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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.05.1900
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- 08.05.1900
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- Deutsch
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105, 8. Mai 1900. Nichtamtlicher Teil. 3549 Nichtamtlicher Teil. Umschau im neuen Recht. (Vgl. Börsenblatt Nr. 93.) II. Daß sich das Bürgerliche Gesetzbuch vor älteren, ähn lichen Gesetzgebungswerken durch seine Kürze auszeichuet, ist kein Zufall; es beruht auf einer Wandlung im Geiste der Gesetzgebung, die am deutlichsten aus der Vergleichung mit einem früheren großen Gesetzbuch, dem Preußischen Allgemeinen Landrecht hervorgeht. Letzteres verdankt den Anlaß seiner Entstehung dem bekannten Müller Arnoldschen Prozeß, dessen Entscheidung nicht im Sinne Friedrichs des Großen ausfiel und den be teiligten Kammergerichtsräten im Wege königlicher Kabinetts ordre die Kassierung und ein Jahr Festung eintrug. Dem Mißtrauen des Königs gegen den Doktrinarismus des Richter standes entsprang die Schöpfung des Gesetzes, und diesem Geiste entspricht seine kasuistische Methode. Wäre die selbe vollständig durchführbar und die Vorausentscheidung für jeden denkbaren Fall überhaupt möglich, so müßte die Rechtsprechung automatisch funktionieren; man brauchte nur den Thatbestand einzugeben, damit die im voraus zu berech nende Entscheidung herauskäme. Daß dies aber undurchführbar ist, wird wohl heute von keiner Seite bezweifelt, und deshalb ist die Gesetzgebung trotz der unleugbaien Vorzüge, die jene Methode einer ins ein zelne gehenden Belehrung des Richters gerade im preußischen Landrecht gezeigt hat, fast zum entgegengesetzten Extrem übergegangen. In der That sind die Erscheinungen des Lebens viel zu mannigfaltig, um sich im voraus in feste Formen zwingen zu lassen, und deshalb hat die kasuistische Methode neben dem ziemlich unschuldigen Nachteil einer Belastung des Ge setzes mit Bestimmungen für Fälle, die vermutlich niemals Vorkommen werden, den weit bedenklichern, daß sie notwendig zur Unvollständigkeil führen muß; dem kann der Richter nur durch das Mittel der analogen Anwendung abhelfen — und unter Umständen auch das nicht. Ein in den letzten Jahren viel erörtertes Beispiel kann dies belegen: das Reichsgericht ist heftig angegiisfen worden wegen einer Entscheidung, in der es den Diebstahl an Elektrizität für straflos erklärt hat. Und doch konnte es nach dem bestehenden Recht nicht anders entscheiden. Denn nach 8 242 des Strafgesetzbuchs ist Dieb stahl nur die Aneignung einer fremden, beweglichen Sache, und da die Elektrizität auch in aufgespeichertem Zustande, soviel wir wissen, kein Stoff, sondern nur eine Kraft ist, so ist sie eben keine bewegliche Sache und ihre Aneignung kein Diebstahl. Nach älteren Rechten, insbesondere nach dem römischen, wäre dagegen die Aneignung von Elektrizität strafbar gewesen, weil jene einen viel umfassenderen Dieb stahlsbegriff kannten, weil sie auch den bloßen widerrecht lichen Gebrauch einer fremden Sache als Diebstahl ansahen. Wie also jemand, der ein fremdes Pferd ohne Erlaubnis reitet, so wäre danach auch jemand, der aus fremden Llppa- raten Elektrizität ableitet, des Diebstahls schuldig gewesen, freilich nicht des Diebstahls an der elektrischen Kraft, aber an dem Gebrauche der diese Kraft erzeugenden Maschinen. Indem das Strafgesetzbuch den Diebstahlsbegriff auf die völlige Aneignung fremder Sachen eingeschränkt hat, ist eine Lücke entstanden, die erst mit der nicht vorauszusehenden technischen Verwendung der Elektrizität wieder als Uebel- stand empfunden wurde. Gegenwärtig soll dem durch eine kasuistische Strafbestimmung über den Diebstahl an Elektrizität abgeholfen werden; aber die Lücke wird damit nicht geschlossen; sie würde augenblicklich von neuem fühlbar werden, wenn Siebenundsechziaster Jahrgang. künftig auch andere Naturkräfte, ähnlich wie bisher die Elektrizität, zur Verwendung angesammelt werden sollten. Die neuere Privatrechtsgesetzgebung hat deshalb sicherlich recht gethan, wenn sie sich mehr und mehr von der kasuistischen Methode abwendet und auch auf die Gefahr schwer verständlicher Abstraktion hin bemüht ist, nur allgemeine Umrisse zu geben und innerhalb dieser dem richterlichen Ermessen möglichst ausgiebige Freiheit zu lassen. Dementsprechend sind die neueren bürgerlichen Gesetze gerade auf Vertrauen zum Richterstande aufgebaut. Das galt schon vom bisherigen Handelsgesetzbuch, und es gilt noch in erhöhtem Maße vom Bürgerlichen Gesetzbuch und dem neuen Handels gesetzbuch. Es zeigt sich in erster Linie in der weitgehenden Berück sichtigung der Gewohnheiten und Gebräuche, die weder im Gesetze selbst kodifiziert werden können, noch die Kraft von Gewohnheitsrecht haben, und auf die der Richter gleichwohl fort und fort vom Gesetz hingewiesen wird. Die Handelsgebräuche, Usancen, hatten bekannt lich schon nach altem Handelsrecht ihre Hauptbedeutung als Auslegungs- und Ergänzungsnorm für undeutliche und unvollständige Willenserklärungen und als Richtschnur für die Erfüllung von Verpflichtungen. Ersteres vor allem hinsichtlich der Bedeutung von Handlungen und Unter lassungen (Art. 279 a. F., tz 346 n. F.), letzteres z. B. in sofern, als die von einem Kaufmann bei Handelsgeschäften zu beobachtende Sorgfalt die eines ordentlichen Kaufmannes ist (Art. 282, a. F., Z 347. 1 n. F.), insofern die Erfüllung während der gewöhnlichen Geschäftszeit geleistet und ange nommen werden muß (Art. 332, Z 358), u. a. m. Die gleiche Bedeutung haben nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch allgemein die Verkehrssitte, nach dem Handels gesetzbuch n. F. die Gewohnheiten und Gebräuche im Handelsverkehr. 1. Für die Auslegung von Willenserklärungen bestimmt § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches — entsprechend Art. 278 des Handelsgesetzbuchs a. F. —, daß der wirk liche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Natürlich gilt das nur für Er klärungen, deren Wortlaut unter Berücksichtigung der beglei tenden Umstände eine verschiedenartige Deutung zuläßt; ein den Worten widersprechender Inhalt kann in die Erklärung auch dann nicht durch Auslegung hineingetragen werden, wenn er dem wirklichen Willen des Erklärenden entspricht. Wenn z. B. jemand beim Bankier Papiere zum Kurse von 104 kaufen will und versehentlich 114 schreibt, so kann seine Erklärung nicht so ausgelegt werden, als hätte er 104 ge schrieben. Wenn er dagegen zum Tageskurs bestellt und den Frühkurs meint, so ist seine Erklärung diesem seinem Willen entsprechend zu verstehen, auch wenn der Kurs bis zum Mittag gewechselt hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält nun zwar keine für alle Erklärungen geltende Vorschrift, wonach es bei einer solchen Auslegung auf die Verkehrssitte ankommt. Dagegen bestimmte Art. 279 des Handelsgesetzbuchs a. F., daß bei Handelsgeschäften, und bestimmt Z 346 der neuen Fassung, daß — infolge des Wegfalls der absoluten Handelsgeschäfte — »unter Kaufleuten« in Ansehung der Bedeutung von Hand lungen und Unterlassungen auf die im Handelsverkehr gel tenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen ist. Trotzdem aber besteht hier zwischen bürgerlichem und Handels recht ein Unterschied nur insofern, als dort die allgemeinere Verkehrssitte, hier der speziellere Handelsgebrauch maßgebend ist, also der letztere für Erklärungen eines Nichtkaufmannes auch im Verkehr mit einem Kaufmann nicht zu beachten ist. 476
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