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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.07.1900
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1900-07-06
- Erscheinungsdatum
- 06.07.1900
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- Deutsch
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Wir fühlen auch die Mahnung des dichterischen Wortes: »Was dem Mann das Leben nur halb erteilt, soll ganz die Nachwelt geben«. Ums Jahr 1400 ist Johannes Gutenberg aus dem patrizischen Geschlechte der Gensfleisch in Mainz geboren. Es war eine bewegte Zeit, eine Zeit der Fehden und eines rücksichtslosen Egoismus, aber zugleich der freien Verbindung der Bürger zu praktischen Zwecken in Innungen und Zünften, eine Zeit, wo trotz den Kämpfen auf der Landstraße und blutigem Hader hinter der Stadtmauer Handel und Gewerbe zu reicher Blüte sich entfalteten, eine Zeit, wo unser deutsches Volk, in den innersten Tiefen aufgewühlt, nach einem neuen siktlichen und religiösen Inhalt für sein Dasein suchte, das arm und triib und wertlos schien. Da kam Johannes Gutenberg und erfand die neue Kunst, geschriebene Worte ins Tausendfache zu vervielfältigen. Es war die Morgen röte, die die neue Zeit, ja unsere Zeit leuchtend herauf führte. Schon seit mehreren hundert Jahren hatte man mit Holztafeln Muster gedruckt, auch hier und da einzelne Seiten Schrift in den Holztafeln ausgeschnitten; das aber war Guten bergs Erfindung, daß man mit gegossenen Lettern ganze Bücher drucken konnte. Fürwahr, die geniale Schöpfung des großen Mainzer Bürgers, der durch die Subtilitäten der Metallarbeit und das grübelnde Suchen des Künstlers und Forschers schließlich auf diese großartige, vollständig neue Technik der Vervielfältigung kam, bezeichnet einen ungeheuren Wendepunkt und Umschwung in der gesamten Kulturgeschichte der Menschheit. Zwar der Erfinder hatte keinen Dank von seiner Erfindung, nach schweren Kämpfen voll ungebeugter Thatkraft und harter Eigenwilligkeit ist er arm und rühmlos ins Grab gesunken. Aber seine herrliche Kunst wurde in wenigen Jahrzehnten ein Gemeingut aller europäischen Völker. Mochten auch die Italiener, anfänglich voll Mißtrauens gegen die »barbarische« Erfindung und Neuerung, zuerst in raschem Wetteifer mit den Deutschen die Heimat des Buch drucks überflügeln, sowohl durch die Großartigkeit des Betriebs und die Schönheit der Lettern, als auch durch die Reichhaltigkeit ihrer Produktion, so eroberte sich doch Deutsch land schnell die führende Stellung im geistigen Leben der Völker zurück. Denn das ist das bleibende und hohe Verdienst der Deutschen, daß sie den Buchdruck recht eigentlich in den Dienst der Volksbildung stellten. Wohl hat Gottes weise Vor sehung nicht ohne tiefen Zweck die Erfindung des Buchdrucks an die Wiege der Reformation gestellt. Von nun an wurde der geistige Erwerb der großen Dichter und Denker das Gemein gut des Volkes, dem Volke wurde die Thür aufgethan zur Teil nahme an den tiefsten Bewegungen der Menschheit. Darum be zeichnet die Erfindung des Buchdrucks wohl einen der größten Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit, und man dürfte mit Wahrheit fragen, ob seit der Erfindung der Schrift, die ja zuerst das geistige Leben fixierte, aber auch zu einem Privilegium der Gebildeten und der Auserwählten machte, eine größere und segensvollere je gemacht sei, als die Johannes Gutenbergs. Von nun an ist die Wahrheit, einmal gefunden und ausgesprochen, nie wieder zu unter drücken, und das Ringen nach Erkenntnis die höchste und tiefste, die edelste Leidenschaft aller Menschen geworden. Dankbar zählen wir darum Gutenberg zu den großen Wohlthätern nicht nur unserer Nation, sondern der ganzen Menschheit. Aber das ist nur die eine Seite unserer heutigen Feier. Wir gedenken auch unserer teuren Entschlafenen. Gedenkt der Dahingeschiedenen! So mahnt uns ja schon die Stätte, an der wir hier weilen, und jener ahnungsvolle, früh ver klärte Sänger, der