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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.03.1905
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 20.03.1905
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- Deutsch
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2734 Sprechsaal. ^ 66. 20. März 1905. sie als Kopfkissen oder als Muff verwenden kann, eine Aufgabe, niit deren Lösung der Hunger der modernen Bibliophilen so ziemlich gestillt sein würde! Am deutlichsten zum Ausdruck kommt der schlimme Ein fluß der modernen Bibliophilie bei der heutigen Lage des Antiquariatsbuchhandels. Hier wie bei den übrigen Buchhändlern steht auf der einen Seite der Nutzen, den der Antiquar von einigen Bibliophilen hat, und auf der andern Seite der Schaden, der aus dem durch die Einseitigkeit der Bibliophilie unverkäuflich gewordenen Lager erwächst. nicht wären, dann würde überhaupt nichts mehr verkauft, stimmt nicht; denn gerade die Bibliophilen sind ja die Ursache des Fest- lagerns, und ganz abgesehen davon, kann man dreist behaupten, daß viele der gepriesenen Bibliophilen nur verkappte Händler sind oder wenigstens solche Sammler, die nur das kaufen, was sie mit Gewinn Weiterverkäufen können! Wenn einer einmal auf die Idee käme, ein Märchen für Buchhändler zu schreiben, der könnte beginnen: »Es war einmal ein Antiquar, der verkaufte aus seinem Lager so viel Bücher mit Hilfe seiner Kataloge, daß er davon leben konnte!« Wo sind die Zeiten hin! Welcher typographischen Kunst leistungen bedarf es, um heute einen »Bücherfreund« auf einen Katalog aufmerksam zu machen! Ist es ein Fortschritt, statt niedrigere, höhere Druckrechnungen zu bezahlen, statt lebensfähiger Erträgnisse, kümmerliche Resultate zu erzielen, nur weil die für die Bibliophilen angestimmte Janitscharenrnusik das leise Werben des guten Buchs überdonnert? Es darf gewiß nicht geleugnet werden, daß auch ohne moderne Bibliophilie der Nutzen der sein kann wie vor zwanzig oder dreißig Jahren; das aber hat der moderne Bibliophile auf dem Gewissen, daß ihm zuliebe und uur zum kleinen Teil der Konkurrenz wegen ein Katalogluxus sich breit macht, der zu den wirklichen Einkäufen der vielum- das soll man nicht übersehen, in seinen Folgen geradezu ver hängnisvoll für das Antiquariat werden wird. Denn es liegt ans der Hand, daß durch Antiquariatskataloge, die mit allen Gros der Bücher, die eigentliche Kerntruppe, tatenlos im Lager versauern muß. Es ist ein schönes Ding um den Fortschritt, es ist aber auch stattung könnte man sich also gefallen lassen, wenn nur nicht der Zweck der Kataloge grinsend von den schönen Druckrechnungcn sich abheben wollte! Der Zweck der Kataloge ist primo loeo wöhnten Bibliophilen mit Pauken und Trompeten durch! Angesichts dieser Verhältnisse wirkt es wirklich komisch, wenn von gewissen Seiten immer wieder das Lob des Auslandes, der Geburtsstätte der Bibliophilie, gesungen wird. Wer an diese Bibliophilie doch glauben könnte! Wo stecken denn die Bücher käufer in Frankreich und England; lassen sie denn nichts von sich hören, oder soll man sie hinter den kümmerlichen Inseraten suchen, die in Frankreich nicht in einer Woche und in England gar in einem Monat nicht das bieten, was unser Börsenblatt an einem Tage in der Abteilung »Gesuchte Bücher- bringt? (Der Einwurf, es würden dort eben mehr neue Bücher gekauft, ist nicht stichhaltig, denn die neu gekauften Bücher müßten doch irgendwo bleiben, sie müßten als hinterlassene Privatbibliotheken den Markt überschwemmen und ein blühendes Antiquariat erzeugen, was aber bekanntlich nicht der Fall ist!) Wir loben immer die großen Privatbibliotheken des Auslandes, wir vernehmen mit Andacht die hohen Auktions preise; aber von den Bibliotheken, die nicht existieren, und von natürlich nichts. Die wandern zu den Trödlern und Bücher- händlern, die das Wissen und Können der deutschen Antiquare nicht im entferntesten