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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.02.1906
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- Erscheinungsdatum
- 05.02.1906
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- Deutsch
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1326 Nichtamtlicher Teil. ^ 29, 5. Februar 1906. selbst: »Die Vorliebe für alte Bücher ist wie die Vorliebe für alte Weine ein Zeichen der Reife«. Von der Heilwirkung der Lektüre handelt das nächste, kurze Kapitel, das im wesentlichen die Wiedergabe einer humoristisch abgefaßten »Bibliographischen Heilkunst« des berühmten Verfassers der »Letzten Tage von Pompeji« enthält, die dieser in den »Memoiren von Pisistratus Caxlon« anschaulich lehrt. Er schlägt vor, anstatt der in Bibliotheks räumen angebrachten Überschriften wie »Philologie«, »Natur wissenschaften«, »Dichtkunst« hierzu die Namen von Krank heiten des Körpers und des Geistes auszuwählen, die eine entsprechende Lektüre zu heilen oder wenigstens zu lindern imstande sei. Für das Podagra, den Schnupfen, die Hypo chondrie, den Spleen, den Lebensüberdruß, die Entmutigung, den Kummer, die Vereinsamung empfiehlt Bulwer die dafür geeigneten Bücher. Seine Begründungen sind mit viel Witz und Ironie gegeben und amüsant zu lesen. Gelungen ist auch Fertiaults Bemerkung über den Kritiker Chasles (1799—1873), der, von großer Hitze belästigt, den »Über gang über die Beresina« gelesen habe und dabei ins Frieren geraten sei. Die nächsten kurzen Kapitel behandeln den »Mlsvärisr än llivrs« des bedeutenden, jedoch in Vergessenheit geratenen Journalisten Levallois (1829 1903), den Roman und die Zeitung Levallois, ein Sonderling, der sich vom literarischen Leben eher fern hielt, war ein großer Bücherfreund. Er verbrachte seine Mußestunden in der »Klause von Montre- tout«, unweit Saint-Cloud und hat uns in seiner »^vnös ä'nn srnüts« eine originelle Plauderei über die für die ver schiedenen Jahreszeiten geeignete Lektüre gegeben, also gewissermaßen auch eine Musterbibliothek aufgestellt, für die die Monate des Kalenderjahrs bestimmend waren. Für den Herbst z. B. empfiehlt er »unsre großen Melancholiker, I. I. Rousseau (Muvslls Mioiss), Goethe (Werther), Chateaubriand (Rsvs), Senancvur (Odsrwan)«, ferner Emerson, Channing, Epiktet, Marc-Aurel und das Evangelium, »dieses unver gleichliche Elixier des ewigen Lebens, das an einem grauen Novembertag so recht über die Trübnis der erstarrten Natur Hinweghilst«. Über den guten oder schlechten Einfluß des Romans sind die Ansichten wiederum sehr geteilt, wenn nicht direkt entgegengesetzt. Der Jansenist Nicole (1625—1695) nannte die Romanschriftsteller und Dichter »öffentliche Giftmischer«, und ein protestantischer Pfarrer behauptete, den größten Schaden an der Gesundheit der Frauen hätten die ins Un gemessene angewachsenen Romane angerichtet. Jean Darche und Paul-Louis Courier sind ähnlicher Meinung. Größer aber ist die Zahl derer, die den entgegengesetzten Standpunkt einnehmen. Von diesen drückt sich Goethe in seinen Ge sprächen mit Soret folgendermaßen aus: »Es müßte schlimm zugehen, wenn ein Buch unmoralischer wirken sollte als das Leben selber, das täglich der skandalösen Szenen im Überfluß, wo nicht vor unfern Augen, doch vor unfern Ohren ent wickelt. Selbst bei Kindern braucht man wegen der Wirkung eines Buchs oder Theaterstücks keineswegs so ängstlich zu sein«. — Vauvenargues, der Fürst de Ligne, Doudan haben wenig Verständnis für den Roman; Mme. de Ssvigns gibt in ihren Briefen ihre Meinung darüber ausführlich an und resümiert dieselbe in den Worten -Dont sst soin snx süvs«. Der engliche Dichter Gray behauptet, »bequem auf einem Sofa liegen und die neuesten Romane lesen, gäbe einen Vor geschmack von den Freuden des Paradieses«. Mit Bezug auf die unendliche Mehrzahl der Romane, auch guter, die ihre Zeit nicht überlebt und deshalb nicht verdient haben aufbewahrt zu werden — unter die wenigen Ausnahmen