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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.06.1900
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- 07.06.1900
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4348 Nichtamtlicher Teil. 129, 7. Juni 1900. zu Feltre in der Lombardei die Erfindung in Anspruch, in den Niederlanden sollte Laurens Koster der Ruhm gebühren, und dem Andenken beider dienen eherne Standbilder in ihren Vaterstädten. Der ungeheure Unterschied zwischen jener und unserer Zeit wird uns klar, wenn wir bedenken, daß es laüge Zeiten hindurch möglich war, über die Persönlichkeit des Erfinders einer ebenso notwendigen wie genial erdachten Kunst zu streiten. Man denke sich, daß heute jemand die erste prak tische Lösung des Flugproblems fände! Niemals wäre es möglich, daß sein Name in Vergessenheit geraten könnte; aus Tausenden von Zeugnissen könnten unsere Nachkommen sich ein ganz genaues Bild dieses Mannes zusammensetzen; und wir wissen nicht einmal, wann unser Gutenberg ge boren ist! 1640 und 1740 feierte man in Straßburg pompös das Erinnerungsjahr der Erfindung der Buchdruckerkunst; aber nicht Gutenberg war der Gegenstand der Verherrlichungen, sondern Johann Mentel aus Schlettstadt! Das unglückliche Verhängnis, das den Erfinder und seine Kunst umschwebt, war allerdings dazu angethan, aller lei Legendenbildungen zu begünstigen. Nicht allein, daß wir von ihm selbst keinerlei unanfechtbare schriftliche oder typo graphische Zeugnisse für seine Bedeutung besitzen, sondern es bietet sich auch die Schwierigkeit, daß mit seiner Erfindung des Druckes mit beweglichen Buchstaben auch diejenige des Druckes mit unbeweglichen Lettern zeitlich nahe zusammen fällt, ja daß sogar die Herstellung von Holzschnittbüchern sicher nicht älter ist als diejenige von Büchern, die mit be weglichen Lettern gedruckt sind. Den Zeitgenossen mußten die Erzeugnisse des einen wie des anderen Verfahrens — wenn die Kunst anfangs Geheimnis bleiben sollte — gleich wunderbar erscheinen, und so können heute manche Zeugnisse für den Textdruck insofern Veranlassung zur Verwirrung geben, als man nicht sicher ist, ob sie sich auf die Herstellung von Drucken mit beweglichen oder mit unbeweglichen Lettern beziehen. Ich erinnere in dieser Hinsicht an die Aufzeichnungen des Abtes Jean-le-Robert von St. Aubert, auf die die Belgier bis in die neueste Zeit ihren Anspruch auf die Er findung der Druckkunst in unserem Sinne für den Brügger Johannes Brito stützen. Zu diesen Unsicherheiten kommt die Skrupellosigkeit, mit der häufig in früheren Zeiten gearbeitet worden ist, und die vor direkten Fälschungen nicht zurück geschreckt ist. Im Jahre 1856 fand man in Mainz bei dem Ausgraben eines Kellers in dem Hofe »Zum Jungen«, wo Gutenberg eine Werkstätte errichtet haben soll, nichts Geringeres als die Trümmer seiner ersten Druckerpresse, und damit sie auch richtig als solche erkannt werden sollten, trugen sie gleich die Jahreszahl 1441, inmitten der Initialen I. G. — Johannes Gutenberg. Leider fehlte nur noch die Eingrabung »teoit Konrad Sahspach, Drechslermeister, vgl. meinen Prozeß mit Dritzehn«. Wenn sich die Fälschungen auf solche Nebensächlichkeiten beschränkt hätten, so könnte man darüber lachen; aber auch die Urkunden, auf die sich unsere Hauptkenntnis Gutenbergs gründet, sind nicht unangefochten geblieben. Der von Professor Bodmann aufgefundene Straßburger Brief Gutenbergs vom 24. März 1424 an eine gleichfalls von Bodmann erfundene Schwester Bertha, eine Urkunde vom 13. Juli 1459 über eine Bücherschenkung u. a. m. sind als Erfindungen ihres Entdeckers nachgewiesen. Faulmann betrachtet die sämtlichen Straßburger Urkunden als dreiste Fälschungen des Professors Schöpflin. Von der Linde zeiht Schöpflin in einem Falle ebenfalls der Fälschung, während Karl Schorbach diesen in Schutz nimmt und den Gewährs mann von der Lindes, Meermann, einen absichtlichen