Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.06.1900
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1900-06-23
- Erscheinungsdatum
- 23.06.1900
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19000623
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-190006234
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19000623
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-23
- Monat1900-06
- Jahr1900
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
143, 23 Juni 1900. Nichtamtlicher Teil. 4761 alle! — Das deutsche Buchdruckgewerbe selber aber, mitten im fortwährenden Blühen und Sichausdehnen seiner Thätig- keit, darf seiner Dankbarkeit mit berechtigtem Selbstgefühle Ausdruck geben und anknüpfen an die Feiern, die es nun schon seit 360 Jahren im Andenken an Johann Gutenberg begangen hat. Zuletzt 1840, und damals zuerst als ein nationales Fest unter dem Anteil aller Volkskreise. Sechzig Jahre sind seitdem vergangen — so inhaltsreich für unser Volk, wie selten sonst zwei Menschenalter unserer Geschichte! Genau in der Mitte dieser sechzig Jahre ist das Leben unseres Volkes eingelenkt in neue Bahnen. Dem geistigen, dein wirtschaftlichen Zusammenschluß ist der staatliche nach gefolgt, und niemand kann verkennen, was diese staatliche Einigung bedeutet hat; nur ihr danken wir den die Welt in Staunen setzenden Aufschwung unseres wirtschaftlichen Daseins, nur ihr das erwünschte und heute, wie wir hoffen dürfen, noch nicht abgeschlossene Aufsteigen unserer gewerblich thätigen Bevölkerung. Aber lassen Sie mich an diesem Punkte vom Allgemeinen zum Besonderen übergehen, lassen Sie mich, um der Haupt person des Festes gerecht zu werden, zu allererst von dem sprechen, was in ihrem Interesse in diesen sechzig Jahren seit der letzten Gutenbergfeier erforscht und gewonnen worden ist. Eine reiche Litteratur über Gutenberg und über die Geschichte des deutschen Buchgewerbes hat dieser Zeitraum hervorgebracht, des Ergebnisses dürfen wir uns mit ganzer Seele freuen: was 1840 mehr nur die volkstümliche und doch auch vielfach bestrittene Meinung war, ist durch ernste Untersuchung, durch neue handschriftliche Funde jetzt unzweifel haft festgestellt: Johann Gutenberg ist der wahre Erfinder der Buchdruckerkunst und Mainz der Ort der ersten voll ständigen Verwirklichung seines Gedankens. Jedes andere Verdienst tritt vor dem seinen zurück. Was Fust und Schösser neben ihm geleistet, ist nur Geringes; gab Fust lediglich das notwendige Kapital, so ist Schösser nur der gelehrige Schüler des Meisters gewesen, der mit eigener Geschicklichkeit und nicht ohne Verdienst bessern konnte, nach dem einmal der große Gedanke, mit beweglichen, aus Metall gegossenen Lettern zu drucken, gefunden war. Dieser Gedanke aber gehört Gutenberg allein. Wir scheiden auch deutlich, was ihm vorgearbeitet war und was er selbst als eigenste Gabe bot; forderten die Bedürfnisse der Zeit auch schon eine raschere Vervielfältigung der geistigen Produkte und waren auch schon kleine Fortschritte in dieser Richtung gemacht — der für eine große Entwickelung allein fruchtbare Gedanke der beweglichen metallenen Lettern war doch das geniale Eigentum des einen Mannes Johann Gutenberg. Und aus diesen Feststellungen wissen wir endgiltig, daß der Gedanke unserm Vaterlande angehört; Holland, Italien haben kein Anrecht mehr, sich für die Heimat der neuen Entdeckung auszugeben. Auch wissen wir heute mit einiger Sicherheit, daß Gutenberg ums Jahr 1400 geboren ist und daß er um 1450 das ein Jahrzehnt lang mit mannigfachen Atttteln gesuchte Ziel erreichte. So dürfen wir zweifelsfrei den fünfhundert jährigen Geburtstag des Erfinders der Buchdruckerkunst und zugleich das vierhundertfünfzigjährige Jubiläum seiner Er findung begehen. Aber freilich — eins hat uns alles Forschen doch nicht gebracht: einen sicheren Einblick in das Wesen des Mannes, der so Großes, so Weltbewegendes erdachte, der der Kultur der Folgezeit ein neues Antlitz geben half. Einiges wenige ist festgestellt über den äußeren Gang