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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.06.1900
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- Erscheinungsdatum
- 23.06.1900
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- Deutsch
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4762 Nichtamtlicher Teil. 143, 23. Juni 1900. siegreichen Wirkungen nicht denkbar wäre ohne die neue Kunst, Gedanken im Fluge in alle Welt zu verbreiten. Aber auf eines lassen Sie mich stärker Hinweisen, auf eines, was hier in Leipzig mit Nachdruck und mit Stolz gesprochen werden darf: auf den engen Zusammenhang, der sich von Anfang an zwischen diesem Buchdruckgewerbe und dem geistigen Leben unseres Volkes gebildet hat. Es liegt ja zu Tage, worin die Gründe dieses Zusammenhanges bestehen — aber auch dieser Zusammenhang hat seine ruhmvolle, ja mit Märtyrerblut gedüngte Geschichte, und aus ihm ist unserem Volke so viel Heil entstanden, daß wir's vor dem Standbild Gutenbergs bekennen wollen: seine Erfindung geht weit hinaus über das nur Technische, über die äußerliche Förderung unserer Kultur — in ihr hat von Anfang an ein geistig und sittlich förderndes Moment für diejenigen gelegen, die sich der Ausübung dieser Kunst gewidmet haben. Zu der Sucht nach Gewinn, die schließlich jedes Geschäftsmannes Handeln bis zu gewissem Grade antreiben muß, trat beim Buchdrucker und Buchverleger die Notwendigkeit einer eigenen Ueberzeugung. In doppelter Weise: die kirchlichen Kämpfe des 16. Jahr hunderts zwangen jeden Einzelnen zu bestimmter Stellung nahme, selbst die Feigen, wenn auch nur äußerlich! Nun gar Bücher zu drucken und zu vertreiben, die von dem Fürsten eines Landes oder von der Regierung einer Reichsstadt nicht gebilligt wurden, war ein gefährliches Unterfangen, das Gut und Blut kosten konnte. Und dennoch geschah es immer wieder, in ungezählten Fällen, trotz Strafen aller Art: Kon fiskation der Bücher oder des ganzen Vermögens, Ver bannung aus dem Lande, ja Todesstrafe! Einer der gelehr testen und tüchtigsten Buchdrucker und Verleger'Leipzigs und Deutschlands im sechzehnten Jahrhundert, Ernst Voegelin, hat 1578 mit Verlust seines ganzen Besitzes unsere Stadt verlassen müssen, weil er Schriften verkaufte, die mit den streng lutherischen Anschauungen des Kurfürsten August nicht im Einklang standen! Lang ist die Reihe dieser Märtyrer im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation; und sie setzt sich fort, aus kirchlichen und politischen Gründen, bis in unser Jahrhundert hinein: wir wollen es hoffen, daß Johann Philipp Palm, den Napoleon 1806 wegen Ver treibung der Schrift: »Deutschland in seiner tiefen Er niedrigung« erschießen ließ, für immer das letzte Mitglied des Standes bleibt, der um seiner Ueberzeugung willen den Märtyrertod erleiden mußte. In unzähligen Kämpfen mit den herrschenden Mächten hat sich Ueberzeugungstreue deutscher Buchdrucker uud Buch verleger vom fünfzehnten bis ins neunzehnte Jahrhundert, bis zum Ende der Censur, bethätigt und dem ganzen Stande immer aufs neue ein stolzes Selbstgefühl und den Mut der Unabhängigkeit gegeben — sittliche Kräfte, deren sich unser Vaterland freuen und rühmen darf. Und zu solcher Selb ständigkeit der Ueberzeugung gab noch ein anderes Moment den tieferen Anlaß: die Bedürfnisse seines Gewerbes zwangen den strebsamen Drucker und Verleger, die Augen offen zu halten für das geistige Leben seiner Zeit, selber daran teilzunehmen und aus der Kenntnis dieses Lebens sein Wirken zu gestalten. Mag auch zunächst die geschäftliche Fürsorge den Anlaß dazu gegeben haben — welche innere Bereich, rung ist dadurch dem ganzen Stande und seinen Führern bei jedem neuen Fort schritte zu teil geworden! Daraus erwuchs die Mittel stellung, die das Buchdruckgewerbe heute zwischen der ge werblichen und der gelehrten Thätigkeit einnimmt und die sich in unserer Stadt zu einein Bunde so innig wie nirgends