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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.05.1900
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- 30.05.1900
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- Deutsch
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4160 Nichtamtlicher Teil. 123, 30. Mai 1900. Z 362. Urkundlich rc. Gegeben rc. Berlin, den 22. Mai 1900. Beratung im Reichstag. 200. Sitzung am Dienstag, den 22. Mai 1900. Präsident Graf von Ballestrem: Ich eröffne die 200. Sitzung des Deutschen Reichstags in dieser Session und danke den Herren, die aus dieser Veranlassung den Präsidententisch so schön aus geschmückt haben, für diese Ausschmückung. Es ist soeben ein Antrag der Herren Abgeordneten Graf von Hompesch und Genossen unter Nr. 834 der Drucksachen ein- gcgangen, betreffend einen neuen Entwurf eines Gesetzes, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs. Ich habe den Druck dieses Antrags verfügt, und derselbe ist in der Ver teilung begriffen. Wir treten in die Tagesordnung ein. Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Spahn. vr. Spahn, Abgeordneter: Herr Präsident, mit Rücksicht auf die Mitteilung, die Sie uns soeben zu machen die Güte hatten, bitte ich, den ersten Gegenstand der Tagesordnung für heute von dieser abzusetzen und dafür auf die Tagesordnung zu setzen die erste und zweite Beratung des von Ihnen angekündigten Antrags, dessen Verteilung im Hause, wie Sie uns mitteilten, angeordnct ist. Präsident: Der Herr Abgeordnete Or. Spahn hat zwei An träge eingebracht, erstens: den ersten Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung von dieser Tagesordnung abzusetzen. Das kann das Haus durch Stimmenmehrheit beschließen. Dann hat er ferner den Antrag gestellt, die erste und eventuell zweite Lesung des von mir eben angekündigten Gesetzentwurfs als ersten Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Das ist nur zulässig, wenn kein einziges Mitglied widerspricht. Ich bitte diejenigen Herren Abgeordneten, welche nach dem Antrag des Herrn Abgeordneten vr. Spahn den ersten Gegenstand unserer Tagesordnung von derselben für heute absetzen wollen, sich von ihren Plätzen zu erheben. (Geschieht.) Das ist die große Mehrheit (Heiterkeit links); der Gegenstand ist von der Tagesordnung abgesetzt. Ich frage nunmehr, ob jemand widerspricht, daß der unter Nr. 834 der Drucksachen von Len Herren Abgeordneten Graf von Hompesch und Genossen eingebrachte Gesetzentwurf heute als erster Punkt der Tagesordnung in erster und eventuell zweiter Beratung beraten wird. — Es widerspricht niemand; der Reichstag hat also beschlossen, daß die Beratung zulässig ist. Ich eröffne die erste Beratung und erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Grafen von Hompesch. Graf von Hompesch, Abgeordneter, Antragsteller: Meine Herren, ich habe im Namen der weit größten Mehrzahl meiner politischen Freunde folgende Erklärung abzugeben: Die Centrumsfraktion hat den die sogenannte lsx Heinze in wichtigen Teilen ersetzenden Initiativantrag in Ver bindung mit Mitgliedern anderer Parteien eingebracht, nachdem auf Grund einer von dem Herrn Präsidenten ver anstalteten Verständigung mit den anderen Parteien des Hauses die Annahme des Initiativantrags gesichert und dadurch ein sofort zu erreichender erheblicher Fortschritt in der Bekämpfung der Unsittlichkeit gewährleistet ist. Den Ergänzungen des geltenden Strafrechts, namentlich durch die Vorschrift über die Herstellung, Feilhaltung und Vor rätighaltung von unzüchtigen und schamlosen Schriften, Ab bildungen und Darstellungen, über Ausstellung, Ankündi gung und Anpreisung der zu unsittlichem Gebrauch be stimmten Gegenstände, sowie die Bestimmungen zu erhöhtem Schutz der Jugend gegen Ueberlassung schamloser Schriften, Abbildungen und Darstellungen, legen wir ein solches Ge wicht bei, daß wir Bedenken tragen müssen, diese so wichtige Verbesserung des deutschen Strafrechts von dem Schicksal anderer Bestimmungen abhängig zu machen. (Bravo! in der Mitte.) Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Singer. Singer, Abgeordneter: Meine Herren, ich glaube, man kann den geehrten Herren von der Centrumspartei zu dem klugen Ent schluß gratulieren, den sie durch Einbringung ihres Antrags kund gegeben haben. Ich will nur eine Bemerkung an die soeben ab gegebene Erklärung anknüpfen und meinem Erstaunen darüber Ausdruck geben, daß bei der Wertschätzung, welche jetzt der Rest der sogenannten lsx Heinze nach Ausscheidung der HZ 184a und b bei dem Centrum findet, es doch etwas verwunderlich erscheint, daß die Herren nicht schon früher zu dieser Auffassung gelangt sind. Sie hätten sich dadurch eine Reihe für sie nicht angenehmer Debatten ersparen können. Was nun den Antrag Graf Hompesch und Genossen anbe langt, meine Herren, so habe ich namens meiner Freunde die Er klärung abzugebcn, daß wir nicht in der Lage sind, für diesen Gesetzentwurf zu stimmen. Ich will auf die Paragraphen des Entwurfs, die in früheren Verhandlungen bereits erledigt worden sind, nicht zurückgreifen; ich will in der Generaldiskussion nur einige Bemerkungen zu dem A 184 a dieses Gesetzentwurfs machen. Meine Herren, der § 184a führt in das Strafgesetzbuch ein neues Delikt ein. Der Entwurf will diejenigen Personen bestrafen, welche Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen, einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt überlassen oder anbieten. Wir haben sehr schwere Bedenken gegen diese neue Strafbestimmung. Der Paragraph ist außerordentlich kautschukartig; er enthält einen ganz schwammigen Begriff, einen Begriff, der in der Judikatur bisher noch nicht zur Geltung gekommen ist. Was heißt das: ohne unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich verletzen? Wir haben die Befürchtung, daß bei der vielfach in Deutschland herrschen den Art der Rechtsprechung diese Bestimmung so interpretiert werden wird, daß dabei Gerichtsurteile herauskommen, daß den Herren Antragstellern vielleicht selbst unheimlich dabei wird. Nach den Erfahrungen, welche wir in der Rechtsprechung mit dem Grobe- Unfug-Paragraphen gemacht haben, ist es uns nicht möglich, einem Paragraphen unsere Zustimmung zu geben, bei dessen Annahme die ernste Befürchtung herrschen muß, daß diese Bestimmung ebenso interpretiert und gemißbraucht werden und zu Urteilen führen wird, die ebenso wie die Verurteilungen aus dem Grobe-Unfug- Paragraphen vielfach mit dem Rechtsgefühl des Volkes in schärfstem Widerspruch stehen. (Bravo! links.) Wir haben keine Lust, meine Herren, den ersten Schritt nach dieser Richtung hin mitzumachen. Wir haben die Befürchtung, daß, wenn dieser Begriff erst mal in das Strafgesetzbuch eingefügt ist, dazu übergegangen werden wird, ähnliche dehnbare Bestim mungen auch an anderen Stellen in das Strafgesetzbuch zu bringen. Mit einem Worte, meine Herren, die Bedenken, die wir auch gegen den abgeschwächten A 184a des Gesetzentwurfes haben, sowie die Meinung über andere Paragraphen des Entwurfs verbieten uns, dem Entwurf unsere Zustimmung zu erteilen. Wir sind daher gezwungen, nicht nur gegen diesen Paragraphen zu stimmen, sondern wir werden auch bei der Gesamtabstimmung unserer Ansicht dadurch Ausdruck geben, daß wir gegen den Gesetzentwurf stimmen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Ich kann namens meiner Freunde die Erklärung hinzufügen, daß wir angesichts der veränderten Sachlage davon absehen, dem Zustandekommen des jetzt vorliegenden Gesetzentwurfs geschäfts ordnungsmäßige Maßregeln cntgegenzustcllen. Ich lasse mir darin genügen, zu konstatieren, daß wir gegen das Gesetz stimmen werden. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Präsident: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bassermann. Bafsermann, Abgeordneter: Meine Herren, im Namen meiner politischen Freunde habe ich folgende Erklärung abzugeben. Wir sind unsererseits bereit, den von dem Herrn Grafen Hompesch und Genossen auf Nr. 834 der Drucksachen vorgelegten Gesetzentwurf anzunehmen. In diesem Gesetzentwurf haben keine Aufnahme ge funden die Bestimmungen der lsx Heinze, die in dem sogenannten Theaterparagraphen enthalten waren, und es sind bezüglich des Kunstparagraphen die wesentlichsten Bestimmungen, die bei uns Anstoß gefunden haben, ausgeräumt. Damit fallen für uns die schwerwiegendsten Bedenken weg. Es giebt zwar der K 184a, der hier vorgeschlagen ist, in Kreisen meiner politischen Freunde zu Beanstandungen Veranlassung, und wir hätten es vorgezogen, wenn auf 8 184 a im ganzen Verzicht geleistet worden wäre. Es wird hier ein neuer Begriff in das Strafgesetzbuch eingeführt, und wir können nicht anerkennen, daß die Ausdrucksweise, wie es hier heißt: -Darstellungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Scham gefühl gröblich verletzen-, ein juristisches Meisterwerk ist. Wir sind auch nach wie vor der Ansicht, daß der Begriff des Schamgefühls ein schwankender ist, verschieden nach den Gegenden, verschieden nach den Ständen, verschieden nach dem Bildungsgrad, und daß es zufolge dessen erwünschter gewesen wäre, überhaupt von der Einführung dieses neuen Begriffs Abstand zu nehmen, und zwar umsomehr, als § 184 in Ziffer 2 bereits eine Erweiterung der Schutzbestimmung für die Jugend enthält, indem in dieser Ziffer 2 die Ueberlassung und Anbietung unzüchtiger Schriften, Abbildungen oder Darstellungen an Personen unter 16 Jahren unter Strafe
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