Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.02.1904
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- 1904-02-20
- Erscheinungsdatum
- 20.02.1904
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- Deutsch
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Beilage zu Nr. 42, 1904. Besser und vernünftiger: sie ergänzt sie um wesentliche Gesichts punkte. Die Literaturgeschichte, wie entwicklungsgeschichtlich sie auch dabei vorgehe, geht in der Hauptsache von den Werken selbst aus und führt sie, mit besonderer Bevorzugung der wertvollen und wertvollsten, dem Leser vor, wobei naturgemäß UNI so be deutungsvoller, je neuer die Zeit ist und je ausgesprochener die Gegensätze sind viel auf den individuellen Standpunkt des Ver fassers ankommt. Die Berücksichtigung gewisser Gebiete ist der Literaturgeschichte überhaupt so gut wie fremd. Von der eigent lichen Massenliteratur, deren Geschichte doch in der Tat von ganz besonderem Interesse sein muß, gibt sie, sowohl was die Presse, als was das Buch betrifft, eigentlich gar keine Vorstellung; am wenigsten in der neueren und neuesten Zeit — und doch hat rein entwicklungsgeschichtlich das heutige Extrablatt keinen geringeren Anspruch aus Beachtung, als das vergilbte illustrierte Flugblatt der Reformationszeit. Der Geschichte des Buchhandels ist der Ge sichtspunkt einer Norm keineswegs fremd; sie geht aber ihrer Natur nach vom Bedürfnis, der Konsumtion und der Geschichte ihrer Be friedigung aus. Ihr Endzweck ist nicht, die Kenntnis des Inhalts der Werke, besonders der wertvollen, zu vermitteln, sondern die Kenntnis dessen, was man lesen wollte und las. Sie zeigt, welche Schriften am massenhaftesten verbreitet waren. Sie schält die übereinanderlagernden Schichten der Bevölkerung voneinander und stellt das literarische Bedürfnis jeder dieser Schichten fest. Sie geht etwa in Memoiren und Briefen dem nach, was für Bücher ein Gelehrter des 18. Jahrhunderts wohl in seiner Stube stehen hatte. Sie verfolgt mit Hilfe der Statistik mit ganz anderer Ge nauigkeit, als cs die Literaturgeschichte tut, das Auftauchen, An- und Abschwellen, Eingehen der verschiedenen Literatnrgattungen und -strömungen. Sic interessiert sich für die Frage, welche Bücher in zweiter, dritter Auflage usw. erschienen. Sie vergleicht die Stärke der einheimischen mit derjenigen der Übersetzungs- und der jenigen der fremdsprachlichen Literatur. Die Geschichte des Buchhandels will ferner wissen, wie die Eigenart der Zeit sich in der Illustration und Ausstattung der Bücher zeigte. Wie und was wurde illustriert? Welcher Schrift satz wurde bevorzugt, was für Initialen, Bordüren, Leisten, Schlußstöcke, was für Einbände, welche Formate, wie wurden die Kolumnentitel behandelt, und welche Veränderungen machte das alles durch? Wir interessieren uns sogar für die für die Zeit charakteristische Fassung des Titels und der Dedikation; für die Manier des Ilmschlagtitels; wir haben sogar Interesse für die Art des Verlag- und Druckvermerks und dafür, ob sich Verlags zeichen finden. In ähnlicher Weise, wie die Bücherwelt, ist gesondert das Zeitungswesen abzuhandeln. Verhältnis zum Staat. Äußeres. Auch der zeitliche Gesichtspunkt kommt in Betracht. Der Geschichte des Buchhandels ist es z. B. von hohem Interesse, zu erfahren, daß es vor Zeiten geschehen konnte, daß man aller acht Tage acht Zeitungsnummern ans einmal erhielt und damit zufrieden war. Mit einem Worte: Die Geschichte des Büchermarkts gibt ein ganz bestimmtes und eigentümliches, nur aus dem buchhändlerischcn Stoff gewonnenes und nur aus ihm zu gewinnendes Bild des geistigen Zustandes einer bestimmten Zeit. — Quantitatives. Anteil der verschiedenen Konfessionen, der einzelnen wissenschaft lichen Disziplinen, des Südens und Nordens, der Länder und Städte, der großen Offizinen, des Auslandes usw. Das Verlcgertum; persönlich und literarisch. Der Geschichte des Buchhandels kommt es weiterhin nicht aus die Konzeption des literarischen Erzeugnisses ini Geiste des Autors, auf die Ausführung durch den Autor und die ästhetische Analyse seines Werkes an, sondern darauf, welchen Anteil der Verleger, sei es negativ, sei es rein passiv, sei es anregend oder gar selbsttätig unternehmend an der literarischen Produktion gehabt habe. Die ganze Eigenart des deutschen Buchhandels, so