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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.02.1906
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- Erscheinungsdatum
- 06.02.1906
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- Deutsch
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1360 Nichtamtlicher TE 30, 6. Februar 1906. große Sammlung von Titelblättern nach Herkunft und Fund orten geordnet an, die, mit handschriftlichen Bemerkungen und andern Zugaben vermehrt, schließlich über 100 Foliobände umfaßte und sich jetzt im Britischen Museum befindet. Manche Schriftsteller ziehen es aus Zeit- und Raum ersparnis vor, aus Zeitschriften und Büchern nur die sie direkt interessierenden Stellen auszuschneiden und die übrigen Teile zu vernichten. In unserm praktischen Zeitalter, in dem Zeit Geld bedeutet, erscheint mir diese Maßregel durch aus nicht so verwerflich, wie Cim sie darstellt, um so weniger als doch wohl anzunehmen ist, daß wertvolle Bücher ihr schließlich kaum zum Opfer fallen dürften. Wieder andre Bücherfeinde sind die Buchbinder, die die Bücher oft zu sehr beschneiden, was zumal in den Augen des Bibliophilen eine unverzeihliche Sünde ist. Dann die Krämer (»Gewürz- und Tabakhändler«), Schneider und Schuster, Bücherentleiher, Schnupfer, Raucher, Botaniker, jugendlichen Liebhaber. Das Register ist lang, wie wir sehen, und recht amüsant sind die Beispiele der vielerlei Vergehen gegen das Buch, die die genannten Sünder, sei es bei Ausübung ihres Berufes, sei es zur Befriedigung ihrer Liebhaberei, auf ihr Gewissen laden. So erzählt uns der »Bibliophile Jacob« sehr anschaulich von Leben und Taten des berüchtigten Quillet, des »Königs der Abdecker«, der seinen Laden am Quai St. Michel, der Morgue gegenüber, hatte. Seine Lebensarbeit bestand darin, die zu Makulatur bestimmten Bücher zu zerlegen, um die einzelnen Teile möglichst vorteil haft zu verwerten Das mürbe gewordene Leder des Rückens der Einbände diente während eines Lustrums den Schustern zur Einlage in Damenstiefel und wurde hierfür höher be zahlt als neues Leder. Die Bogen lieferten je nach Format und Papierstärke größere oder kleinere Tüten, die ganz un brauchbaren, morschen Blätter und Deckel wandelten in die Papiermühle zurück. Quillet hat seinen eignen Angaben nach jährlich etwa 50 000 Bände »verarbeitet«; »möge Gott seiner Seele trotzdem gnädig sein!« fügt Jacob als Stoßseufzer hinzu. Und endlich die gefährlichste, weil mächtigste Feindin des Bibliophilen: die Frau. Cim widmet ihren vielen Missetaten einen ganzen Abschnitt, in dem seine verschiedenen Gewährsmänner Eoas Töchter härter mitnehmen, als es die sprichwörtliche Galanterie der Franzosen vermuten ließe. Die Korrespondenz des Kardinals Granvella, die uns einen intimen Einblick in einen der wichtigsten Zeitabschnitte der Weltgeschichte gestattet und in 14 Bänden veröffentlicht wurde, würde deren 20 umfaßt haben, wenn es den guten Hausfrauen eines alten Schlosses in der bb-avobs Oomts nicht eingefallen wäre, einen Teil der auf Pergament ge schriebenen Briefe zum Verschließen von Einmache-Gläsern zu verwenden. Schon der bereits erwähnte Bischof Richard de Bury ist in seinem berühmten Philobiblion voller Gift und Galle gegen das weibliche Geschlecht. Ja, er scheut sich nicht, die Frau in respektlosester Weise ein »Tier« zu nennen, was dadurch nicht gemildert wird, daß dieser Ausdruck von einem personifizierten Buch angewandt wird. Octave Uzanne, einer der geistreichsten, feinsinnigsten, kunst begabtesten Bibliographen der Neuzeit, der eine stattliche Reihe von interessanten, prächtig ausgestatteten Bibliophilen- und kulturgeschichtlichen Publikationen verfaßt hat, und dem wir als Herausgeber der Zeitschrift »llo Illvrs« viele biblio graphische Arbeiten verdanken, ist zwar höflicher, aber nicht weniger entschieden. »Weibliche Bücherliebhaber! Ich wüßte keine zwei Worte, die weniger zueinander paßten... ich denke, daß es absolut keine tiefe und innere Sympathie zwischen der Frau und dem Buche geben kann. Die fein fühligste Frau wird in dem .schrecklichen Schmöker' stets einen mächtigen, unerbittlichen, faszinierenden Nebenbuhler sehen, der eine undurchdringliche Wand zwischen ihr und dem zu gewinnenden Manne bildet.