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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.02.1906
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- 20.02.1906
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- Deutsch
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1912 Nichtamtlicher Teil. 42, 20. Februar 1906. Gerade aus der Untersuchung gegen Jenisch in Augs burg geht deutlich hervor, daß die Stagesche Buchhandlung in Augsburg im Juni mit einer gedruckten Faktur >12 Exem plare Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung L 1 fl. oder 16 Gr. ord.« erhalten und am 16. Juli davon bereits 9 Exemplare verkauft hatte. Auch aus dem Brief Pechs an Palm nach München ist doch klar zu ersehen, daß die Schrift sowohl in Nürnberg, als bei dem Leipziger Kommissionär mit Berechnung ausgeliefert wurde. Was nun den weiteren Inhalt des Buches von Rackl betrifft, so bringt dieses dann noch Auszüge aus der Schrift »Deutschland in seiner tiefen Erniedrigungr, kritische Streif lichter auf ihren Inhalt, Mitteilungen über Verfasser und Drucker, über das Schicksal der zweiten Auflage, über spätere Nachdrucke und über die Literatur über Palm. Die letzten Kapitel enthalten Angaben über Ursprung und Genea logie der Familie Palm, über die Steirische Buchhandlung in Nürnberg und die Polnische Buchhandlung in München, über Denkmäler und Ehrungen Palms und endlich eine Schlußbetrachtung. Über die literarische Bedeutung der Flugschrift gehen die Urteile sehr auseinander. Während Rackl schreibt: -Mögen auch manche dieser gegen Napoleon und seine Truppen erhobenen Klagen und Beschuldigungen übertrieben sein, mögen auch einzelne Stellen der Broschüre von Oberflächlichkeit und Mangel an politischem Verständnis seitens ihres Verfassers Zeugnis geben, — soviel steht unter allen Umständen fest, daß jene Flugschrift die durch Napoleons Willkür und Ungerechtig keit tatsächlich hervorgerufenen traurigen Zustände Deutschlands und überhaupt Europas im großen und ganzen richtig wieder gibt., sagt Graf Moulin-Eckart: - Darüber hat man aber die Schrift selbst vergessen und die eigentlichen Motive derselben nicht weiter beachtet, ob wohl gerade diese von größter Wichtigkeit und dem Büchlein einen Wert verleihen, den es als ein literarisches Produkt gar nicht hätte.« An späterer Stelle schreibt derselbe Verfasser aber: »Denn weder er noch seine Berater konnten sich verhehlen, daß es sich hier nicht um das gewöhnliche Machwerk eines armseligen Skribenten handelte oder um die hochklingenden Tiraden eines Alarmschreiers, sondern um eine auf reicher Er fahrung und gründlichen Kenntnissen vor allem auf wirtschaft lichem Gebiete beruhende Schrift. Abgesehen von dem Bilde, das er von dem Treiben der französischen Armee entrollte, und das man vielleicht etwas outriert nennen könnte, war sie bei allem verhaltenen Patriotismus ruhig und sachlich abgefaßt. Sie mußte aus alle gebildeten Leser gerade dadurch einen tiefen Eindruck machen. Sie griff schonungslos das ganze politische System Europas an und enthüllte dem Kaiser selbst seine bis herige Entwicklung und seine zukünftigen Pläne. Es wird in der Tat wenig Schriften geben, welche Napoleons Absichten in jener Zeit klarer und deutlicher vor Augen geführt, die sein ganzes Werden besser charakterisiert haben, als dies in diesem Büchlein geschehen ist.« An einer weitern Stelle heißt es dann aber: -Man hat sich ja daran gewöhnt, den literarischen Wert derselben möglichst gering einzuschätzen. Ich kann diese An schauung nicht teilen. Das Libell ist gut und verrät einen zumal auf wirtschaftlichem Gebiet erfahrenen Verfasser«. Und Bitterauf nennt die Schrift »ein gehaltloses Machwerk, das seine Berühmtheit bis zum heutigen Tag nur dem traurigen Schicksal seines Verlegers verdankt. Hätte es der Verfasser wenigstens bei der Rühr seligkeit bewenden lassen, ohne die nach seiner Meinung ein Deutscher die Erniedrigung seines Vaterlandes nicht einmal ansehen, viel weniger persönlich empfinden und öffentlich davon reden durfte! So aber entwirft er ein überaus gehässiges, durchaus unwahres Bild von dem Aufenthalt der französischen Armee in Deutschland, erhebt er gegen