liest man häufig, beruht — nun, sagen wir aus seiner Organisationsfähig keit. Gehört es nicht auch zur Eigenart des deutschen Buchhandels, Männer wie Brockhaus und Perthes die Seinen zu nennen? Man findet sogar in buchhandelsgeschichtlichen Schriften aus gesprochen, daß die Verlegerinitiativc im 18. Jahrhundert und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts »noch nicht erwacht« sei. Diese Meinung ist, wie jeder Kundige wissen müßte, irrig. Es bedarf nur der Erinnerung an Namen wie F. A. Brockhaus und Perthes. Aber auch im 18. Jahrhundert hat z. B. Reich ganz außer ordentlich anregend gewirkt. Cotta, der sein Tübinger Geschäft im Jahre 1787 übernahm, war Unternehmer aus Prinzip (Allg. Zeitung). Es wird gerade der besonders gegenwärtig viel fach üblichen Geringachtung des Buchhandels gegenüber, den man beflissen ist, in den Augen des Publikums möglichst aus ein rein kaufmännisches Niveau herabzudrücken, ein besonderer Reiz für die Geschichtschreibung sein, diesen Fäden nach den verschiedensten Richtungen sorgsam und mit besonderer Liebe nachzugehen. Aber auch abgesehen davon zeigt sich schon damals, wie erfreulich, nutz bringend und fruchtbar das Verhältnis eines geschickten und rührigen Verlegers zu seinem — auch gelehrten — Autor ist. Auch damals versuchten Autoren sich den verhaßten Banden einer bevormundenden und niederdrückenden buchhändlerischen Knechtschaft, mit den alten sächsischen Herzögen zu reden: dem unchristlichen Wucher der Bücherverkäuser zu entziehen. Auch von Lessing, Goethe, Schiller sind Werke im Selbstverlag erschienen. Die Versuche von Lessing — der die Buchhändler ganz besonders gehaßt haben muß — und Bode; von Gleim und Bachmann. Klopstocks Gelehrtenrepublik, Reichs »Zufällige Gedanken«, Reimarus' Replik, Reichs Duplik — Buchhandlung der Gelehrten und Verlagskasse. Die Bewegung hat zu nichts anderem geführt, als ihre Unzuläng lichkeiten und schließlich ihre Unmöglichkeit darzutun. Welches Pendant beispielsweise: jene Selbstverlagsverdrießlichkeiten und das Verhältnis Reichs zu Ehr. G. Heyne! Der Verleger ist eben doch niehr als »Paketzubinder«, wie ihn Lessing verächtlich genannt hatte. Daß der Verleger seine eigenen Interessen verfolgt, ist selbstverständlich. Jeder menschliche Beruf hat den eigenen Gewinn zu erstreben vermittelst der Arbeit für das Wohl anderer. Es ist gleichgültig, worauf man dabei den Ton legt. Das Grund- Verhältnis bleibt dasselbe. Und doch liegt es überdies in der Natur des Buchhandels, daß der gesicherte Verlag — sogar mit Wissen und Willen — für einzelne Werke und Personen direkte Opfer bringen kann. F. A. Brockhaus konnte an Raumer schreiben: »Ich bin glücklich genug, sagen zu können, daß die deutsche Literatur eher meiner, als ich ihrer bedarf. Ich pflege vieles Große und Tüchtige, wie ich z. B. Ihr Werk mit einem Verluste von vielleicht 1000 Talern werde gepflegt haben.« Cotta verlegte mehr als ein Goethesches Werk, von dem er überzeugt war, daß er damit keinen Absatz finden würde. Perthes schrieb, als er die theologischen Studien und Kritiken ins Leben rief: »Ich will meine Zeit, meine Kräfte und meine Habe daran setzen, NM würdigen Männern Einfluß und Einwirkung aus die Zeit ver schaffen zu helfen. Einen Geldgewinn erwarte ich in diesem Falle nicht.« Der Verleger soll nichts als ein »Händler« sein: Christoph Arnold gab Ludwig Richter — im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts — jährlich 400 Taler zur Romreise. Daß solche »Uneigennützigkeit« und »Hochherzigkeit« Selbstsucht sei, das ist gerade der allertörichtstc und unwirtschaftlichste Ein wurf. Das gerade ist die unersetzliche Bedeutung eines fest- gegründeten Buchhandels nach dieser Seite hin, daß seine und der Autoren Interessen gemeinsame sind. Eine Welt, in der Engel zu ihrem Vergnügen den goldenen Regen ausstrenten, das wäre eine niederträchtige Welt. Und etwas wie Garantie und Kredit wäre in ihr unmöglich. Was geschieht, wenn morgen diese Engel unsern Planeten verlassen und auf den nächsten fliegen? Die intime Pflege, die Unterstützung, Förderung, Anregung der literarischen Produktion durch den Buchhandel, das ist also das weitere, worauf es der Geschichte des Buchhandels hier ankommt. »Die Nation«, schrieb Perthes im Jahre 1822, »ist
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