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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.04.1901
- Strukturtyp
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- 1901-04-26
- Erscheinungsdatum
- 26.04.1901
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- Deutsch
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3364 Nichtamtlicher Teil. 96, 26. April 1901. (Dr, Müller-Meiningen.) Zukunft mit demselben nichts anfangen. Man ist ja darüber voll kommen einig, daß im wesentlichen durch diesen Passus die An thologien, die Chrestomathien, die Kommersbücher freigegeben werden sollen. Es ist nun meiner Anschauung nach doch zweifel los, daß in vielen Fällen ein unerhörter Unfug mit dem Zu sammenschreiben von zwei oder drei Büchern in ein einziges Buch gemacht wird. Wie werden denn derartige Chrestomathien und Anthologien in sehr vielen Fällen gemacht? Die allerbesten Ge dichte werden aus der Sammlung eines Dichters hcrausgenommen, sie werden zusammengesetzt mit den Gedichten anderer Autoren, endlich schreibt der sogenannte -Autor- stolz seinen Namen auf das Titelblatt, so ist das neue Werk entstanden. Er nimmt die Rosinen aus dem Kuchen heraus. Das eigene Werk des in sehr vielen Fällen noch unbekannten Autors braucht natürlich kein Mensch mehr zu kaufen, wenn das Beste herausgenommen ist. Eine derartige gewerbsmäßige Räuberei von litterarischen Erzeug nissen können wir doch unmöglich durch die Gesetzgebung unter stützen, wie es durch die Fassung des Gesetzes vom Jahre 1870 geschehen ist. Es war mir sehr interessant, daß der Herr Kollege Hasse von einer Enquete bei den Schriftstellern sprach, die sich für Beibehaltung dieses Passus im Gesetze ausgesprochen hätten. Es wäre mir aber noch viel interessanter gewesen, wenn der Herr Kollege Hasse die Liebenswürdigkeit gehabt hätte, diese Autoren zu nennen; denn, soviel ich weiß, haben fast alle die Schriftstellervereinigungen die über die Sache gefragt worden sind, sich — das wird mir, wie ich glaube, von seiten der Herren Regierungsvertreter sofort be stätigtwerden — gegen die Einsetzung dieses Passus ausgesprochen; sic wären ja auch reine Thoren, wenn sie dies nicht gethan hätten, denn sie leiden ja am allermeisten unter einer derartigen Räuberei. Nun geht eine weitere Einrede, mit der man die Bestimmung verteidigt, dahin, daß man sagt: der Dichter soll zufrieden sein, wenn er auf diese Art bekannt wird. Meine Herren, das erinnert an das, was wir gestern beim H 11 auseinandergesetzt haben: wollen Sie den Dichtern gefälligst die Art und Weise selbst über lassen, wie sie bekannt werden wollen! Sie danken zum aller größten Teil für eine solche -Reklame-, um das Wort des Herrn Kollegen Hasse zu gebrauchen; sie wollen in ihrer großen Majori tät in solcher Weise unter fremdem Namen nicht bekannt gemacht werden. Meine Herren, ich möchte sagen, die Einrede, daß der Dichter dadurch bekannt wird, erinnert mich wirklich an den Dieb, der, als er erwischt wird, sich damit verteidigt, daß er sagt: seid doch froh, ich habe den Gegenstand, den ich gestohlen habe, seinem be stimmungsmäßigen Gebrauche zugesührt! Ebenso könnte in dem vorliegenden Falle der litterarische Dieb gegenüber dem Bestoh lenen schließlich auch sagen: sei doch froh, ich habe dich ja durch den Diebstahl bekannt gemacht! Ich glaube wohl sagen zu dürfen, daß gegen eine derartige Logik die Mehrzahl aller Autoren sich wehren wird. Meine Herren, was kompilatorische Werke