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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.09.1904
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- Erscheinungsdatum
- 26.09.1904
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- Deutsch
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2L4, 26. September 1904. Nichtamtlicher Teil. 8101 läßt sich bestimmt erwarten, daß der Zwang, auf einfaches Nachahmen zu verzichten, dazu führen wird, daß alle kunst gewerblich tätigen Künstler, Zeichner oder Handwerker ver suchen werden, die Anregungen, die sie in fremden Werken finden, selbständig fortzubilden. Darin ist für die Entwick lung der Kunst und des Kunstgewerbes eine viel größere Garantie gegeben als in der Erlaubnis, fremde Werke nach- zubildem Wenn allerdings das Interesse des Handwerkers geltend gemacht wird, der garnicht fähig ist, aus fremde» Motiven etwas Selbständiges zu schaffen, so wird damit ein Interesse in den Vordergrund gestellt, das tatsächlich nur eine geringe Beachtung verdient. Auch die Tätigkeit des kleinen, nicht künstlerisch schaffenden Handwerkers soll voll gewürdigt werden. Indessen dürfte es doch genügend Mustersammlungen geben, die es solchen Arbeitern ermöglichen, sich aus dem reichen Formenschatz der vergangenen Zeit Vorbilder zu entlehnen. Wenn man aber die Interessen dieser künstlerisch unfrucht baren, wenn auch menschlich sehr achtbaren Handwerker denen des Künstlers als vollwertig gegenüberstellen will, dann leistet man der Kunst und dem Kunstgewerbe einen sehr schlechten Dienst. Der Einwand, daß man die Nachbildung ausländischer Erzeugnisse nicht entbehren könne, ohne das deutsche Kunstgewerbe zu schädigen, muß einem die Schamröte ins Gesicht treiben. Jahrzehntelang hat der Jammer bei uns gedauert, daß deutsche Fabrikanten in Paris jährlich einzelne Stücke gangbarer Neuheiten kauften, in Leipzig als ihre Modelle ausstellten, um Aufträge auf ihre Vervielfältigung zu erwerben. Jahrelang ist es durch diesen Unfug, der auch heute noch in größerm Umfang besteht, als im Interesse unsers Ansehens wünschens wert ist, deutschen Künstlern unmöglich gemacht worden, sich in angewandter Kunst zu betätigen, weil die Massen billiger Nachbildungen ausländischer Werke keine Konkurrenz auskommen ließen und den Geschmack des großen Publikums verödeten. Die barbarische Geschmacklosigkeit, die heutzutage noch stellenweise in unsrer kunstgewerblichen Massen fabrikation zutage tritt, ist zum größten Teil durch den Verzicht auf selbständiges Kunstschaffen und die Skrupel losigkeit in der Nachahmung fremder Erzeugnisse erzeugt und genährt worden. Das Nachbilden fremder Leistungen veredelt nie den Geschmack, sondern nur das Studium solcher Arbeiten und das Streben, selbständig gleich Gutes oder Besseres zu schaffen. Ebenso unbegründet sind auch die Bedenken wegen der zu langen Schutzfrist. Ein Werk, das neue Anregungen bringt, wird auch nach kurzer Zeit frucht bar auf die Phantasie anderer Künstler oder Muster zeichner wirken und wird dazu führen, daß andere weitere Schöpfungen auf der Grundlage der neuen Formvor stellungen geschaffen werden. Gerade die Entwicklung des sogenannten Van der Velde - Stils dürfte ein treffliches Bei spiel hierfür sein; denn zahllos sind die Werke, die sich mehr oder minder eng an die ersten Anregungen Van der Veldes anschließen. Aber eine wirkliche Durchbildung solcher neuen Motive ist doch im Grunde nur da möglich, wo jeder etwas Eigenes hinzutut und die entlehnte Form selbständig zu gestalten sucht. Durchaus unzutreffend scheint mir der Einwand, daß für viele kleine, schnellvergängliche Schöpfungen ein Schutz bis zu SO Jahren nach dem Tode des Urhebers viel zu lang sei. In diesem Einwand, der merkwürdigerweise jedesmal wiederkehrt, wenn die Verlängerung der Ur heberrechtsfristen angeregt wird, liegt ein auffallender Widerspruch. Die Schutzdauer gibt ja nicht eine positive Vorschrift, daß ein Werk bis zum Ablauf der Frist nun tat sächlich vervielfältigt und verbreitet werden soll; sie soll nur Wrienbiattsür de» deutsche» Buchhandel. II. Jahrgang unbefugte Nachbildungen verhindern. Wenn ein Werk seiner künstlerischen Bedeutungslosigkeit halber nur eines kurzen Daseins fähig ist, so wird eben das Bedürfnis nach Nachbildungen nicht vorhanden sein, und es wird niemand geschädigt, wenn das Gesetz dem Werk eine lange Schutz frist gewährt. Man braucht nur an die Analogie der Lite ratur zu denken! Denn wie viele von den 25000 Werken, die jährlich in unserin Buchhandel erscheinen, überdauern auch nur die allernächsten Jahre nach ihrer Veröffentlichung? Wem schadet es, daß nach dem Gesetz die Schutzdaucr erst 30 Jahre nach dem Tode des Urhebers erlischt? So ist es auch auf dem Gebiete der bildenden Kunst, so wird es auch auf dem Gebiete der angewandten Kunst sein. Der Schutz kommt nur denjenigen Schöpfungen zugute, für die tat sächlich noch eine Nachfrage besteht. Solange ein Werk aber noch Ansprache beim Publikum findet, solange ist es auch gerechtfertigt, daß der Urheber gegen unbefugte Aus nutzung und Verwertung seines Werks geschützt bleibe. Für alle Gebiete der Kunst gilt das Wort, das Leonardo da Vinci den Malern vorhält; »Ich sage zu den Malern, daß nie einer die Manier eines andern nachahmen soll, denn er wird, was die Kunst betrifft, nicht ein Sohn, sondern ein Enkel der Natur genannt werden. Weil nämlich die natürlichen Dinge in so großer Fülle vorhanden sind, so will und soll man sich viel eher an sie wenden, als zu den Meistern feine Zuflucht nehmen, die von ihr gelernt haben. Das sage ich nicht für die, welche begierig sind, mittelst der Kunst zu Reichtümern zu kommen, sondern für jene, die von ihr Ruhm und Ehre wünschen, »st Was Leonardo da Vinci im idealen Interesse der Kunst den Malern vorhält, das gilt von der gesamten Kunst, aber nicht, wie Leonardo meint, nur im Hinblick auf die idealen Erfolge, sondern auch aus die materielle Verwertung der Kunst. Denn nur eine aus ergiebigen Quellen originalen Kunstschaffens gespeiste Kunstindustrie kann sich auf dem internationalen Markt den Platz behaupten. Das Nach machen, das Ausschlachten fremder Erzeugnisse bedeutet ein Verweilen und in der allgemeinen Vorwärtsbewegung einen Rückschritt. Es kommt noch hinzu die allgemeine Bedeutung des Urheberschutzes für die Regulierung des Wettbewerbs auf dem Gebiete des Verlags-, Musik- und Kunsthandels und der damit verbundenen Gewerbe. Die Freiheit des Wettbewerbs, die so oft mißbräuchlich dem Urheberrecht entgegengehalten wird, setzt voraus, daß alle Mitbewerber eine gewisse allgemeine Ordnung einhalten und daß die allgemeinen Bedingungen für alle die gleichen sind. Hierzu gehört vor allem das Einsetzen einer eigenen (persönlichen oder bezahlten) Arbeitsleistung. Wer sich eine fremde Arbeitsleistung ohne Gegenleistung aneignet, verschiebt die allgemeinen Bedingungen des Wettbewerbs und über vorteilt die Mitbewerber. Daher wird im entwickelten und geordneten Gewerbe die Aneignung einer fremden Arbeits leistung als ein Verstoß gegen die gute Sitte betrachtet. Wer ein Kunstwerk oder ein kunstgewerbliches Erzeugnis, auf das ein Künstler seine Arbeit und ein Fabrikant Geld aufgewendet hat, nachmacht, vervielfältigt und verbreitet, spart eigene Arbeit und eigenen Aufwand für den Erwerb des Originals und wirtschaftet mit fremder Arbeit und fremdem Geld. Dadurch werden die Bedingungen des Wettbewerbs verschoben, werden Unlauterkeit und Unsicherheit in das Ge werbe getragen. st Leonardo da Vinci, Das Buch von der Malerei, Deutsche Ausgabe von Heinrich Ludwig, Wien 1882, S. 59. 1066
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