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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.11.1905
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- Erscheinungsdatum
- 09.11.1905
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- Deutsch
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^ 261, g. November 1905. Nichtamtlicher Teil. 10311 schon überreif. Es kann sich somit nur darum handeln, auf die Gesetzgebung dahin einzuwirken, daß sie an die Lösung herantritt, was insbesondre dadurch geschehen könnte, daß an Hand der Rechtsübung das Versagen des Rechts schutzes dargetan wird, sowohl unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeilsrechts als auch unter dem des Urheber rechts. Ob im gegenwärtigen Fall die Klage der Erben Richard Wagners erfolgreicher gewesen wäre, als sie es bis her gewesen ist — das Gericht erster Instanz hat die Klage abgewiesen, weil es den Briefen den Charakter eines auf Urheberrechtsschutz Anspruch habenden Schriftwerks ver sagte —, falls man unter dem Gesichtspunkt des Persönlich keitsrechts geklagt hätte, soll hier nicht besprochen werden, da es sich nicht um die Würdigung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts, sondern vielmehr des Urheberrechts handelt. Grundsätzlich besteht weder in der Theorie noch in der Praxis ein Streit darüber, daß die Briefform kein Hindernis gegen den Urheberschutz bildet, und die bereits sehr reich haltige Spezialliteratur, die hierüber erwachsen ist, aner kennt einstimmig, daß die Verfasser von Briefen bezw. ihre Rechtsnachfolger sich dann auf den Urheberrechtsschutz be rufen können, wenn der Brief ein Schriftwerk im Sinne des Gesetzes ist. Wildhagen hat in seinem Gutachten für den 25. Deutschen Juristentag bemerkt, daß mit diesem Er gebnis nicht viel gewonnen sei, denn cs bestehe heute noch ein vollständig ungeschlichteter Streit darüber, welches die entscheidenden Merkmale eines Gegenstandes des Urheber rechts seien. Diese Bemerkung, die bei Veröffentlichung des Gutachtens in der Hauptsache wohl als zutreffend an- anzusehen war, dürfte heute — nachdem auf der Grundlage der Geltung des Urhcberrechtsgesetzes von 1901 bezüglich des Inhalts und der Tragweite des Begriffs »Schriftwerk« eine Rechtsprechung entstanden ist, die sichtlich von dem Gedanken beherrscht wird, daß es vor allem auf die äußere Form ankomme und man sich vor jeder Tendenz einer Überspannung der Erfordernisse hüten müsse — nur mit wesentlichen Einschränkungen noch anzuerkennen sein. Gewiß besteht auch heute noch eine Meinungs verschiedenheit über den Begriff des Schriftwerks, und diese darf nicht unterschätzt werden; aber durch die Rechtsprechung ist der Streit mehr zu einer Tatfrage geworden. Mit der Rechtsprechung, die in Ansehung des »Begriffs- Ausarbeitung weitestgehenden Ansichten huldigt, würde es nicht im Ein klang stehen, wollte man bezüglich der Auffassung des Be griffs »Schriftwerk« rigorosen Anschauungen huldigen. Das Reichsgericht hat sich schon einmal mit der Frage des Urheberrechtsschutzes an Briefen Richard Wagners zu beschäftigen gehabt. Allerdings sind die betreffenden Ent scheidungen im Jahre 1898, also unter der Herrschaft des alten Urheberrechtsgesetzes von 1870 ergangen Es handelte sich damals in der Sache Erben Wagner o/rr Earl os Dpsart um zwei in den Jahren 1851 und 1855 von dem Meister geschriebene Briefe. Das Reichsgericht gelangte zu dem Er gebnis, daß beide nicht auf den Urheberrechtsschutz Anspruch erheben könnten, weil der eine lediglich geschäftlichen In halts sei, nämlich die dem Meister angebotene Leitung der Philharmonischen Gesellschaft in London betreffe, der andre aber nur die Empfehlung eines Bekannten, persönliche Nach richten über Wagner und einen Dritten enthalte, die damit zusammenhingen, daß beide an dem Dresdner Aufstand teil- genvmmen hätten. Auf den Umstand, daß sich in dem Briefe auch reflektierende Bemerkungen finden, hat der Ge richtshof kein Gewicht gelegt, vielmehr als maßgeblich die Tatsache betrachtet, daß der wesentliche Inhalt aus obigen Angaben bestehe. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 72. Jahrgang. Dieses Erkenntnis gibt zwar in Ansehung des ersten Briefs zu wesentlichen Bedenken keinen Anlaß, um so mehr dagegen bezüglich des zweiten, und es wird deshalb von großem Interesse sein zu beobachten, ob auch jetzt noch das Reichsgericht an der damaligen Auffassung festhält. Dies würde dann bedeuten, daß Briefe, die sich in der Hauptsache auf persönliche Verhältnisse beziehen, nicht unter den Begriff des Schriftwerks fallen, und dann gelangten wir zu der Theorie, die den Briefen den Urheberschutz dann, aber auch nur dann zuerkannt wissen will, wenn darin wissenschaft liche, ästhetische, philosophische, historische, religiöse Fragen er örtert werden. Es bedarf aber keiner eingehenden Aus führung, daß diese Theorie vollständig falsch ist und zu Er gebnissen führt, die mit der Aufhebung des Urheberrechts schutzes gegenüber Briefen gleichbedeutend ist. Die Rechts übung kann nicht umhin, ohne sich mit sich selbst in einen kaunr versöhnlichen Widerspruch zu setzen, auch bei den Briefen das Schwergewicht auf die Form zu legen. Auch ein Brief, der sich lediglich mit der Schilderung von alltäg lichen Vorgängen, von persönlichen Erlebnissen des Bries- schreibers befaßt, kann im Hinblick auf die Form ein Schrift werk sein, und man müßte schon ans der Briefliteratur einen großen Teil von Briefen entfernen, die zweifellos eine geistige Tätigkeit in mehr oder minder konzentrierter Form verkörpern, wollte man den Urheberschutz an Briefen in diesem Sinne beschränken. Geistig hervorragende Menschen wissen eben auch der Darstellung von Vorgängen des täglichen Lebens einen eigenartigen Reiz zu geben, sie in eine Form zu kleiden, die allein schon genügt, um den Beweis zu erbringen, daß man es mit dem Produkt einer geistigen Tätigkeit zu tun hat. Es ist denn doch etwas andres, wenn Meister wie Hans von Bülow oder Richard Wagner über die von ihnen bewirkten musikalischen Vorstellungen einen Brief schreiben, oder wenn dies ein beliebiger Konzert- oder Kapell meister tut, und diesen Unterschied wird gerade derjenige ausübende Künstler anerkennen, der die Genialität vor allem schätzt. Eine rigorose Auffassung in bezug auf die an einen Brief unter dem Gesichtspunkte des Urheberrechtsschutzes zu stellenden Erfordernisse besteht weder in Frankreich noch auch in England; sie darf sich auch in Deutschland auf dem Boden des geltenden llrheberrechtsgesetzes nicht entwickeln, wenn anders nicht die Tragweite dieses aus einem Gebiete wesentlich eingeschränkt werden soll, dessen Bedeutung von Tag zu Tag erheblicher wird. Aber wenn auch die Praxis des Urheberrechts sich in diesem Punkte von jedem Rigorismus frei halten wird, so werden wir auf die Dauer doch einer Spezialbeftimmung zum Schutze der Briefe bezw. der Privatbriefe nicht ent behren können. Es ist doch kein befriedigender Rechts zustand, daß nur in verhältnismäßig seltnen Fällen mit aller Bestimmtheit gesagt werden kann, die Rechtsübung werde die ohne Einwilligung des Briefschreibers oder seiner Rechtsnachfolger erfolgte Veröffentlichung eines Briefs miß billigen. Man mag die Gründe, die seinerzeit dazu geführt haben, von der Aufnahme einer bezüglichen Bestimmung in das Urheberrechtsgesetz abzusehen, noch so hoch bewerten, die Unsicherheit, die insoweit besteht, und zwar auch unter dem Gesichtspunkte des Persönlichkeitsrechts und seines Schutzes, verlangt eine Klärung, die nur im Wege der Gesetzgebung in vollkommen befriedigender Weise erfolgen kann. Fuld. 1364
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