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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.02.1906
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 15.02.1906
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- Deutsch
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^ 38, 15. Februar 1906. Nichtamtlicher Teil. 1733 der den Titel führt: »Der Newe groß Römisch Calender mit seinen Außlegungen, Erclärungen und Regelnn, Wie man alles das, so darinn begriffen, leichtlich, verstendlich und warlich, erlernen mege; ytzundt, von dem Hochgelerten, der Astronomy und Mathematik, Mayester Johann Stöffler, vonn Justingen, der Löblichen Universitet Tübingen Ordi narius; ausß Latin in Teutsche Sprach verwandelt - Es ist ein stattlicher Folioband von 89 Blättern, der durch Kaiser liches Privileg vor Nachdruck geschützt war Die meisten, ja fast ausschließlich sämtliche Kalender dieser Zeit, wenigstens wenn sie in Buchform erschienen, waren für mehrere Jahre bestimmt. Einjährige Plakat- oder Einblatikaleuder gab es in großer Zahl; Buchkalender für ein Jahr sind sehr selten; erst von der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts an finden sie sich häufiger, überhaupt mehrt sich jetzt die Zahl der Kalender ganz gewaltig; in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts ist die Zahl der jährlich erscheinenden Kalender sehr groß; oft sind sie mit Ratschlägen für Landleute über Pflanzen, Säen und Ernten versehen, bringen Witterungsberichte und Prophe zeihungen, wodurch sie oft den Spott und die Satire der Gegner wachriefen, die diese »Praktiken« in der groben Weise der Zeit lächerlich machten. Von einschneidender Bedeutung für die Kalender wurde die Gregorianische Kalenderreform. Schon seit langem war eine Verbesserung des Kalenders geplant; dem Papst Gregor XIII. gelang es endlich, mit den Verbesserungsvor schlägen durchzudringen, und 1582 wurde der neue Kalender auch in Deutschland vom Kaiser und den katholischen Ständen angenommen, während sich die evangelischen Stände da gegen erklärten, in heftigem Federkrieg dagegen eiferten und die Vorschläge bekämpften, nur eben weil sie vom Papst ausgingen. Allgemeiner Reichskalender ist der Gregorianische übrigens erst 1777 geworden, bis dahin gebrauchte man noch vielfach in Akten rc, die Bezeichnung alter und neuer Stil. Ein scharfer Federkrieg wurde für und wider den neuen Kalender geführt; sogar zu Volkserhebungen kam es, da man in den neuen Anordnungen ein Werk des Antichrist sah. Es war die Zeit der schlimmsten und gröbsten Schmäh schriften, und auch in diesem Falle waren die Schriften von bitterm Haß und Hohn und den unflätigsten Redensarten erfüllt. Bezeichnend ist es, wie einzelne Lutheraner die Kalenderreform des Papstes auslegten; er wolle nur, meinte Kaspar Fuger, Christus wegen des Termins des Jüngsten Gerichts verwirren, damit er selbst weiter ungestraft seine »Schinderei, Gotteslästerung und Bubenstücke« treiben könne. Der Tübinger Professor Osiander erhob vor allem folgenden Vorwurf gegen den Papst"): »Zu dem understeht er sich mit diser seiner papyrn Wahr ein Monopolium anzurichten: daß man dise Wahr allein auß seiner und der seinen Hand kauffen müssen. Denn in der Bulla (in deren er ^.ntonium llilinm, arirum st msäicivns Vostorsm, und seine Erben prioilegirt) verbeut er allen Christen, Mans- und Weibs personen, in und außerhalb des Welschlands, bey dem heiligen Gehorsam, und bey straff des Bannes, und bey straff tausent Ducaten, deren der halb theil, jhm dem Papst ver fallen soll sein: daß innerhalb zehen Jaren niemand, ohne Bewilligung gedachts Doctoris Antony — disen Kalender trucken, trucken laßen, verkauffen, oder auch in seinem Hause haben soll, da er gleich ein solchen Kalender nur entlehnet, oder er jhm geschenckt worden were.