Fälscher nennt. Irgend etwas muß da also wohl nicht stimmen. Doch betrachten wir die Dinge etwas näher. Von Gutenbergs Jugend ist uns so gut wie nichts be kannt; in sein Mannesalter werfen einige Urkunden ein dürftiges Licht und von dem letzten Jahrzehnt seines Lebens sind nur einige magere Angaben sicher. Das Mainzer Patriziergeschlecht der Gensfleisch (— Gänse fleisch), aus dem der Erfinder stammte, hat sich mit seinen Zweiglinien ungemein ausgebreitet, so daß man sich nur schwer in die Verwandtschaften dieser großen Familie hinein finden kann. Die Möglichkeit hierzu bietet sich seit Be kanntwerden vieler Urkunden aus den Briefschaften der nach mals freiherrlichen Familie zum Jungen, die der Geschichts professor Joh. Dav. Köhler in Göttingen 1741 veröffentlichte, und seit der Publikation C. A. Schabs, der 1830 viele andere Urkunden zusammenstellte. In allen diesen Doku menten wimmelt es von Peters, Heunes und Frieles, die oft gar nicht auseinander zu halten sind. Gleichzeitig gab es in der Periode, auf die es uns hier ankommt, zwei Johann Gutenberg und drei Johann Gensfleisch! Man hält den Johann Gutenberg, der ein Sohn Friele (— Friedrich) Gensfleischs war, für den Erfinder. Seine Mutter, eine geborene Else Wyrich, brachte dem Vater als letzte ihres Geschlechts einen Teil des Hofes zum Gutenberg mit in die Ehe, dessen anderer Teil an das Geschlecht »zum Jungen« kam. Nach diesem Hause, einem sogenannten Juden erben, das bei den im 14. Jahrhundert am Rhein wütenden Verfolgungen der Juden diesen abgenommen worden war, nannte sich fortan Friele Gensfleisch, und dieser Name sollte von seinem Sohne Johannes den Nimbus der Unsterblichkeit empfangen. Hand in Hand mit der Umwertung der Werte in Kunst und Wissenschaft, die in Deutschland, wie schon gesagt, etwas später als in Italien, im 15. Jahrhundert stattfand, ging eine Umwälzung der politischen Zustände in den Städten am Rhein. Die wirtschaftlichen Verhältnisse hatten hier eine lang same Aenderung erfahren, indem die in Zünfte geschlossenen Gewerbetreibenden wie auch die vereinigte Kaufmannschaft Mächte geworden waren, mit denen die adeligen, in den Städten allenthalben herrschenden Geschlechter rechnen mußten. Ungestüm pochten sie auf ihre Bedeutung, ihre Bildung und auf ihre Geldsäcke und verlangten einen größeren Anteil an der Regierung der mächtig angewachsenen Gemeinwesen, eine Forderung, der sich die Geschlechter aus das hartnäckigste und kurzsichtigste widersetzten. Die Entscheidung wurde deshalb allenthalben auf die Spitze der Schwerter gestellt. Noch knapp vor dem Schluß des gärenden 14. Jahrhunderts war es in Köln zum entscheidenden Zusammenstoß gekommen. Besiegt und gedemütigt mußten die Geschlechter von den Sesseln zurücktreten, die sie jahrhundertelang innegehabt hatten und die nun von einer früher verachteten und rechtlos gehaltenen Menschenklasse eingenommen wurden. Die Demokratie erhob ihr mächtiges, auf Stiernacken sitzendes Haupt, und anderthalb Jahrzehnte später, im Jahre 1411, gelang es auch zum erstenmal den Mainzer Bürgern, den Händen der Patrizier geschlechter das städtische Scepter zu entwinden. Das Brennus- che Vs.8 viotis! bestand auch noch tausend Jahre nach dem rücksichtslosen Gallier zu Recht, und unbarmherzig wurden die Geschlechter aus ihren Vaterstädten vertrieben, um die ich ihre Vorfahren meist die größten Verdienste erworben hatten. Neues Leben sproßte allüberall, das mit dem zu- ammengetretenen Humus faul gewordener Zustände gedüngt werden mußte. Wahrscheinlich befand sich unter den 112 Mitgliedern des Mainzer Adels, die 1411 den städtischen Staub von den Füßen schütteln mußten, auch der Vater unseres Erfinders, und vielleicht auch dieser selbst. Das Letztere ist übrigens gar nicht sicher, denn in einem späteren bischöflichen Vertrage heißt es, daß Henchen zum Gudenberg »br> den Alten zu
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