handeln, als das rein sexuelle. Eine Änderung und Besse rung erwarte ich nur von der geschlechtlichen Aufklärung, deren Wirkungen ja freilich Zukunfismusik sind, die das jetzt lebende Geschlecht kaum noch spüren wird. Schindler bespricht die neuerdings wie Pilze aufschießen den erotischen Privatdrucke und Reproduktionen künstlerischer Erotik. Er findet, daß bei solchen jeder Mißbrauch, daß das Buch oder das Bildwerk in falsche Hände kommen könnte, ausgeschlossen sein müsse und glaubt die Bildung wirklich wissenschaftlicher bibliophiler Vereinigungen zum Zweck der Herausgabe empfehlen zu sollen. Ich fürchte, daß sich solchen Vereinigungen viele anschließen würden, die weder Kultur historiker noch Bibliophilen sind. Es wäre auch nicht un möglich, daß durch sie die Bücher in Hände kommen, in die sie nicht kommen sollten. Subskribieren doch auch heute Buchhändler auf Spekulation auf die Privatdrucke und setzen sie dann ungeniert unter der Bezeichnung als »seltene und vergriffene Privatdrucke« in ihre Kataloge! Ich fürchte also, die Förderung solcher »Druckvereinigungen« hieße den Teufel mit Beelzebub austreiben! Verfasser streift auch die Reklame, die gewissen Werken durch eine Konfiskation gemacht wird. »Der große Erfolg, den Kahlenbergs .Nixchen', Schnitzlers .Reigen' und andere Bücher hatten, ist nicht zum geringsten Teile dem staats anwaltlichen Übereifer zuzuschreiben.« (S. 5!.) Schindler bespricht ausführlich die Anklage, die gegen ihn infolge einer Denunziation des Bureauassistenten W, Leiste in Wilmersdorf, der sich eine Anzahl wissenschaftlicher wie belletristischer Bücher von ihm hatte schicken lassen, anhängig gemacht worden ist. Sie betraf das Buch: »Der Schrei der Liebe« von Felix Salten. Schindler wurde freigesprochen, nachdem die Revision des Staatsanwalts auch vom Reichs gericht zurückgewiesen war. Das Nähere mag man bei Schindler S. 52 u. f. Nachlesen. Im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 233 vom 6. Oktober 1906 warnte ein Herr vr. Richard Fiedler vor den »Subskriptionsausgaben für die Herren Bibliophilen«. Viele haben s. Z. gewiß diesen Artikel gelesen und Herrn Fiedler innerlich gedankt, daß er so mannhaft für die Er haltung deutscher Art und Sitte eingetreten ist! Nun stellt Schindler fest, daß kurze Zeit nach dem Erscheinen der vom 1060-
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