« Neben den Angriffen evangelischer Gelehrten und Pastoren, die nur, weil die Kalenderreform vom Papst aus ging, so ungestüm dagegen eiferten, obwohl Luther selbst eine Reformation des Kalenders seiner Zeit als wünschens wert bezeichnet hatte, waren es vor allem die Bauern und die Frauen, die ihre Stimme wider die Neuerung erschallen ließen. Die Bauernregeln der Praktik für gewisse Tage stimmten nicht mehr, und in vielfacher Art kamen dadurch allerlei Ungelegenheiten, Mißverständnisse usw. So heißt es einmal: »Ich mercks, die Leute werden gar verstürtzt über diesem nerven Calander, und sagen, Er verwirre alls, und mache jrrunge in Weltlichen Hendeln, in Verschreibungen, Historien, Jahrmärckten, Gerichten, Schifffarten, Ackern, Pflügen und Seen, unordenung in der Kirchen, newerung an Fest und Feiertagen, und werde gantz und gar nichtes gutes anrichten.« In einer »Bawrencklag« heißt es des weitern"): »O. Bapst was hastu angericht Mit Deinem heillosen Gedicht! Das Du verkehrest hast die Zeit, Dadurch jrr gemacht uns arme Leut. Das wir nun mehr kein wißen haben, Wenn man soll pflantzcn, seen, graben. Haben uns gericht inn das Jar, Nach unser Bawren Regel zwar. Das will jetzunder nimmer sein. Ursach weil du mit falschem schein Hast gemacht ein Newen Kalender, Unsers alten ein großer Schender. Welchen dein Hauff hat genommen an, Doch verdrießlich dem gemeinen Mann. Dieser thut uns Bawren das Hircn Mit seinen Feyertagen verwiren. Das wir uns schier nit derffen trawen, Koren, Rüben und Flachs zubawen. Des guten schmaltz jars war ein Zeichen. Die zwen tag hastu auch verbrochen, Und hinder sich geworffen vier wachen. Deß schlag dir gleich S. Veltin drein, In dich und den Kalender dein. Hettest doch nur in seiner maßen, S. Urbans tag uns bleiben laßen. Da wir Bawren uns trancken voll, So gefiel uns dein Kalender wol. Aber du hast den auch entzogen, Und mit dem Weinwachß uns betrogen.- Dagegen wurden dann wieder andere Gedichte ver öffentlicht, die den neuen Kalender in Schutz nahmen, anführten, daß man sich mit den Verrichtungen des täglichen Lebens nicht nach dem Kalender, sondern vielmehr nach dem regelmäßigen Wechsel in der Natur richten solle, wie es auch die Tiere machten. Die Frauen eiferten so gegen den Kalender, weil sie befürchteten, daß die Männer eventuell die Marter- oder Karwoche fortan nach dem alten und neuen Kalender, also doppelt feiern würden. Nach alter Sitte hatten nämlich die Frauen während der Karwoche kein Recht, die Männer am Besuch der Trinkstuben zu hindern. Aber alle diese Angriffe hinderten nicht, daß der neue Kalender allmählich den alten verdrängte und im achtzehnten Jahrhundert schließlich Alleinherrscher wurde. Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts waren auch die ersten Schreibkalender erschienen, die dann auch bald den Titel führten »Alt und New Schreibkalender«, inhaltlich aber den frühem Kalendern noch ziemlich glichen, indes auch manche Neuerungen, so ein Verzeichnis der Messen und Märkte, brachten. Auch hundertjährige und immerwährende Kalender finden sich im siebzehnten und achtzehnten Jahr hundert. Die hundertjährigen bringen bereits die Mit teilungen, in welchen Jahren die verschiedenen Planeten regieren, welche Länder ihnen unterstehen, was sie für Eigenschaften verleihen, usw. usw.; auch Witterungsberichte ^) Uhl, Kalender. S. 97. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. r«) Uhl, Unser Kalender, S. 100. 230
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