sonst gestaltet hat. Es ist schon im sechzehnten Jahrhundert keine Seltenheit, daß wir Buchverleger mit akademischen Würden geschmückt finden, — aber lassen Sie mich nur in eine Vergangenheit zurückgreifen, die uns allen näher steht und die uns Namen sagt, deren Klang noch heute uns geläufig ist. Johann Gottlob Immanuel Breitkopf, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Reformator des deutschen Buchdrucks nach langem Tiefstände, hatte sich in anfänglicher Abneigung gegen geschäftliche Thätigkeit wissenschaftlich aus gebildet und bethätigt, hatte zu Gottscheds Füßen gesessen, und noch in späteren Lebensjahren, als er schon lange Leiter seines Geschäfts geworden war, hat er sich als Schriftsteller über die Geschichte des deutschen Buchhandels bethätigt. Oder gedenken wir Johann Friedrich von Cottas, unter dessen Vorfahren Professoren der Universität Tübingen waren, der sich ursprünglich der Rechtswissenschaft widmete und dann erst das Geschäft seines Oheims übernahm — von ihm geht der Ruhm seines Hauses aus! In Freundschaft verbunden mit Schiller und Goethe, als Verleger beinahe aller bedeuten deren litterarischen Geister jenes und des nachfolgenden Zeit alters, gehört er mit hinein in die Geschichte unserer klassischen Nationallitteratur. Sein Briefwechsel mit Schiller, der 1876 erschien, ist das ehrenvollste Denkmal seiner Thätigkeit — es erweckt die Erinnerung an einen anderen Briefwechsel, den einer unserer Geisteshelden mit seinem Verleger geführt und der vom geschäftlichen Gebiete so vielfach übergeht ins Freundschaftlich-Persönliche: an den Briefwechsel unseres größten Geschichtschreibers Leopold Ranke mit seinem Verleger Carl Geibel. Und ich nenne Friedrich Arnold Brockhaus, der das Kaufmannshandwerk erlernt, dann vor mehr als hundert Jahren in Leipzig studiert und schließlich, zum Buchhandel übergehend, die kurze, ihm noch vergönnte Spanne Zeit seines Lebens mit den reichsten Erfolgen als Verleger ausfüllt und zugleich als mannhafter und von Uuabhängigkeitssinn er füllter, freisinniger Patriot in unserer Stadt wirkt und sein geistiges Erbteil seinen Söhnen hinterläßt, — Gelehrte auf deutschen Universitäten und Verleger in unsrer Stadt sind seitdem in fast gleicher Zahl aus seinem Stamm hervorge gangen. Ich nenne den Namen Perthes, dessen bedeutendster Träger Friedrich Christoph Perthes als Buchhändler — damals noch in Hamburg — zur Befreiung Hamburgs und Nord deutschlands von napoleonischer Herrschaft sein redlich Teil unter Preisgabe seiner äußeren Existenz beigetragen hat, und dem Leipzig seine Verdienste um die Organisation und Centralisation des deutschen Buchhandels, um die Erbauung der ersten Buchhändlerbörse mit Verleihung des Ehrenbürger rechts gedankt hat: auch sein Name dann zugleich der Name deutscher Gelehrten! Ich erinnere an Salomon Hirzel, den Sohn eines Züricher Theologieprofessors, der neben seiner Berufsthätig- keit sich der Litteratur und vor allem der Goetheforschung widmete, der seine einzigartige Goethebibliothek unserer Uni versität vermachte und der ein Freund desjenigen war, der tiefer und leidenschaftlicher als irgend ein anderer deutsche Eigenart verstand und darzustellen wußte: Heinrich von Treitschkes! Und weiter: der Name Kirchhofs sagt uns wiederum von der doppelseitigen Richtung einer Buchhändlersfamilie, und in dem Verleger Albrecht Kirchhofs, dem Bruder eines Professors der klassischen Philologie, verehren wir zugleich den unermüdlichen und verdienstreichen Erforscher der Ge schichte des deutschen Buchhandels. Doch ich will von Lebenden nicht sprechen, auch davon nicht, wie die junge Generatton ganz offenbar dem Beispiele der älteren nachfolgt — nur daß ich Ihnen den einen noch an deute, an dessen Namen mich dieses Haus, das vor allem durch seine wagemutige Thatkraft entstand, erinnert, den Manu, der uns neben anderen Schriften über die Ent-
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