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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.04.1900
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1900-04-26
- Erscheinungsdatum
- 26.04.1900
- Sprache
- Deutsch
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3214 Nichtamtlicher Teil. 95, 26. AM 1900. Gewiß, Herr Wachtmeister. Aber bitt' schön: darf ich für die Altenburgerin und die Spreewälderin hier das Bild hineinlegen: »Helgoländerinnen und Matrosen in dem Tanz- lokal »Zur Hohen Mcereswoge« auf Helgoland«? Ei ja, det ist was Patriotisches. Und hier aus Fürst Polonkas Weltreise: »Der Fürst, die samoanische Prinzessin Papaloloa und ihre Hofdamen«? Na, die braunen Damen haben gerade nicht viel an. Aber wenn sich Seine Durchlaucht mit ihnen hat photo graphieren lassen, dann habe ich nischt jegen das Bild. Außerdem bewegt es sich in die Richtung von unsere Kolonialpolitik. Darf ich auch die Photographie des Sultans im Schau fenster haben? Hören Sie, Männeken, Sie scheinen mir in Majestäts beleidigungen einlenken zu wollen. Ick will mal Ihre schnoddrige Frage nich verstanden haben; Ihr Herr sitzt ohnedies schon jenug ins Unglück. Darüber war eine junge, elegant gekleidete Dame ein getreten, vor der der Schutzmann eine respektvolle Haltung annahm und sich still entfernte. Bitte, geben Sie mir die Photographie des Richterschen Bildes der Königin Luise, in Kabinettformat. Fritz Vogel, der kecke, wurde rot. Die Photographie war da, neben ihm in der Schieblade lag sie, aber . . . Verzeihen Sie, gnädiges Fräulein, ich weiß nicht . . . darf ich das Bild Ihnen zusenden? Nein, ich will es gleich mitnehmen. Fritz Vogel wurde noch röter. Aber wie ein Soldat auf Posten, getreu seiner Instruktion, raffte er sein Inneres zusammen und platzte heraus: Haben gnädiges Fräulein eine Erlaubnis? Nun war das Erröten an der jungen Dame: tiefe Purpurglut färbte die weiße Stirn bis unter das elegante Hütchen. Geben Sie mir die Photographie! sagte sie fast tonlos; mein Vater wünscht es. Gnädiges Fräulein, falls Sie mir das nicht schriftlich geben können, darf ich Ihnen das Bild nicht verkaufen. Aus drücklicher Befehl meines Herrn Prinzipals! Wortlos bebte die junge Dance zur Thür hinaus. Um Gotteswillen, was haben Sie angerichtet! stürzte Ganghuber aus dem Hintergründe hervor. Die jüngste Tochter des Regierungspräsidenten! Weiß ich, Herr Ganghuber, erwiderte der ebenfalls höchst verdattert aussehende Fritz Vogel; ich weiß aber zufällig auch genau, daß sie erst am 3. Oktober sechzehn Iahte alt wird. Da werde ich mich hüten, ihr ein so tief ausgeschnit tenes Bild zu verkaufen. Unsinn, Vogel, die Königin Luise! rief Ganghuber händeringend. — Die Tochter des Regierungspräsidenten! Jawohl, und das Fräulein Wildenhagen, der Herr Habe dank den Faust verkauft hat, ist die Tochter eines Kanzlei rats. Ich thue, wie uns Herr Habedank befohlen hat: Für Damen unter sechzehn Jahren ist der halbe Laden Giftschrank. Da rasselte eine Droschke vor die Thür. Ihr entstieg zuerst Herr Müller, Habedanks Redakteur und Faktotum an der Schönburgischen Zeitung; dann Habedanks alter Rechts beistand, der Hofrat I)r. von Koehler; endlich Habedank selbst. Er war im schwarzen Gehrock, auf der Brust das Eiserne Kreuz und die Feldzugsmedaille von 1870/71, auch die gelbe Medaille von 1897. Der kräftige Mann war totenblaß; die Freunde Holsen ihm aus der Droschke und Müller führte ihn in das Schreibzimmer hinter dem Laden. Dort sank Habedank auf seinen Arbeitstuhl, preßte die Hände vors Ge sicht, und ein Weinkrampf erschütterte den ganzen Körper. Mit angsterfülltem Gesicht erschien an der Hinterthür Frau Habedank. Der Hofrat machte ihr hinter dem Rücken ihres Mannes ein Zeichen, indem er einen Finger in die Höhe streckte. »Ein Jahr?!