anlangt, wie z. B. Aphorismensammlungen, die unter gewissen originellen Ge sichtspunkten in einem logischen System — beispielsweise Acußerungen von berühmten Autoren oder berühmter Männer überhaupt — bringen, etwa über Gesang, über Musik, Theater u. s. w., bei welchen die systematische Gliederung eine originelle Geistesarbeit enthält, so fallen diese meiner An schauung nach, wenn sie einen litterarischen Wert haben, unter den ß 19 Ziffer 1 und 2. Es ist ein Vorzug der Regierungsvor lage, daß sie, wo das öffentliche Interesse in Frage kommt, das Prinzip, das wir allgemein aufgestellt haben, in richtiger Weise durchbricht. Das Prinzip ist vor allem durchbrochen im Interesse der öffentlichen Jugenderziehung in dem A 19 Ziffer 3 — damit bin auch ich durchaus einverstanden. Aber weiter zu gehen im Inter esse einzelner Litteraten und solchen gewerbsmäßigen Diebstahl fast schrankenlos zu erlauben, dafür besteht doch wahrhaftig nicht der geringste Grund. Meine Herren, ich glaube auch nicht, daß Herr Kollege vr. Hasse recht hat, wenn er meinte, daß die Oeffentlichkeit an der Aufrechthaltung des bekämpften Passus beteiligt wäre, daß es ein Kulturbedürfnis sei, das Recht der Kompilation so weit auszu dehnen. Ich habe bereits auseinandergesetzt, daß bloß ein öffent liches Bedürfnis in dieser Richtung besteht, und das ist bereits berücksichtigt in § 19 Ziffer 3, soweit die Jugenderziehung in Frage kommt. Aber im übrigen haben wir doch eine derartige Masse gcmeinfreier Werke, daß die Herren, die derartige Chrestomathien herausgeben wollen, wahrhaftig noch mehr als genug Material zur Bearbeitung haben. Meine Herren, wenn neue, d. h. noch geschützte Werke zu solchen Sammlungen benutzt werden sollen, so ist es meiner Ansicht nach nicht mehr als recht und billig, daß der Autor oder sein Verleger auch gefragt werde, ob er die Benutzung seines Opus gestattet. Was nun den Antrag des Herrn Kollegen Wellstein insbeson dere anlangt, so geht er ja lange nicht so weit wie Herr Kollege Or. Haffe. Ich habe auch eine große Liebe für die schönen Lieder vom Zwerg Perkeo und vom Rodensteiner und singe auch mit freudiger Begeisterung das schöne Lied: »Wohlauf, die Luft geht frisch und rein!» (Heiterkeit); aber das kann mich doch unmöglich dazu bringen, daß ich eine derartige kasuistische Ausnahme von der Regel lediglich zu gunsten der Kommersbücher und ihrer Verleger mache. Denken Sie doch an die Logik, zu welcher das führt. Sind die Noten bei dem Texte, dann ist das Werk ohne weiteres in seinem ganzen Umfange geschützt; fehlen die Noten, dann ist das Textwerk ohne weiteres frei. Wo da die gesetzgeberische Logik liegen soll, das ist mir völlig unklar. Ich glaube also, daß auch in dieser Richtung ein öffentliches Interesse in keiner Weise besteht, und bitte Sic daher dringend, die beiden Anträge abzuweisen und bei der Regierungsvorlage zu bleiben. Fischer (Berlin), Abgeordneter: Meine Herren, ich bin allerdings der Meinung, daß wir am besten thäten wenn wir die Worte -Kirchen-, Schul- oder« in dem letzten Satze der Kom missionsfassung des ß 19 überhaupt streichen würden; denn ich sehe gar nicht ein, was für einen Anlaß wir haben sollten, die Verleger von sogenannten religiösen Werken oder Schulbüchern besser zu stellen als alle anderen Verleger. Die für den Schul gebrauch bestimmten Sammlungen sind schließlich in dem Aus druck -für den Untcrrichtsgebrauch» bereits enthalten. Ich bin aber noch aus einem anderen Grunde