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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.01.1905
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 07.01.1905
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- Deutsch
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^ 5, 7. Januar 1905. Nichtamtlicher Teil. 175 von diesen Instituten läßt jährlich allermindestens einige Bogen drucken. Hier haben wir wieder eine Zersplitterung, die teilweise mit unserm Partikularismus auf politischem Gebiete im engsten Zusammenhang steht. Mit industriellen Aktiengesellschaften sind wir ebenfalls reich gesegnet, wir müssen aber darauf verzichten, hier auf dieses Thema einzugehen, und verweisen auf das Ragionenbuch oder das Finanzjahrbuch der Schweiz. Dazu kommen noch die Privatfirmen, die die Presse ebenfalls sehr stark beschäftigen und nicht nur in den Zeitungen, sondern teilweise auch durch besondere Broschüren und Flugblätter oder doch wenig stens durch die Etiketten auf den Verpackungen Reklame machen. Die Zeilen des behaglichen Idylls sind eben auch für Ge werbe, Industrie und Handel vorbei, und im Kampf ums Dasein ist heutzutage die Druckerpresse eine der beliebtesten Waffen. Nun muß hierzu noch gesagt werden, daß einzelne von diesen Publikationen durchaus nicht nur von rein geschäftlichem Interesse sind, sondern oft bemerkenswerte Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte als Passiver seinen Beitrag in die Kasse und läßt sich mit schmun zelnder Rührung bei festlichen Anlässen als Veteranen verehren. Die Leistungsfähigkeit einzelner mehr oder weniger hervorragen den Eidgenossen als Vereinsmeier geht geradezu ins Fabelhafte. Sie scheinen mit allen Wissenschaften und Künsten, mit jedem Sport vertraut, sie sind ebenso religiös, ethisch, gemeinnützig wie gesellig, sie betätigen sich als Schweizer-, Kantons- und Gemeinde bürger wie als Quartierbewohner, kurz sie entfalten eine Viel seitigkeit, die man bei einem einzelnen Individuum kaum für möglich halten würde. Und überall machen sie mehr oder weniger voll und ganz mit, sind unentbehrlich — wenigstens in ihren eignen Augen und denjenigen des respektiven oder diesbezüglichen Vereinskassiers. Dafür folgt dem Sarge eines solchen Bürgers dereinst auch ein ganzer Wald von umflorten Fahnen, ein halbes Bataillon von trauernden Delegierten, und bei der Leichenfeier werden nach den üblichen Musikvorträgen und Gesängen minde stens ein halbes Dutzend Reden gehalten, die den teuren Ver storbenen in seinen verschiedenen Eigenschaften feiern! In den Lokalblättern füllen die Todesanzeigen und Nekrologe ganze Seiten. Dies ist nur ein Sympton der überwuchernden Vereins meierei im Lande der Eidgenossen. In der Tat wird man hinter der Wirklichkeit wohl eher Zurückbleiben, wenn man die Zahl der schweizerischen Vereine auf 20—25 000 schätzt, hatte doch vr. Guillaume im Jahre 1881 allein für den Kanton Neuenburg 793 in8titutiov8 st 80oists8 ä'utilits publi- yus st äs InsnkriEnes gezählt. Womit sich alle diese Ver einigungen befassen, wäre nun schwer aufzuzählen. Will man sich davon einen Begriff machen, so nehme man das Adreßbuch einer größern Stadt, z. B. von Basel, zur Hand. Man wird dann doch wenigstens ein annäherndes Bild davon erhalten, wenn auch selbstverständlich nicht jeder Fachoerein und Kegelklub aufgeführt ist. Ein großer Teil dieser Vereine legt ja ein schönes Zeugnis ab für den wohltätigen und gemeinnützigen Sinn unsers Volks, und wenn man eine Übersicht derselben ansieht, ist man ganz er staunt, wieviel Gutes getan wird. Doch kann man sich selbst hierbei des Eindrucks nicht erwehren, daß die Zersplitterung auch in dieser Hinsicht wohl etwas zu weit geht und daß vielleicht noch mehr geleistet werden könnte durch engern Zusammenschluß dieser humanen Bestrebungen. Dieser