« kreischte die Frau. »Mein lieber, lieber armer Mann«, und sie suchte seine Hände zu fassen. »Nein, nein, nur eine Woche!«, sagte vr. von Koehler. Nur — eine — Woche! wiederholte Habedank, sich aufrichtend, jedes Wort betonend. Ja, liebe Frau, Du wirst bald einen Gefängnis-Insassen zum Manne haben. Herr Müller, mir ist alles undeutlich, wirr, wie ein Traum; nur das eine schreckliche Wort habe ich behalten. Sie haben ja wohl die Begründung des Urteils stenographiert. Lesen Sie, damit es meine arme Frau auch hört.« Redakteur Müller griff in seine Tasche und las: Urteil der Ferienstrafkammer des Königlichen Landgerichts zu Schönburg: Im Namen des Königs! Der Buchhändler und Buchdruckereibesitzer Peter Jeremias Habedank wird wegen Vergehens gegen Z 184s, des Strafgesetzbuches zu einer Woche Gefängnis und zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt. Gründe. Der Angeklagte ist überführt und geständig, 1. in den Tagen vor dem 30. Juni d. I. den ersten Teil des Schauspiels »Faust« des verstorbenen Schriftstellers Joh Wolfgang von Goethe in seinem Schaufenster aus gestellt zu haben; 2. dasselbe Werk am 30. Juni der fünfzehnjährigen Schülerin Marie Wildenhagen gegen Zahlung von 20 Pfennig, also gegen Entgelt überlassen zu haben. Die Handlung aä 1 würde, falls Goethes Faust eine Schrift ist, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Scham gefühl gröblich zu verletzen geeignet ist als ein Vergehen gegen 184 rr Ziffer 1 des Strafgesetzbuches, die Handlung aä 2 als ein Vergehen gegen Ziffer 2 desselben Para graphen sich darstellen. Die Strafanzeige ist durch den Seelsorger der Marie Wildenhagcn, den Kaplan Wolfgang Braun, erstattet worden. Der Bitte des Vaters der Marie Wildenhagen, des Kanzleirats Wildenhagen, um Einstellung des Ver fahrens ist seitens der Königlichen Staatsanwaltschaft nicht nachgegeben worden. Da die Thatsachen durch das unumwundene Geständnis des Angeklagten feststehen, so war gerichtsseitig lediglich zu prüfen, ob Goethes Faust, erster Teil, den Voraussetzungen des Z 1848 entspricht, welche Frage das Gericht bejaht hat, indem es im ganzen den Ausführungen der Anklage behörde beitrat. Wenn diese behauptete, zum Aufbau der Handlung des in Frage stehenden Theaterstückes seien vor wiegend unsittliche Handlungen seitens des Dichters heran gezogen worden, nämlich die Verführung eines bis dahin frommen und unbescholtenen Bürgermädchens durch einen Universitätsprofessor mit Hilfe einer Kupplerin, die Be täubung der eigenen Mutter des Mädchens durch einen von demselben derselben gereichten Schlaftrunk, der schließ lich vollbrachte Kindesmord, von anstößigen Stellen in den Scenen in Auerbachs Keller oder auf dem Brocken und auch sonst gar nicht zu reden, so konnten diese Be hauptungen nicht widerlegt werden. Jngleichen war den Darlegungen des Zeugen Kaplans Braun, daß die Hand lung des genannten Schauspiels das katholische und christliche Bewußtsein mehrfach zu verletzen geeignet sei, indem die Verführung des sehr kirchlich gesinnten Gretchens als mit Hilfe des Teufels erfolgt dargestellt sei, indem sogar die Verführung vor der Kirche oegvnnen habe, indem endlich das Schlußwort die Kindesmörderin »gerettet« sein lasse, während nichts von einer voraufgegangenen Aussöhnung mit der Kirche erwähnt werde, die subjektive Berechtigung nicht zu
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