für diese Zusammenfassung in den allgemeineren Ausdruck »Unterrichts gebrauch-, weil ich glaube, daß die jetzige Fassung des Begriffes allen oppositionellen Parteien verderblich werden kann. Ich nehme den Fall an, die Sozialdemokraten gäben eine Anthologie für sozialdemokratische Unterrichtszwecke, für die Heranwachsende sozialdemokratische Jugend heraus. Die Erfahrungen, die ich mit der deutschen Rechtsprechung gemacht habe, mit der Kunst deutscher Richter, in der Interpretation das zu leisten, was den augen blicklichen Bedürfnissen der herrschenden politischen Strömung entspricht, lassen mich besorgen, daß diese sozialdemokratische Sammlung von dem Richter nicht unter den Begriff des Unter richtsgebrauches ausgenommen würde. Ich stehe aber davon ab, hier Anträge in dieser Richtung zu stellen, weil ich überzeugt bin, daß ich die Mehrheit des Hauses dafür nicht gewinnen könnte. Nun hat der Herr Abgeordnete Or. Müller die Anthologien als gleichbedeutend mit einem allgemeinen Raub behandelt. Cr hat ihre Herausgeber als Räuber hingestellt und gemeint, solche Sammlungen seien nur gedankenlose Zusammenstoppelungen der besten, vielleicht auch der schlechtesten Gedichte der einzelnen Autoren, und das einzige Verdienst bestehe darin, daß der Ver fasser seinen Namen vorsetzt. Ich gebe zu, solche Anthologien giebt es vielleicht mehr, als jeder anständige Mensch für an gemessen erachtet; aber allgemein trifft dieser Vorwurf nicht zu. Wenn der alte Scherr erlebt hätte, daß man ihn als -Räuber- und seinen -Bildersaal der Weltlitteratur- als -gedankenlose Zusammenstoppelung- hinstellt (Widerspruch links), wenn die Strodtmann, Jacubowski, der sogar eine Zehnpfennig- Anthologie herausgegeben hat, diese Vorwüfe erlebt hätten (Zuruf links) — ich gebe zu, daß Sie die nicht gemeint haben mit diesem Ausdruck, aber darum dürfen Sie in dieser allge meinen Weise von den Anthologien eben nicht sprechen und sie nicht als Grund dafür anführen, um ein Verbot der Anthologien in dieses Gesetz hineinzubringen. Die Frage der Anthologien ist überhaupt streitig, und die Behauptung der Regierungsvertreter, wie auch der Kommissions mehrheit ist nicht zutreffend. Das steht außer Zweifel, daß es weite Kreise im Volke giebt, die nicht in der Lage sind, sich die Werke der modernen Dichter anzuschaffen. Es liegt aber auch im Interesse der Gesellschaft selber, daß diese Kreise teilnehmen an der modernen geistigen Entwickelung. Auf der anderen Seite müssen wir in Betracht ziehen, daß es gerade diese nicht be mittelten Volksschichten sind, die zu den Lasten der Schulen, der Universitäten, zu der Ausstattung von talentierten jungen Leuten mit Stipendien beitragen müssen. Da wäre es kein unbilliges Verlangen, wenn die Gesellschaft die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes gleichsam als Aequivalent ansähe für diese Leistungen, welche sie aus den Mitteln der Allgemeinheit auf wendet für die Heranbildung der Autoren, und die diese Autoren erst in die Lage setzen, selbständige Schöpfungen produzieren zu können, — wobei auch nicht übersehen werden darf, daß die Autoren dabei nur sich stützen auf die Werke ihrer Vorgänger. Ich kann ein solches Aequivalent nicht als unbillig erachten. Heute sind die Dinge so, daß, wenn die Nichtbemittelten Kenntnis nehmen wollen von der modernen Litteratur, sie das oft nur können aus den ihnen da und dort zu Gesicht kommenden Ab-
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