Napoleon nicht nur, sondern auch gegen den preußischen Staat so schwere Vorwürfe, daß selbst nach dem Geständnis des der Familie Palm nahe stehenden Grafen Julius Soden keine geordnete Regierung in Friedenszeiten den ganzen Wiederabdruck jener Broschüre hätte gestatten können«. Als Verfasser der Schrift gibt Rackl auf Grund der Angaben Pedrazzis den removierten Konsistorialrat Deliri von Winterhausen bei Würzburg an, der -wahrscheinlich der wirkliche Verfasser der Flugschrift gewesen ist. Freilich, ein völlig einwandfreier Beweis läßt sich dermalen auch für die Autorschaft Philipp Christian Gottlieb Velins nicht erbringen, und da der aufopferungsvolle Palm bis zu seinem letzten Atemzuge den Verfasser nicht angegeben hat und dieser aus begreiflichen Gründen auch nach dem Sturze Napoleons niemals in die Öffentlichkeit getreten ist, so sind wir bezüglich dieser Frage immer noch — und vielleicht für alle Zukunft — auf Vermutungen und Wahrscheinlichkeitsgründe angewiesen-. Graf Moulin-Eckart schreibt: »Wer aber war nun der Verfasser der Schrift, der durch Palms heldenmütiges Schweigen dem sichern Tode entging? Nach neueren Forschungen wird die Schrift dem emeritierten gräflich Rcchtern'schen Konsistorialrat Delin von Winterhausen bei Würzburg zugeschrieben. Ich habe keine Gegenbeweise und möchte deshalb an dieser Behauptung nicht rütteln. Aber bald nach der Katastrophe wurde als Urheber der Graf Julius Soden genannt, welcher der Familie Palm nahegestanden und in der Tat einen Neudruck der Flugschrift, freilich mit einer Reihe von Auslassungen, veranstaltet hat. Dieser sprach auch die Meinung aus, daß keine geordnete Regierung in Friedenszeiten den ganzen Wiederabdruck jener Broschüre hätte gestatten können. Ich kann auch diese Meinung nicht teilen. Die Schrift ist ja eine Kampfschrift und zumal in ihren Urteilen über Preußen äußerst scharf. Aber wenn wir einzelne Urteile Hardenbergs und Steins, geschweige der noch heftigeren Patrioten über Friedrich Wilhelm III. uns vor Augen halten, so müssen wir sagen, daß eben die Entrüstung über Preußens damalige Schwäche eine ganz ungeheure war. Soden war ein eifriger Publizist, dessen zahlreiche Arbeiten sich auf dem Gebiete der Politik wieder Nationalökonomie bewegten. Und wenn man seine Schrift: -Die Franzosen in Franken im Jahre 1796» liest, so wird der alte Verdacht, daß er der Verfasser sei, unwillkürlich wieder rege! Vom literarischen Standpunkt aus ist ihm die Schrift ganz zweifellos zuzutrauen. Ein anderes ist es, ob er als Edelmann das Opfer hat annehmen können, das der ritterliche Palm ihm gebracht. Aber hat er den tragischen Ausgang ahnen können? Wohl kaum! denn Palm selbst glaubte noch am 25. August, am Tage seiner Hinrichtung, da das Gefängnis geöffnet wurde, die Stunde seiner Freilassung zu erhalten. Statt dessen empfing er das Todesurteil. »Da hieß es schweigen unter allen Umständen. Und später — war es zum mindesten peinlich, den Schleier zu lüften.« Graf Soden kann aber als Verfasser, wie ich früher an dieser Stelle bereits hervorgehoben habe (Börsenblatt 1901 Nr. 221), nach dem eignen Geständnis nicht in Betracht kommen, und so ist die Frage der Autorschaft vorläufig noch unentschieden.*) Palm trug die Verantwortung für diese Schrift, und ihm gebührt auch der Ruhm, mit ihr jene Be wegung eingeleitet zu haben, die auch im Süden das deutsche Gefühl wecken, bewahren und stärken half. Durch das ge samte Deutschland ging ein Schrei der Entrüstung und des Abscheus nach der blutigen Tat. Auch Minister Montgelas verurteilte sie: -Waren nun-, schreibt er, -diese unglücklichen Angeklagten wirklich schuldig? Hatte man das Recht, über sic abzuurteilen? Wäre es nicht jedenfalls edler und zugleich politischer gewesen, die Gemüter durch ein auffallendes Beispiel von Milde und, wenn man will, von Nachsicht zu gewinnen, anstatt sie durch ein blutiges Schauspiel zu reizen, welches gleichmäßig der Menschlichkeit und dem Bewußtsein der nationalen Würde Hohn sprach?« *) Ich werde demnächst an andrer Stelle über den Verfasser der Schrift ausführliche, zum Teil bisher unbekannt gebliebene Angaben bringen.
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