seines Lebens, über seinen Aufenthalt in Straßburg und Mainz, über die materiellen Schwierigkeiten, die sich der Verwirklichung seiner Gedanken entgegeustellten, über sein Verhältnis zu Fust und Slebenlnibsechzigster Jahrgang. Schösser; auch welche Werke er selber gedruckt hat, läßt sich mit einiger Sicherheit behaupten, — aber selbst der scharf sinnigste Beobachter und Deuter geschichtlicher Zeugnisse kann uns nicht vollkommen Sicheres sagen über das Wesen dieses Mannes, der unter den äußersten Schwierigkeiten, im Kampf mit Schicksal und Menschen schaffen mußte und den Mut dennoch nicht sinken ließ, auch wenn ihm die mühsam kon struierten Hilfsmittel seiner Erfindung an unerbittliche, miß günstige Gläubiger verloren gingen, der mit nimmermüder Energie nach jedem Rückschlag von vorne begann, der aber auch seine getreuen Bürgen ins Schuldgefängnis wandern ließ, wenn am Zahltag die fällige Schuld nicht beglichen werden konnte. — Ist es nur das Schicksal, das so oft den großen Geistern der Menschheit zu teil wird: mit dem Kleinlichsten des Lebens ringen zu müssen, mit dem Unverstand und dem Neide der Welt und, was am bittersten ist, mit der Entfremdung Nahestehender — Tücken des Lebens, die eine vornehme, feinfühlende Seele am schwersten empfindet; — oder sehen wir hier vielleicht die scharfen Ecken solcher bahn brechenden Geister, die in ihnen selber liegende Tragik ihres Wesens, die zwar das Größte zu leisten im stände sind, aber, auch stärker als andere viel geringere Geister, mit der ver letzenden Schroffheit ihres Wesens der Menschlichkeit ihren Zoll zu zahlen verpflichtet sind? Wir wissen es nicht mit Sicherheit, wie sich das Urteil über das Wesen Johann Gutenbergs abschließend formen soll; die einzigen Worte, die wir vielleicht direkt auf ihn selber zurückführen dürfen, die Schlußworte eines im Jahre 1460 gedruckten Buches, des sogenannten Katholikon, erwecken den Eindruck eines bescheidenen, tief demütigen Mannes, denn sie erwähnen wohl die Größe der Erfindung, nicht aber den Namen des Erfinders — nur der Huld Gottes, der dieses Geschenk der deutschen Nation vor allen andern gemacht, wird mit frommem Danke gedacht. Sind diese Worte — was wir doch nicht sicher wissen — von Gutenberg ge schrieben worden, dann ließe sich vielleicht sein Leben auf jene echte Bescheidenheit bestimmen, die im Kampfe mit der Welt im Augenblicke stets den Kürzeren gezogen hat. Im Augenblicke — aber im Laufe der Zeit siegt doch immer das wahre Verdienst und die Kraft einer großen Idee! Wäre Johann Gutenberg aber auch ein anderer gewesen, als wir ihn uns denken möchten und als ihn jene Worte erweisen würden, wäre er auch ein rücksichtsloser, rauher Kämpfer für seine Gedanken gewesen, ein Mann, der im Gefühle seiner Größe die kleinen Geister vor den Kopf stieß und unbekümmert, mit dem Jdeenegoismus der Großen, auch die treuen Freunde im Stiche ließ — was dürfte uns das küm mern! Wie gleichgiltig ist für eine den Blick auf das allein Wertvolle richtende Nachwelt das persönliche Leben derjenigen, die uns Großes gegeben haben! Wir richten nicht nach dem Vergänglichen an ihnen; wir richten nur nach dem, was sie der Menschheit geleistet haben! So mag es offen bleiben, was den Menschen Johann Gutenberg auszeichnete oder was ihm fehlte — das bleibt gewiß, daß er einer der Wohlthäter der ganzen Menschheit geworden, einer von denen, deren Wohlthat unentbehrlich zu unserem täglichen Leben gehört, beinahe wie Nahrung und Kleidung, — Luft und Licht für unsere heutige Kultur! Wollte ich zu Ihnen sprechen von den Wirkungen, die von Gutenbergs Erfindung ausgegangen sind — ich sagte nur allzu Bekanntes, in diesen Tagen oft genug Gesagtes und Geschriebenes. Vor unser aller Augen liegt ja zu deutlich, wie sich der Gedanke Gutenbergs in wenigen Jahrzehnten alle Kulturländer erobert, wie er der stürmischen geistigen Bewegung der Zeit Adlerschwingen verliehen hat, wie die deutsche Reformation in ihrem raschen Umgreifen, in ihren 638
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder