27, 2. Februar 1905. Ilvl Fertige Bücher, Ein wertvoller Beitrag zur Nietzsche-Literatur Kurz vor Weihnachten erschien, daher T> bitte ich jetzt um tätige Verwendung für Karl Joel, Nietzsche und die Romantik drosch. Mk. 7.—, in Halbpergament geb. Mk. 9 — Inhalt: Nietzsche und die Romantik, Schopenhauer und die Romantik, Nietzsche und die Antike. Urteile der Presse: Literarisches Centralblatt: Das im „fliegenden Stil" der Sturm-und Drangperiodeglänzendgeschriebene, geistvolle Buch des Baseler Philosophen steht sernab von jeder Trockenheit wissenschaftlicher Arbeit, über die der Verfasser im Eingang klagt, und liefert den glänzenden Beweis dafür, daß es eine pathetische Darstellung in Wort und Schrift gibt, die über den Vorwurf der Phrase erhaben ist, ja, daß die stimmungweckenden, stilistischen Mittel des Vortrages geradezu erforderlich sind und angewandt werden müssen, wo es sich um die wirkliche Verständigung mit dem Äörer oder Leser über Probleme handelt, die mit dem kalten Verstand allein nimmermehr erfaßt werden können, Zu diesen Gegenständen gehört Nietzsche nun einmal, und wahrlich, Joel versteht es, ihn in unseren Kerzen aufleben zu lassen, und auch den Widerstrebenden zu gewinnen, ohne daß wir ihn irgendwie der Partei lichkeit für oder gegen seinen Helden bezichtigen dürften. Die Frau: Es handelt sich vielmehr für den Ver fasser darum, den Geist Nietzsches einer anderen Geistes- bcwegung gegenüber zu stellen, damit in einer gewisser maßen ästhetischen Wirkung sich seine Züge klarer und prägnanter abheben, Joel gibt in dem ersten Abschnitt die scheinbar unvereinbaren Gegensätze in der femininen Art der Romantik und der pathetisch männlichen Nietzsches, In dem zweiten zeigt er dann den werdenden Nietzsche und die romantischen Elemente, die sein Werden bestimmen oder die aus seiner eignen Natur heraus in dieser Entwicklung sichtbar werden. Er zeigt Nietzsche als Romantiker; als Romantiker auch in dem letzten Aufsatz, der über Nietzsches Verhältnis zur Antike spricht, , , , Das Buch ist aus Vorträgen entstanden, und trägt die Spuren seiner Entstehung in der rheto rischen Schönheit der Form, in der luxuriösen Sprache, in der wir die Wissenschaft nicht auf- treten sehen, die wir aber als ein besonders liebe ns würdiges Geschenk gern mitnehmen. Denn der Wissenschaftlichkeit der Erfassung, und vor allem auch der wissenschaftlichen Weite und dem Reichtum der Erkenntnisse, die in dem Buche verwertet sind, geschieht durch diese Einkleidung in Schönheit kein Abbruch, Freistatt: Niemand hätte sich gegen einen Ver gleich mit der Romantik erbitterter gewehrt als Nietzsche selbst, der sie heftig befehdet, wo er sie nennt. Aber was er kannte und bekämpfte, war die schwächliche, epigonisch-reaktionäre Romantik der Nachfahren, die nur wenig mehr zu tun hatte mit den glänzenden Anfängen der geistigen Strömung vor 100 Jahren , , . Joel aber zeigt Nietzsche wie die Romantiker als Ver treter einer Bacchantik des Geistes, als Dithyrambiker, Friedrich Schlegel, der ihm meist als Stimmführer der Romantik gilt, und Novalis sind wie Nietzsche große Aphoristiker, deren leidenschastersülltes Inneres sich nicht in gedehnte Systeme dämmen ließ, sondern sich in sprühenden Fragmenten entlud , ,, Die Roman tiker und Nietzsche vertreten einen aristokratischen Radikalismus; beide sind erfüllt vom Haß gegen den Bildungsphilister: beide haben sich von den gemeinen Geistern der Masse eine Distanz geschaffen durch Sonderheit des Denkens und des Ausdrucks, und sind stolz darauf. So lassen sich die Parallelen häufen, besonders zwischen Nietzsche und dem ihm nächst verwandten Romantiker Friedrich Schlegel, Gerne vernähme man in diesem Zusammenhänge auch von einem anderen, hoheitvollen Vorspiel Zarathustras, von Hölderlin, wenn er auch nicht im engeren Sinne zur romantischen Schule zählt. Aber Joels Buch ist reich genug und verdient allen Dank, weil es den Blick hinlenkt zu einem stilleren, weniger gekannten Nietzsche, und seiner Art Erhellung gibt durch eine geistige Strömung, die uns in den letzten Jahren oft nahe gerückt ward. Hamburger Corrcspondent: Trotz aller an scheinenden Widersprüche und Gegensätze, trotz aller eigenen gegenteiligen Versicherungen ist, wie Joel in dem vorliegenden Buche unwiderleglich nachgewiesen hat, der geistvolle Dichter und Denker ein Romantiker echten Schlages, schon, um ein äußerliches Moment anzuführen, in seiner steten Verwandlung von einem Extrem ins andere, Th, Achelis, Eugen Diederichs Verlag in Jena Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 72. Jahrgang. 149