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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.07.1885
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- 1885-07-29
- Erscheinungsdatum
- 29.07.1885
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- Deutsch
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^ 173, 29. Juli. Nichtamtlicher Teil. 3523 hauptsächlich in deutschen Ausgaben der »Chiromantie« bekannt, die schon zur Zeit des Holztafeldruckes weit verbreitet gewesen war. Von Ovid las man hauptsächlich das »Buch der Liebe«, ein plumpes deutsches Werk, das mit der alten ars awanät wenig mehr gemein hatte, sondern die Kunst der Liebe als ehrsames Ge werk für die jungen Gesellen, die Meister werden wollten, zu schil dern suchte. Aber auch die italienische Litteratur war sehr beliebt. Dante war zwar nicht verbreitet, um so mehr Boccaccio und Petrarka. Von Boccaccio las man sowohl das »Dekameron« wie das »Buch von den berühmten Frauen«, dessen deutsche Über setzung der schon genannte vr. Heinrich Steinhöwel geliefert hatte. Von Petrarka, dessen Schriften die italienischen Druckerpressen jener Zeit am meisten beschäftigten, wurde bei uns hauptsächlich die kleine »Geschichte der Griseldis« gelesen, die bekannte Sage vom Markgrafen Walther von Saluzzo, der eine Bäuerin, die schöne Grisel, heirathete, dieselbe dann, um ihre Ergebenheit zu prüfen, zum Scheine von sich stieß, aber schließlich, als sie demütig und be scheiden blieb, wieder in allen Ehren als seine rechtmäßige Ge mahlin zu sich nahm. Unter den Werken der französischen Litteratur stand das Märchen von der schönen Melusine obenan, dessen deutsche Übersetzung sogar früher als das französische Original im Druck erschien. An diese romantischen Geschichten und Sagen schlossen sich die eigentlichen Geschichtswerke, die Chroniken, von denen einige die Geschichte der Welt von der Schöpfung an behandelten, während andere sich mehr auf die Ereignisse ihrer Zeit oder der nächstvorher- gegangenen Jahrhunderte beschränkten. Heinrich Steinhöwel in Ulm schrieb eine »Chronik vom Anfang der Welt bis auf Kaiser Friedrich II.«, Jakob Königshoven in Straßburg eine »Chronik von allen Kaisern und Königen«, der Kölner Karthäusermönch Werner Rolevink einen kurzen Abriß der Weltgeschichte unter dem Titel »b'aooioulas tsiupornw«; und alle diese Werke wurden im Beginne der neunziger Jahre weit über troffen durch die berühmte Weltchronik des Nürnberger Arztes Hartmann Schedel. Unter den Werken, welche kleiner abge grenzte Gebiete der Geschichte behandelten, war das früheste die »Historie von der Kreuzfahrt nach dem heiligen Land«; daran schloß sich die von Thomas Airer verfaßte »Geschichte Schwabens«, die von dem Braunschwciger Bürger Conrad Botho verfaßte »Chronik der Sachsen«, sowie die am Schluffe des fünfzehnten Jahrhunderts erschienene »Chronika von der heiligen Stadt von Coellen«. Bei dem raschen Fortschreiten des Druckes dieser geschichtlichen Werke wurde die Thätigkeit der Schriftsteller allmählich auch auf die Länder- und Völkerkunde gelenkt. Die Kreuzzüge, welche nicht nur Streiter für die Kirche, sondern auch manchen Schlachten bummler nach dem Orient gelockt hatten, waren noch frisch in der Erinnerung; gleichzeitig halten die großen geographischen Ent deckungen des fünfzehnten Jahrhunderts das Interesse an fremden Völkern und Ländern wieder wachgerufen, und so darf es nicht Wunder nehmen, wenn bald auch eine ganze Reihe von Reise beschreibungen im Volke verbreitet war. Eine der frühesten erzählte von dem uralten Abt und Heidenbekehrer St. Brandon, der im sechsten Jahrhundert mit einem seiner Schüler den westlichen Ozean beschiffte und schließlich nach langem Herumirren auf einem von Riesen bewohnten goldreichen Eiland landete. Eine zweite berichtete von dem bayerischen Herzog Ernst, der sich ums Jahr 930 mit seinem Vater, dem Kaiser Otto, entzweite, von diesem aus seinem Lande vertrieben wurde und darauf eine abenteuerliche Wallfahrt nach dem heiligen Grabe unternahm. Noch ausgedehnter waren die Streifzüge, welche in der zweiten ! Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ein unternehmender venezia nischer Kaufmann, Marco Polo, durch Kleinasien, Medien, die Tartarei und Mongolei gemacht hatte. Dieser wiederum wirkte anregend auf den englischen Edelmann Johann von Man deville ein, der im Jahre 1322 einen Zug nach Jerusalem und Ägypten unternahm, auf dem er zwölf Jahre zubrachte und über den er nach seiner Rückkehr in einem anmutig geschriebenen Buche berichtete. 1394 folgte die Reise des bayerischen Schildknappen Schildt- berger nach der Türkei, der jedoch mehr von seinen eigenen Kriegserlebuissen als von den Türken berichtete. In den Jahren 1483—84 endlich wurde die letzte Reise unternommen, die zu dem großartigsten Reisewerke des fünfzehnten Jahrhunderts Anlaß gab: die Wallfahrt des Mainzer Kämmerers Bernhard von Breiden- bach nach Jerusalem und dem Berge Sinai — ein Buch, worin nicht nur von den Völkern, welche damals das Heilige Land be wohnten, sondern auch von den Thieren und Pflanzen des Orients ausführlich berichtet wird. Das führt uns auf die volkstümlichen Bücher über Natur kunde und Medicin, die ebenfalls bald allgemein verbreitet waren. Uber Physik und astronomische Geographie handelte der »Meister Elucid arius«, ein Lehrbuch für die Jugend, worin sich ein Lehrer mit seinem Schüler über die Bewegung der Erde, die Entfernung der Planeten u. dgl. unterhält. Unter den naturgeschichtlicheu Werken war das früheste das »Buch der Natur«, welches Con rad von Megenberg, ein Geistlicher und Domherr zu Regens burg im Jahre 1349 aus dem Lateinischen eines unbekannten Verfassers übersetzt hatte. Daran schloß sich der »kleine Garten der Gesundheit«, ein Hausarzneibuch für Unbemittelte, worin 150 heilsame Kräuter behandelt wurden, und der »große Garten der Gesundheit«, der außer dem Pflanzenbuch auch noch Bücher von den Land-, Luft- und Wassertieren, sowie von den Mineralien enthielt. Auch das Gebiet der Chirurgie wurde schon bearbeitet, hauptsächlich durch das »Buch der Chirurgia«, das der Straßburger Stadtwundarzt Hieronymus Brunschweig 1497 erscheinen ließ. Man sieht, in welchem Maße sich im Laufe eines halben Jahrhunderts der Stoffkreis der Litteratur erweiterte. Es ging wie ein Frühlingswehen durch das ganze deutsche Volk. Alle heiligen Bücher, die bisher ausschließliches Eigentum der Klöster gewesen waren, waren mit einem Male dem Volke erschlossen; alle liebgewordenen Dichtungen und Erzählungen, die es bisher nur vom Hörensagen kannte, konnte es jetzt von Angesicht zu Angesicht kennen lernen; es konnte die Weltgeschichte lesen, an den wunderbaren Beschreibungen ferner Länder seine Phantasie er götzen und in naturgeschichtlichen Büchern lernen. Von freudigstem Schaffensdrange war die Gelehrtenwelt, vom tiefsten Bildungs bedürfnisse das Volk beseelt, und das Wort, das an der Schwelle des sechzehnten Jahrhunderts Ulrich von Hutten begeistert ausries: — »O Jahrhundert, die Geister erwachen, die Studien blühen, es ist eine Lust zu leben« —, kann mit nicht geringerem Recht schon auf das fünfzehnte Jahrhundert seine Anwendung finden. Die Bücher, welche in den vierzig Jahren von 1460 bis 1500 er schienen, zeigen uns, wie schnell die Geister von den mittelalter lichen Schranken sich befreiten, wie bald die neue Zeit m ihnen zum Durchbruch kam. Während noch in den alten Blockbüchern die Thorheit und der Aberglaube Triumphe feierten, werden jetzt all mählich die Bücher sachlich und wissenschaftlich. Welcher Gegensatz, wenn man Geschichtswerke der sechsziger mit solchen der neunziger Jahre vergleicht! Die ältesten sind noch ohne alle Kritik ge schrieben, vermengen Dichtung mit Wahrheit, geben Märchen und Wundergeschichten für geschichtliche Thatsachen, während die späteren schon das unverkennbare Gepräge der Genauigkeit tragen 4 90*
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