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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.03.1903
- Strukturtyp
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- 1903-03-13
- Erscheinungsdatum
- 13.03.1903
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- Deutsch
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2064 Nichtamtlicher Teil. 59, 13. März 1903. durch die Ausstellung oder fachwissenschaftliche Vorträge in derselben veranstaltet, damit in der kunstsinnigen Bevölkerung Wiens das Interesse für die Buchbinderkunst erweckt wird, denn es läßt sich nicht leugnen, vor der Hand nimmt man in allen Kreisen, von Leipzig natürlich gar nicht zu reden, in Berlin, Hamburg, Dresden, Frankfurt und Düsseldorf unverhältnismäßig größeren Anteil an der Weiter- und Auswärts-Entwicklung der Buchbindexkunst als in Wien. München, die erste deutsche Kunststadt, steht allerdings auf diesem Gebiet weit zurück. Hoffentlich wird die Kunstgewerbe ausstellung im Jahre 1904 in München das nachholen, was dort auf diesem Gebiet seit vielen Jahren versäumt und vernachlässigt worden ist, trotzdem der größte und bedeutendste Kunstgewerbeverein Deutschlands seinen Sitz in München hat*). Möge diese ernste Mahnung an die süddeutschen Buchbinde reien, Kunstbuchbinder u. s. w. nicht ins Leere verhallen. Trotzdem dem österreichischen Museum für die historische Abteilung seiner Ausstellung teilweise, wie gesagt, die Hände gebunden waren, finden wir in der Ausstellung einige schöne, charakteristische und gut erhaltene Exemplare aus alter Zeit. Majoli, der große Italiener, ist mit einem schönen Ganz lederband in Kalbleder mit Goldpressung und Bandorna menten in Silber vertreten, sein kongenialer Zeitgenosse in Frankreich, Jean Grolier, mit einem schwarzen Ganzleder band mit gepreßten und vergoldeten Randleisten und einem Arabeskenornament in der Mitte; weiterhin ungefähr zwei Dutzend mehr oder minder typischer, französischer und italienischer Einbände aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, von denen ein Ganz - Kalblederband mit gepreßten und vergoldeten Spitzenfächer- und Ranken ornamenten mit dem Wappen der Medici in der Mitte das Glanzstück bildet. Unter den deutschen Arbeiten fällt in der Qualität ein rot gefärbter Ganz-Schweinsleder band auf aus dem beginnenden achtzehnten Jahr hundert mit gepreßten und vergoldeten Blumenranken in den Ecken und grau bemaltem Rankenornament in der Mitte; an der Innenseite ist der Pergamentdeckel mit ver goldeten Ranken und Tieren geschmückt. Aber alle diese Stücke sagen dem Kenner kaum etwas Neues, wohingegen die stattliche Kollektion von zwanzig englischen und schottischen Einbänden des sechzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts aus der Sammlung des Grafen Vinzenz Latour in Wien wertvolle Anregungen bietet und manche neue Aufschlüsse über die Buchbinderkunst Großbritanniens gibt. Vor allem bestätigt diese schöne Serie natürlich den außerordentlich hohen Stand der englisch-schottischen Buchbinderkunst, die allerdings unter besonders günstigen Bedingungen florierte. Man rufe sich nur ins Gedächtnis, daß seit Heinrich VIII., also etwa mit dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, kein Monarch Großbritanniens verabsäumte, die Buch binderkunst durch reiche und splendide Aufträge zu fördern. Mag Heinrich VIII. unter den Historikern als grausam und tyrannisch verrufen sein, die englischen Buchbinder müssen sein Andenken hoch halten als des ersten Förderers großen Stils ihrer Kunst. Und diese Tradition, deren Funda ment Heinrich VIII. legte, hat sich unter Englands Mon archen erhalten bis auf den heutigen Tag. Durch sie fühlte sich auch stets der Adel und der gut situierte Bürger stand Englands verpflichtet, auf schöne und kostbare Ein bände Wert zu legen. Diese Tradition einzig und allein ist der Grund dafür, daß die englische Buchbinderkunst heute *) Inzwischen ist aus München die Nachricht eingetroffen, daß die außerordentliche Generalversammlung des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins mit 154 