erreichen. Denn welches Land hat die besten Buchhändler und Antiquare? Das Ausland vielleicht, wo, wie man sagt, die Bibliophilie zum Segen des Buches stets 6v voAus war, oder Deutschland, das die Segnungen der Biblio philie erst seit jüngster Zeit über sich ergehen läßt, nachdem der deutsche Antiquar schon seit Jahrzehnten mit seinen im Äußern anspruchslosen Katalogen als mustergültig im ganzen Auslande gegolten hat und noch gilt? Der deutsche Nationalfehler, alles Ausländische rosenrot zu sehen, fordert auch hier sein Opfer zu unsecm Schaden. Wir haben als Buchhändler gar keine Ursache, darüber zu jammern, daß der deutsche Bücherfreund bisher lieber Bücher kaufte als Un summen für kostbare Einbände und andre Mätzchen dem Buch händler zu entziehen. Cs kann hier nicht von deutscher Art und deutscher Eigentümlichkeit gesprochen werden; das aber ist wohl sicher, daß über einen Reclamkäufer mehr Freude im Vücherladen herrschen sollte, als über hundert Einbandfexe, die vor lauter ästhetischem Kunstempfinden die ihrem Herzen stets fremd bleibende Bücherei zu einem Prunk- und Protzgegenstand machen, anstatt zu dem Ort, der aus dem Sinn des Buchs jedem Verständigen von selbst herauswächst, zu dem Ort der stillen Zurückgezogenheit, des Friedens und der Behaglichkeit. Nun sind wir heute schon so weit, daß selbst luxuriös ausgestattete Kataloge nicht mehr beachtet werden als früher die einfachen Verzeichnisse, und wir werden bald so weit sein, daß der Moloch Bibliophilie überhaupt nicht mehr satt zu machen ist. Und daher ist es hohe Zeit, mit diesem Götzendienst aufzuhören, und wenn die Alten unter uns nicht mehr hören wollen, wenigstens den Jungen zu zeigen, in welcher Richtung sie sich nicht weiter entwickeln sollen. Ist es doch auch vom kaufmännischen Standpunkt aus falsch die Neigungen der Konsumenten unbeeinflußt zu lassen. Die Bücher, hinter denen der heutige Bibliophile her ist wie der Teufel hinter der Seele, die können wir nicht aus der Erde stampfen, es wird also ein großer Teil der Kauflustigen immer zur Untätigkeit verurteilt sein. Und dieses nicht zu unterschätzende Kapital geht dem Buchhandel verloren, weil der neuzeitige Bibliophile nur das kaufen will, was nicht zu sein Portemonnaie hermetisch verschließt. Wahrscheinlich wird das hier Gesagte wirkungslos verhallen; vielleicht sogar werden sich einige unter uns entrüsten und Ack und Weh schreien, daß man sich erlaubt hat, einen Teil der Bibliophilie mit Humbug in eine Linie zu stellen, der Biblio philie, die den Verleger erst zum künstlerisch empfindenden Menschen gemacht, und die den Sortimenter und Antiquar aus dunkelster Tiefe zur lichten Höhe ästhetischen Bücherverschleißes gehoben hat! Darum sei zum Schluß noch ausdrücklich betont, daß sich diese Ausführungen nicht gegen den wahren Biblio philen richten, den feinsinnigen Kenner mit dem geschulten Ge schmack und dem zielbewußten Sammeleifer. Cs wäre ein mehr als hochmütiges Unterfangen, solche Bibliophilen, die ausnahms los nach langem und intimem Umgang mit Büchern eine hohe Stufe bibliographischen Wissens erreichen, in irgend einer Weise beeinflussen zu wollen, sondern hier soll nur der Talmi-Biblio- ihm hastig Zusammen geschleppte so im Werte steigt, daß er es — das ist des Pudels Kern! — mit anständigen: Nutzen wieder losschlagen kann und als Gratisprämie die Gloriole des feinnasigen Bibliographen sein edles Haupt um strahlen läßt. Aber vielleicht regen diese Zeilen bei einem oder dem andern Buchhändler Betrachtungen an, die ihn die durch Raritäten-Einkäufe leergefegte Kasse seiner Kunden mit seinem nullen Lager vergleichen lassen. Im übrigen äs Avstibus, wie der Lateiner sagt, non 68t äisputanäurn, und ein deutsches Sprichwort sagt, wer Hechle in seinen Karpfenteich setzt, der soll sich nicht wundern, wenn ihm die Karpfen gefressen werden. Dresden. Paul Alicke.
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