« Ein andrer, zeitgenössischer Autor, Paul Eudel, nennt in seinem bereits in mehreren Auflagen erschienenen Buche »lls ll'rugvs.^s« unsre lieben Lebensgefährtinnen die geschworenen Feinde des Buches. »Das ist um soviel weniger, sagen sie, für die Toilette und den Haushalt.« Der Bibliophile Jacob ist ebenfalls der Meinung, daß die Frauen die Hölle des Bibliophilen seien. In welch lieb- und verständnisloser Weise sie mit den Büchern, auch den wertvollsten, umgehen, schildert er uns in einer humoristischen Ermahnung, die folgendermaßen beginnt: »Betrauet nie, ihr Bücherliebhaber, mit dem Ausschneiden eines in Achtung gehaltenen Buches jemand Andern als Euch selbst . . . zumalen aber nicht die zarte Hand, die in der Kunst des Stickens und andern feinen Arbeiten unübertrefflich ist.« Cim gibt uns noch die Aussprüche von mehreren andern Bibliographen an, die mit nicht weniger energischen Worten ebenfalls als Kläger auf- treten. Und doch könnte es eigentlich anders sein, wie de Sacy (nach Maillard, Uss xassioovss ärc livrs) sehr richtig dartut: »Hausfrauen, die ihr das Glück habt, einen Bücher liebhaber zum Gatten zu haben, — anstatt ein verstimmtes Gesicht zu zeigen, freuet euch doch, wenn ihr ein neues Bücher paket ankommen seht, wenn die Bibliothek nach und nach immer mehr Platz in der Wohnung einnimmt. Die Kleider eurer Töchter und die Zigarren eurer Söhne kosten euch mehr, und es bleibt nichts davon zurück. Und dann, keinerlei Eifersucht, keinerlei Tyrannei, die Frau eines Bibliophilen ist notgedrungenerweise die Herrin im Hause, vorausgesetzt, daß sie an der Schwelle des Bibliothekzimmers Halt zu machen weiß.« »Denn«, sagt Vallery-Radot, ein ebenfalls geschätzter Bibliograph, in der Vorrede zu Nodiers »Biblio- mane«, »der beste Ehemann kann seiner Frau den Schlüssel zum Geldschrank übergeben; aber er soll ihr nie den zum Bücherschrank anvertrauen. Eine Frau und ein Buch soll man nie allein lassen.« Anderseits haben wir, um gerecht zu sein, berühmte Beispiele von bücherliebenden Frauen in der Geschichte. Im ersten Band der Cimschen Anthologie sind wir einigen von ihnen schon begegnet: Jsabella von Bayern, Anna von Bretagne, Katharina von Medicis, der Marquise von Pom padour, der Gräfin von Verrue, der Vikomtesse von Noailles u. a. m. Und dann in erster Linie der heiligen Wiborad von Sankt Gallen, die im zehnten Jahrhundert von der Hand plündernder Ungarn den Tod empfing, während sie die Bücherschätze ihres Klosters zu verstecken suchte. Be kannter noch ist eine andre deutsche Äbtissin des Mittel alters, Herrad von Landsberg, als Verfasserin des während der Belagerung von Straßburg im Jahre 1870 durch den Brand der Stadtbibliothek verloren gegangenen unersetzlichen »Uortus äslioisrrcmr, einer wunderbaren, mit Miniaturen ver sehenen Handschrift, die eine Enzyklopädie des menschlichen Wissens im zwölften Jahrhundert enthielt. Auch große Gelehrte und Schriftsteller zählen, wenn nicht gerade zu den Feinden des Buchs, so doch zu dessen Kostverächtern. Cim nennt uns den heiligen Hieronymus, die französischen Könige Karl X. und Heinrich IV., Melan- chthon, Rousseau, Chateaubriand, Victor Hugo, Lamartine, Maupassant, Zola, Pierre Loti, die alle eine Abneigung gegen das Lesen (insofern es als Erholung betrieben wird) empfanden und für die Freuden der Bibliophilie keinen Sinn hatten. So rührt von Zola, so seltsam es klingen mag, der Satz: »Ich bin so wenig Bücherliebhaber wie möglich, und alle Bücher meines ärmlichen Bücherschranks bestehen aus Schulbüchern und ganz gewöhnlichen Ausgaben.« Und Loti erklärte in seiner Antrittsrede vor der französischen Akademie: »Ich lese nie. . .!« Der Verfasser erinnert noch
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