die Leier mit dem Schwert rührte, ruft mit Geisterstimme in unsere Mitte hinein: Stehst du dereinst, mein Volk, bekränzt mit Glücke, vergiß die treuen Toten nicht! Nein, wir vergessen sie nicht. Es ist uns ein Be dürfnis, zugleich mit der Huldigung gegen den großen Er finder Erinnerung und Dank zu zollen den Männern unserer Stadt, die mit Rat und That bewußt und bahnbrechend, oder neue Wege zeigend an der Hebung der edlen Buch druckerkunst mitgearbeitet haben. Wir legen ihnen in er kennender Dankbarkeit und tiefer Verehrung einen Kranz aufs Grab, zum Zeugnis, daß sie nicht vergeblich gestrebt und gearbeitet haben sollen. Wir gedenken der Dahin geschiedenen. Was für eine Fülle hervorragender und glänzender Namen steht da vor unserem geistigen Auge, und wieviel innige Bewegung regt sich in eurem Herzen, wenn ihr derer gedenkt, mit denen ihr selbst größtenteils zusammen ge arbeitet, gelernt, gestrebt, gewirkt, mit denen ihr in einem Sinne nach Großem getrachtet habt. Ich nenne nicht einzelne, nicht nur, weil es mir nicht zusteht, aus der sorgfältig erwogenen Zahl derer, denen dankbare Verehrung und Liebe heute Kränze weiht, wiederum sichtend einige be sonders herauszuhebcn, sondern vielmehr weil an dieser Stätte nicht nur der glänzende und ruhmreiche Erfolg nach außen, sondern ebensosehr die bescheidene, aber jene schönen Erfolge bedingende, hingebende und stille Treue nach innen ihr ehrendes Gedächtnis finden soll. Darum sollen auch heute in gerechter Würdigung des Verdienstes nicht allein die Gräber der Heimgegangenen Träger großer, iveit über die Grenzen unserer Stadt und unseres Vater landes anerkannter Firmen, sondern auch die der stillen Mitarbeiter und Helfer und Förderer der edlen Kunst, die durch hervorragende Tüchtigkeit und hingebende Bernfstreue, und nicht zum weuigsten durch oft genialen Scharfblick in der Organisation und im Betriebe wie ihren Firmen, so der ganzen Gemeinschaft wertvolle Dienste geleistet haben, dank bar geschmückt werden. Wir gedenken der Dahingeschiedenen und bezeugen ihnen im Drange erkennender Erinnerung unseren unauslöschlichen Dank und unsere nicht vergessende Liebe. Wir hören aber auch aus ihrem Munde den ernsten Zuruf, daß wir selbst immerdar das große Ziel im Auge haben sollen; ihr Gedächtnis wird uns zur Mahnung. — Teure Freunde, es lehren uns die großen Heimgegangenen, daß die Arbeit des Menschen doch nicht eine Ware ist, die man kauft und verkauft, sondern eine sittliche That des persönlichen Menschen, die aus dem inuersteu Geistesleben heraus geboren, mit Treue durchwebt, von Gottesfurcht und Rechtschaffenheit getragen sein soll. In dank barem Gedächtnis der Verstorbenen, die wir ehren, laßt uns mit neuem Geiste au unsere Arbeit herantreten; — daß die Arbeitslust, die Arbeitsfreudigkeit wieder geweckt werde, das ist doch das Höchste und Wichtigste, sie ist die Probe für die Tüchtigkeit und für die Festigkeit eines Charakters. Darum laßt uns rechtschaffen und fleißig nach ihrem Vorbild arbeiten, das Schlechte hassen, aber hohe Gesinnung pflegen. »Große Gedanken und ein reines Herz, das ist es, was ich mir von Gott erbitten möchte«, schreibt Goethe in seinem Buch. Liebe Freunde! Die Buchdruckkunst hat eine ungeheure Bedeutung und Verantwortung für die Entwickelung unseres Volkslebens, denn die Presse ist ja ebenso das Spiegelbild der öffentlichen Meinung, als sie zugleich die mächtigste Bildnerin der Einzelpersönlichkeit ist — Frucht und Keim der Entwickelung eines Volkes zugleich. In dem Jneinanderwirken des persönlichen und des öffentlichen Geistes liegt die Kraft eines Volkes; an dem Zwiespalt beider ist schon manches Volk zu Grunde gegangen. Möge unsere Presse sich dieser Verantwortung allezeit bewußt sein. Dann werden wir, des Höchsten eingedenk, nach dem Höchsten streben, und es wird sich zeigen, daß die Spring quellen unseres Volkslebens, das deutsche Gewissen und der
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