ist nur in Basel, zum Teil wenigstens, vorhanden, wo die Gesellschaft des Guten und Gemeinnützigen die verschiedensten Ziele und Zwecke unter ge meinsamer Oberleitung verfolgt. Hier ist gleich noch anzuführen, daß viele von diesen Vereinen eigne Anstalten mit oder ohne staatliche Subvention unterhalten. Wie zahlreich diese sind, mag man daraus ersehen, daß Demme allein für die Stadt Bern und Umgebung deren 79 aufführt. Der Schweizer ist aber nicht nur gemeinnützig, sondern auch ein Liebhaber der Kunst. Zahllos sind die Blechmusiken, die ihre lieblichen Weisen in die Welt hinaus schmettern, und be sonders die Gesangvereine. Niemand singt mehr wie der Vogel, der in den Zweigen wohnet, sondern nimmt ein Blatt vor den Mund und jodelt seinen Hegar, Attenhofer oder Munzinger nach Noten herunter. Der gebildete Mensch kennt selten mehr als zwei Strophen eines Liedes auswendig, das musikalische Ge dächtnis wird auf Null reduziert, und die Notensingerei hat unser Volkslied entweder ganz verdrängt oder dann gründlich verkünstelt. Des freut sich besonders der Musikdrucker und der Herr Gesangdirektor! Vielleicht könnte man einmal den Ver such wagen, das gesellige Leben ohne den Vorwand des Ge sangs zu pflegen und ohne Musikheft an die Riviera oder nach Turnvereine haben wir ebenfalls in Massen, und auch im entlegensten Dorf ist eine Schützengesellschaft zu finden. Immer zahlreicher werden auch die Sportvereine, denen mit unter schon der zarte Säugling beitritt und von deren Übungen englische Brocken nach Hause bringt. Während die Theater in unfern Städten nicht recht ge deihen wollen, findet die dramatische Kunst um so eifrigere Pflege auf den Liebhaberbühnen, wo die dramatischen Vereine ihr Unwesen treiben. Wir sprechen hier nicht vom eigentlichen Volkstheater, aus dem etwas Rechtes gemacht werden könnte, sondern von den Vorstellungen, wie sie sich im Winter massenhaft in den Zeitungen angekündigt finden. Hier kann man wohl schwerlich von einer Veredlung unsrer Volksoergnügungen sprechen. Lieber noch ein währschafter Hurnusset mit nachfolgender obliga torischer Keilerei! Wir müssen darauf verzichten, diese Blüten unsers Vereins lebens weiter zu verfolgen. Für uns kommen sie ja nur insofern in Betracht, als jeder Verein, jede Gesellschaft in der Regel auch ihre Statuten, Berichte rc. drucken läßt und in diesen ihre Tätigkeit zu verewigen glaubt. Dieses Zeug ist freilich, kaum suchen. Deswegen fällt freilich die Welt nicht um; aber wenn dann ein Jubiläum oder sonstiges Fest kommt, sieht sich der Sekretär, der einen Bericht über die bisherige Tätigkeit schreiben man von Festen hört, denkt man auch sofort an Festschriften, Festspiele, Festprogramme, Berichte rc. Unsre historischen Denk feiern haben wir schon berührt; in diesen ist doch in der Regel noch ein großer patriotischer Zug, aber von den übrigen Festen dürften füglich zwei Drittel wegfallen, ohne daß das Vaterland Schaden leiden würde. aber aus Vorsicht lieber schweigen wollen. Überhaupt müssen wir zum Schluß eilen, ohne freilich ein er schöpfendes Bild von allem gegeben zu haben, was in der Schweiz gedruckt wird. Vieles mußten wir ganz weglassen, das übrige konnten wir bloß streifen. Wir sehen aber, daß die Presse aus allen Gebieten des Lebens eine Rolle spielt. Gleich nach der den Auszügen aus den Zivilstandsregistern wieder Geburten von Kindern. Den Schluß des Lebens bildet eine schwarz berandete Todesanzeige, und hintendrein folgen bei den hervorragenden Bürgern, und das sind ja die meisten, noch die Nekrologe! Ohne Presse geht es heutzutage, von der Wiege bis zum Grabe, nirgends mehr ab! wenn sie so viel Lücken und Mängel enthält wie die vorliegende, vielleicht doch einen kleinen Beitrag zur Kulturgeschichte der Gegenwart. 25*
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