gegen 51 Stimmen beschlossen hat, daß die Ausstellung im Jahre 1904 nicht stattfinden soll. Dagegen soll der Ausstellungsgedanke für 1905 oder 1906 in weitere Be ratung gezogen werden. Red. noch auf derselben glanzvollen Höhe steht, von der sie eigentlich niemals herabgesunken ist. Entgleist heute ein mal ein englischer Buchbinder, d. h. begeht er einmal eine Stil- oder Geschmacklosigkeit, so sinkt er niemals auf ein ganz niedriges Geschmacksniveau, weil er von Kindesbeinen an über ein unschätzbar großes Quantum von Geschmack und Stilgefühl infolge der guten Tradition verfügt. Das beweist diese Ausstellung in den Arbeiten von »llbs Ksssx kloas« Kress«, »tüe IlirminAÜam Nuuieipal Lobool ok V.rt«, »llobauua Lirüsusutü, I. K. dreeu, »Niss Nauä Hackbau« u. a. Sie beweist aber auch ebenso deutlich, wie alle gute Tradition in Deutsch land im neunzehnten Jahrhundert verloren ging: die Gründe für die Degeneration des gesamten deutschen Buch gewerbes im vorigen Jahrhundert sind oft genug erörtert worden, als daß es nötig wäre, sie hier noch einmal zu wiederholen. Sie kündigt sich schon in den ersten Jahren nach 1800 an, obwohl die Buchbinderkunst bis zu den be ginnenden vierziger Jahren, vielleicht kann man sagen bis zum Jahre 1842, immerhin noch auf einer erträglichen Höhe stand. Die Bücher werden einfacher, schlichter gebunden, hie und da finden sich noch ganz hübsche Reminiszenzen ans Rokoko, an den Louis XVI-Stil, ans Empire; ein paar Guir- lauden, ein Blumensträußchen, ein zierliches Blümchen allein auf dem Deckel, das macht sich noch ganz nett; auch die ganz ein fachen Bände nur mit ein oder zwei Rechtecken in Hand vergoldung auf dem Deckel sollen nicht als geschmacklos hin gestellt werden; sie beweisen nur eine vertrocknete Phantasie, einen eingerosteten Kunstsinn, geistige Armut. Dann treten die Riesenerfolge der Industrie in die Erscheinung. Jedem Kunsthistoriker läuft es kalt den Rücken hinunter, dxnkt er an diese böse, böse Zeit für das Kunstgewerbe. Wie degene rierend hat die Industrie um die Mitte des neunzehnten Jahrhunders auf das Kunstgewerbe gewirkt: sie hat mit ihren Maschinen den letzten Rest von Geschmack, den letzten Rest von künstlerischem Gewissen, von Stilgefühl zerstampft und statt Kunstwerke Talmiware, Materialprotzentum, un echte, buntscheckige, billige Produkte geschaffen. Diese Zeiten des tiefsten Verfalls spiegelt die Wiener Ausstellung vor trefflich wieder. Aber wir dürfen der Industrie nicht un recht tun; sie war direkt und indirekt die Veranlassung zu der großen und echt deutschen Bewegung der siebziger Jahre die die Inkarnation aller Kunstbestrebungen in »unserer Väter Werk « erblickte; die Industrie ließ uns tüchtige Handwerks zeugs und Maschinen erfinden, die unsre Buchbinder der sieb ziger Jahre in den Stand setzten, geschickt und sauber alte Ein bände der Gotik und Renaissance getreu zu kopieren und dann im Stile der Alten weiter zu arbeiten. Attenkofer in München, Collin in Berlin, Julius Franke, Paul Pollack, W. Papke in Wien und manche andre sind da zu nennen; die meisten von ihnen sind mit technischen Meisterstücken in dieser Aus stellung würdig vertreten. An diese reiht sich die junge Generation, die leider nicht genügend zur Geltung kommt. Hübel L Denck in Leipzig, E. Ludwig in Frankfurt, Paul Kersten in Erlangen, Wilhelm Rauch in Hamburg sind näm lich in der Tat zu den größten deutschen Buchbindern des letzten Jahrhunderts zu zählen, denn sie sind wieder Künstler, weil sie selbst erfinden, die Gesetze der Buchdeckeldekoration zu erfüllen trachten und aus ihrer Phantasie schöpfen. Darum hätte ich gewünscht, sie wären in dieser Ausstellung reicher vertreten und klarer zu einer Gruppe zusammengeschlossen; außerdem aber fehlen leider Paul Adam und Hendrik L Carl Schultze, beide in Düsseldorf. Im zweiten Saale erregt eine stattliche Vitrine mit den rühmlichst bekannten Einbänden von F. Volckmar, die hier schon früher besprochen wurden, einen prächtigen Ein druck. Das Verdienst, das diese Firma sich vor wenigen
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