rechnet der Verfasser: llrr Lrivossss äs Oldvss, llÄöivügns, Navon llssoant, Laut st VirZinis, ^Vsrtbsr, üotrs Oams äs Laris und Naäsivs Lovar^ —, erinnert Cim an ein gelungenes Wortspiel von Jules Richard in »1/^.rt äs korivsr uns bikliotbdglls«: »bin biblioplnls ns oonssrvs pas Iss livrss gu'on lit uns kois, msis ssnisrnsnt qn'on rslit avso pl-nsir st qns p»r oonssgnsnt on rslis« . . . Über die Nachteile der Zeitung gegenüber dem Buch sagt Cim am Eingang des zehnten Kapitels sehr richtig: »Die wahre Lektüre ist die des Buches Die Zeitung steht hinter dem Buch dadurch zurück, daß sie zu schnell gemacht wird, werden muß — und wo man schnell machen muß, werden Sorgfalt und Reife unvermeidlich zu kurz kommen; daß sie fast ausschließlich von vorübergehenden und nur relativ wichtigen Dingen redet; daß sie weder das For mat, noch die Bequemlichkeit und Eleganz des Buchs bietet«. Auch über den Wert oder Unwert der Zeitung sind bekannt lich die Meinungen stets geteilt gewesen. Zu ihren An klägern gehören La Bruydre, dÄlembert, Voltaire, Chateau briand, Goethe. Thiers, Proudhon, Balzac, Thsophile Gautier, Le pdre Gratry, Tanneguy de Wogau, von denen Cim interessante, treffende Aussprüche anführt, um ihre Ansichten wiederzugeben. So nennt Voltaire die Presse »eine Geißel der Gesellschaft, eine unerträgliche Räuberei«, Proudhon »eine Hölle, einen Abgrund von Sittenoerderbnis, Lüge und Verräterei, . . . , eines dieser Lupanare des Gedankens«; Balzac weissagt: »man wird die Presse totschlagen, wie man ein Volk mordet, indem man ihm die Freiheit gibt«. In Tanneguy de Wogans bemerkenswertem »Mnnsl äss gsas äs Isttrss« gibt uns dieser Autor eine vortreffliche Schilde rung der Anfeindungen, Verkennungen, Geringschätzungen, denen die heutige Presse in allen Kulturländern ausgesetzt ist, und geht ihren Ursachen auf die Spur. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Umformung, Sanierung der Presse eins der wichtigsten Probleme des neuen Jahrhunderts sein werde, damit sie wieder ihrer höchsten Aufgabe, der Auf klärung und Veredelung der Massen, zugeführt werden könne. Und er sagt gelegentlich sehr richtig: »Von denjenigen, die viel die Zeitung lesen, lesen nur wenige auch andres.« Auch Cim ist der Ansicht, daß eine Reform der Zeitung dringend not tue, um so mehr, als sie mehr und mehr zu einem Werkzeug der Hochfinanz und der Jndustrieritter geworden sei und als alleinige Macht über sich nur den Geldbeutel anerkenne. Die bezahlte Rezension und die Annonce haben jede aufrichtige Schätzung und alle Kritik vernichtet. (Man vergleiche hierzu die in jüngster Zeit gemachten Äußerungen über »das Duell zwischen Buch und Zeitung«, die die »Revue« im Jahre 1903 als teilweises Ergebnis einer Umfrage über die Buchkrise veröffentlicht und über die Schreiber dieses seinerzeit an dieser Stelle (Börsenblatt 1903, Nr. 249 u. 262j berichtet hat.) In einer langen Fußnote schildert Cim nach Renan u. a. die Verderbnis der Pluto- kratie im gesamten geistigen Leben überhaupt. Sainte-Beuve hat dies in folgenden Worten kurz zusammengefaßt, aller dings mit einiger Übertreibung und Härte: »Das Geld, das Geld ist mehr als man sagen kann, der wirkliche Nerv und Gott der heutigen Literatur«. Aber diesen Verurteilungen der Zeitung stehen ebenso viele Rechtfertigungen und Verherrlichungen gegenüber. Die großen Männer der Revolution, Robespierre, Sieyss und andere, nennen mit fast gleichen Worten die freie Presse die Wächterin aller Freiheiten. Royer-Collard (1763—1845) sagt: »Die Presse ist eine soziale Notwendigkeit, mehr noch als eine politische Macht«; Chateaubriand wahrsagte: »Die Presse, diese Maschine, die man nicht mehr zerbrechen kann, wird fortfahren, die alte Welt zu vernichten, bis sie eine neue geschaffen haben wird-, Collignon zählt in seinem Buche »llg, vis littsrairs« die Vorzüge der Presse auf und verteidigt dabei den großen moralischen und praktischen Wert,
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